Der Film spaltet die Gemüter wie mir scheint - aber das verblüfft mich nicht. Es ist auch in der heutigen Zeit so, wie Ludwig es damals schon empfand: der profane Kinobesucher wird hier die feinsinnige Botschaft des Films, die der Hauptdarsteller aus meiner Sich brilliant darstellt nicht erfassen. Dem gewöhnlichen Kinobesucher wird hier die Botschaft entgehen, er wird den Schmerz, die Zerissenheit, die Traurigkeit eines einsamen Monarchen, die Enttäuschung und das Unglück, die Verträumtheit und die Sehnsucht - alles was Ludwig an Seelenzuständen hatte und die schauspielerisch wunderbar umgesetzt wurden nicht verstehen und nachvollziehen können. Nur wer sich hier selbst ein wenig findet und sich hineinversetzen mag, kann diesen Film schön finden - alle anderen kruschen lautstark in ihrer Haribo-Tüte und fallen anderen, die bereit sind sich einzulassen auf die Nerven. Ich persönlich war gefesselt von der darstellerischen Leistung des Sabin Tambrea - diese Sprünge von einem Gemütszustand zum anderen, dieser Zwang ein Vorzeigekönig sein zu müssen obwohl Ludwig ja in Wirklichkeit ein seelisch wahnsinnig zarter Mensch, ein exzentrischer Künstler, und ja, wahscheinlich aus heutiger Sicht auch ein Borderliner war - das alles hat der junge Schauspieler mir glaubhaft vermitteln können - ich habe sogar vergessen, mein Popcorn zu essen! Mir ging es ebenso wie Ludwig damals: ich wäre am liebsten allein mit meiner Schwester im Kino gewesen, um den Film ganz für mich zu haben, ohne das Gekrusche, Getuschel und ohne Leute, die nach dem Film lautstark den Saal verlassen. Ludwig wollte seine Opern, die Natur und die Musik auch allein genießen, weil die meisten Menschen für die feinen Dinge, die die Seele berühren einfach kein Gefühl haben und sich dann benehmen, wie die Büffel im Porzellanladen. Auch wir wollten den Film nachwirken lassen - zu sehr hatte uns das alles berührt und zu denken gegeben. Welch traurige Geschichte, welche Tragödie, wir wissen ja, Ludwig hatte kein glückliches Leben und trotzdem wurde es mir hier wieder bewußt und ich habe mitgefühlt.
Andere Kinobesucher wiederum bewerten scheinbar nur irgendwelche Nebenpunkte - es war mir egal, ob es zu wenig Nahaufnahmen gab, ob die Kameraführung so oder so war und was weiß ich noch alles. Das ist ein Film für die Seele - einer zum einlassen, kein oberflächlicher Feierabendschinken!
Es war herrlich mit der Kamera über das herbstliche Füssen zu fliegen, Neuschwanstein von oben zu sehen, mit Ludwig durchs Schloss zu gehen und es bei Nacht zu erleben, etwas, was man auf der schnell durchschleusigen Touristentour im Schloss Neuschwanstein leider nicht erleben kann. Für uns ein wunderschön umgesetzter Film! Wir fanden auch die restliche Besetzung des Films klasse - hier waren irgendwie alle bekannten Gesichter da - und aus meiner Sicht war keine Rolle fehlbesetzt. Und damit auch Glückwunsch an die Regisseure - wie habt ihr besonders diesen Hauptdarsteller gefunden? Die Größe, die schlaksige Figur, die blauen Augen und Ludwigs Haarfarbe - sogar die Ohren fast authentisch - so jemanden zu finden, der dann auch noch eine derart vielschichtige Schauspielerleistung aufzubieten hat. Für uns die beste Neuverfilmung seit 1972.