Ein Mann und eine Frau. Sie sind jung, sie sind verliebt – und die verführerische Dame, übrigens verkörpert von Ex-Pornosternchen Traci Lords, entpuppt sich als Vampirin. Im Grunde hätte es ihm, trotz aller hormonellen Verwirrung, doch irgendwie dämmern müssen, dass Nachtclubs, die sich in unmittelbarer Nähe zu einem Schlachthof befinden, wohl eher nichts Gutes verheißen. Es kommt also, wie es kommen muss. Wahre Fontänen von Blut schießen aus der Sprinkleranlage, alle anwesenden Tanzwütigen entpuppen sich als durstige Untote und die Lage scheint völlig aussichtslos. Doch da wir es hier mit einer Adaption eines Marvel-Comics zu tun haben, ist freilich der Retter in der Not nicht weit und beendet die Party frühzeitig. Tiefgang darf man bei Stephen Norringtons „Blade“ natürlich nicht erwartet, aber dafür jede Menge stylische Action zu stampfender Musikuntermalung. Wer nicht mehr erhofft und verschmerzen kann, dass die potentiell faszinierende Mythologie des „Blade“-Universums eher unterentwickelt bleibt, kann sich hier zwei Stunden lang von weitgehend sinnfreiem Kirmes-Kino prima unterhalten lassen.
Blade (Wesley Snipes) ist ein so genannter Daywalker, eine Mischung aus Mensch und Vampir. Dieses Schicksal ereilte ihn, da seine Mutter, die bei seiner Geburt verstarb, in der Schwangerschaft gebissen wurde. Der stoische Einzelgänger hat gelernt, diese Tatsache zu akzeptieren - und es sich darüber hinaus zum Ziel gesetzt, Vampire, also gewissermaßen seine eigene dunkle Seite, erbittert zu bekämpfen. Blutdurst verspürt auch er, doch sein Mentor Whistler (Kris Kristofferson) verabreicht ihm regelmäßig ein als Ersatz dienendes Serum. Daneben rüstet der erfahrene Vampirjäger seinen Schützling mit diversen ausgeklügelten Hightech-Waffen aus, so dass dieser möglichst effizient mit den Blutsaugern aufräumen kann. Abwechslung in seinen Alltag bringt die toughe Ärztin Dr. Karen Jenson (N’Bushe Wright), die ihm seit einer unliebsamen Begegnung mit einem Vampir zur Seite steht. Hilfe kann der Daywalker auch tatsächlich gut gebrauchen, denn es braut sich Unheil zusammen. Der hochnäsige Deacon Frost (Stephen Dorff) hegt finstere Pläne. Mithilfe einer jahrtausendalten Prophezeiung beabsichtigt er, das Ende der Menschheit einzuläuten…
Ein angenehmer und friedliebender Zeitgenosse scheint Regisseur Stephen Norrington nicht zu sein. Wie wiederholt berichtet wurde, trieb sein wutschnaubendes Auftreten bei den Dreharbeiten zu „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“ Sean Connery derart zur Weißglut, dass es beinahe zu einer Keilerei zwischen den beiden gekommen wäre (wobei angemerkt werden sollte, dass der Vorzeige-Schotte ebenfalls als recht schwierig gilt und man Klatsch und Tratsch sowieso eher mit vorsichtig genießen sollte). Allerdings muss doch etwas vorgefallen sein, denn Connery verabschiedete sich in den vorzeitigen Ruhestand und Norrington tauchte ebenfalls unter. Seitdem hat er sich stark zurückgezogen und arbeitet nur noch sporadisch, etwa als Bildhauer für „Exorzist: Der Anfang“.
