Die Festivalkultur des jährlich stattfindenden Wacken Open Air, dem weltweit größten Metal-Festival, diente schon zahlreichen Dokumentarfilmen als Thema. Zum zehn- und fünfzehnjährigen Bestehen der Festtage entstanden bereits die Filme „Metalheads" und „Nordland", beide unter der Regie von Thomas Greiner. Im Jahr 2006 stellte die koreanische Regisseurin Sung Hyung Cho die Bevölkerung des kleinen Ortes in Schleswig-Holstein in den Mittelpunkt und porträtierte mit „Full Metal Village" die Wackener während des dreitägigen Ausnahmezustands. Einen anderen Blickwinkel wählen die Filmemacher Thorsten Hänseler und Dmitry April: Mit ihrer Trash-Dokumentation „Metaller die auf Brüste starren" wollen sie das Ereignis aus Sicht der Festivalgänger zeigen. Die Ergänzung „Trash" könnte dabei treffender nicht sein: Die eloquent vorgetragenen Fragen werden meist eher grölend als verständlich, mehr betrunken wankend als aufrecht stehend beantwortet und die verwackelten, unscharfen Aufnahmen davon entlarven den mit aller Wahrscheinlichkeit ebenso alkoholisierten Kameramann.
Einmal im Jahr, in der ersten Augustwoche, pilgern 60.000 Musikfans aus aller Welt nach Schleswig-Holstein, um dort ein kleines, beschauliches Dorf mit gerade mal 1.800 Einwohnern aufzusuchen und es für ein Wochenende in das internationale Metal-Mekka zu verwandeln. Unter ihnen befinden sich auch fünf Männer in den Dreißigern, die sich einmal im Jahr von ihrem gewohnten Arbeits- und Familienalltag lösen, um inmitten von Gleichgesinnten und ungesund lauter Musik die biergetränkte Luft des Wacken Open Airs zu atmen. Warum sie das tun? Diese Frage wollen zwei von ihnen mit der Dokumentation „Metaller die auf Brüste starren" beantworten und versuchen dabei, das Festivalgeschehen so authentisch wie möglich wiederzugeben. Die Mittel, die ihnen dabei zur Verfügung stehen, sind jedoch bescheiden. Nur mit einem Mikro und einer einfachen Handkamera bewaffnet, wagen sich Thorsten Hänseler und Dmitry April unter die Feiernden.
Das Ergebnis bewegt sich erwartungsgemäß jenseits aller Professionalität und könnte, sieht man mal von den amüsanten Off-Kommentaren des Sprechers ab, fast als Urlaubsvideo durchgehen. Die Aufteilung der beiden Filmemacher in Interviewer und Kameramann, soll vermutlich in erster Linie gewährleisten, dass immer eine Hand zum Bierhalten frei bleibt, anstatt journalistische Kompetenz zu suggerieren. Hänseler und April nehmen weder sich selbst, noch die befragten Besucher wirklich ernst, sondern stürzen sich lieber von einer grotesken Situation in die nächste und pfeifen auf den informativen Nährwert. Dabei folgen sie ganz der Parole „Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist", einem Titel der Band Die Kassierer, der zusammen mit einigen anderen Stücken den Soundtrack des Films bildet. Warum auf diesem kein einziges Metalriff ertönt, bleibt das Geheimnis der Filmemacher. Die Kassierer haben zwar, wie schon einige andere Punkrockkapellen zuvor, die Bühnen vom Wacken Open Air mit Bands wie Metallica, Iron Maiden und Blind Guardian geteilt, sind aber keineswegs ein klassisches Beispiel für die diabolischen Klänge, die für gewöhnlich über das Festivalgelände hallen.
Dabei gäbe es sicherlich mehr als genug semi-professionelle Metalbands, die ihre Songs gerne für die Dokumentation bereit gestellt hätten, ohne Unsummen für Lizenzgebühren zu verlangen. Leider fehlen neben der passenden Musikuntermalung auch Konzert-Mitschnitte, Aufnahmen aus den Moshpits oder Bilder von den gewaltigen Menschenmassen bei den Headliner-Auftritten, womit die eigentliche Essenz des Festivals auf der Strecke bleibt. „Metaller die auf Brüste starren" zeigt vor allem das Geschehen auf dem Campinggelände, mit all seinen bierseligen Absurditäten und geschmacklichen Entgleisungen, die manchmal auch ein kleines bisschen zum Fremdschämen animieren. Für Wacken-Besucher und vor allem solche, die es werden wollen, kann der Film dennoch als gute Einstimmung und Vorbereitung zur anstehenden Festivalsaison dienen – sofern beim Kino des Vertrauens nicht das Bier alle ist.