In gewisser Weise stellt dies einen Rückzug zu seinen Wurzeln dar, denn der 1964 geborene Engländer studierte Kunst und begann in den 80er Jahren eine Karriere als Effektspezialist, als der er unter anderem auch an James Camerons Action-Klassiker „Aliens - Die Rückkehr“ beteiligt war. 1995 erschien dann Norringtons Regiedebüt „Death Machine“, ein nicht sonderlich origineller „Alien“/„Terminator“-Klon. Was ihn allerdings zeitweilig reizvoll machte, war seine Optik. In Anlehnung an die Hochglanz-Ästhetik seiner britischen Kollegen Ridley („Blade Runner“) und Tony Scott („Top Gun“) leistete der Debütant zumindest in visueller Hinsicht sehr gute Arbeit, was sich auch generell über sein zugegebenermaßen schmales Oeuvre sagen lässt: Norrington interessieren Design und Look mehr als Handlung und Charaktere, was einem Film wie „Blade“ auch überhaupt nicht schadet, sondern im Gegenteil sogar eher zugutekommt. Gemeinsam mit dem unterschätzten Kameramann Theo van de Sande („Eiskalte Engel“) gelingen ihm hippe Breitwand-Kompositionen, manchmal ein wenig zu sehr auf cool getrimmt, aber immer eine blutige Augenweide.
Wie Norrington geht es auch Blade nicht nur darum, seine Arbeit möglichst effizient, sondern zugleich auch möglichst stilvoll zu erledigen – das haben der Vampirkiller und der Regisseur gemein. Allzu viele Gedanken über die Handlung sollte sich hingegen niemand machen. Bis zu seinem herausragenden Skript zu „Batman Begins“ war es für den Drehbuchautor David S. Goyer damals noch ein weiter Weg, so fallen etwa überflüssige Sprüche der Figuren, die lediglich kommentieren, was sich vor ihnen abspielt, negativ auf. Diese Schwäche gibt der Autor mittlerweile sogar selbst unumwunden zu und ein Stück weit trägt sie ha auch zu dem B-Movie-Charme bei – und natürlich bleibt „Blade“ ein waschechtes B-Movie, mittlerer Budget und Hochglanz-Bildern hin oder her.
Über Wesley Snipes Darstellung lässt sich sicherlich trefflich streiten. Spätestens seit Clint Eastwoods legendärem Auftritt in „Für eine Handvoll Dollar“ haben Antihelden ja mimisch äußerst sparsam zu sein – und diesem Mantra folgt nun auch Snipes, wobei ihn allein seine Physis zur Idealbesetzung macht. Stephen Dorff gleitet hingegen immer mal wieder ins platte Chargieren ab, ganz zu schweigen von Donal Logue als Quinn, der mitunter die Nerven des Zuschauers überstrapaziert. Als schlicht großartig erweist sich allerdings die Idee, Trash-Legende Udo Kier („Armageddon“) als Vampirfürsten Dragonetti zu besetzen. Allein aufgrund seiner Rollenvergangenheit besitzen seine Auftritte eine faszinierende Würde, die dem Film ansonsten abgeht. Man hätte sich noch mehr Einblicke in die Parallelgesellschaft der Nosferatus gewünscht, einer perfekt organisierten Welt im Verborgenen. Ähnliches gilt für den Hintergrund des Vampirismus, der eine deutliche Ähnlichkeit zum HIV-Virus aufweist - und auch der finale Twist bleibt unterentwickelt. Hier wurde zwar einiges an Potential verschenkt, aber das passiert eben, wenn die spektakulären Kämpfe gegen zahllose Untote so eindeutig im Vordergrund stehen.
Fazit: Eine urbane Schlechtenachtgeschichte voller Rasanz und Coolness. Freunde mit einer Vorliebe für die finsteren Gestalten mit den scharfen Eckzähnen und/oder perfekt fotografierter Action treffen mit „Blade“ garantiert keine schlechte Wahl.
In einer früheren Version dieser Kritik hatte „Blade" noch 3 von 5 Sternen. Die ausführliche Begründung für die Änderung der Sternewertung könnt ihr in diesem Artikel nachlesen.