Oft sind deutsche Cineasten ja ein wenig neidisch auf die große Filmnation Frankreich. Vor Esprit funkelnde, lebenskluge Liebesfilme, wie sie dort scheinbar en masse gedreht werden, das würden wir hierzulande auch gern hinbekommen. Klappt nur meistens nicht. Da ist es ganz tröstlich zu sehen, dass auch den Franzosen eine romantische Tragikomödie misslingen kann – schließlich gilt das Leichte nicht umsonst als das Allerschwerste. Immerhin scheitert Pierre Pinaud mit seinem Debütfilm „Sag, dass du mich liebst" auf ziemlich charmante Weise, er zeigt Humor, Menschenfreundlichkeit und viele gute Absichten. Was dem Film letztlich zum Verhängnis wird, ist der extreme Fokus auf seine Hauptfigur. Diese Konzentration auf einen Protagonisten muss grundsätzlich gar kein Problem sein, wenn allerdings mit dieser Figur etwas nicht stimmt, gerät die gesamte Geschichte in Schieflage – so wie hier.
Mélina (Karin Viard) ist eine Star-Radiomoderatorin, die in ihren Sendungen einfühlsam und warmherzig auf die Sorgen und Nöte ihrer Hörer eingeht, im wirklichen Leben jedoch schüchtern ist und sehr zurückgezogen lebt. Diese merkwürdige Diskrepanz hat Gründe: Als kleines Kind wurde Mélina von ihrer Mutter weggegeben und wuchs in Heimen auf. Jetzt, mit über 40, hat sie sie über eine Detektei aufgespürt: Die Mutter heißt Joëlle (Nadia Barentin), wohnt ganz in der Nähe in einer Pariser Vorstadt und ist eine patente Frau aus der Arbeiterklasse. Im Übrigen ist sie, wie Mélina erschrocken feststellt, Mutter eines weiteren Kindes. Der Halbbruder Bernard (François Bureloup), ein paar Jahre älter als sie selbst, ist ein unsympathischer Kerl in mittleren Jahren, der die erstbeste Gelegenheit nutzt, die schöne blonde Fremde anzubaggern – denn Mélina hat es geschafft, die Familie kennenzulernen, ohne ihre wahre Identität preisgeben zu müssen. Dabei lernt sie auch Lucas (Nicolas Duvauchelle) kennen, Ende Zwanzig und der Stiefsohn ihrer Mutter, der sich Hals über Kopf in die mysteriöse Pariserin verliebt. Mélina aber will diese Liebe nicht. Sie will nur die Liebe ihrer Mutter, die sie nie gehabt hat, und lässt es auf eine Konfrontation mit Joëlle ankommen, die diese fast das Leben kostet.
An sich hat Pierre Pinaud mit „Sag, dass du mich liebst" eine sehr dichte und komplexe Geschichte geschrieben. Aber wie Mélinas fast pathologische Schüchternheit allein durch ihre mutterlose Kindheit erklärt wird, das mutet dann doch ein wenig zu küchenpsychologisch ausgedacht an. Ihr extremes Verhalten wirft viele Fragen über Mélinas Lebensweg auf, die allerdings unbeantwortet bleiben. Wie diese neurotische scheue Person an den Job einer Radio-Moderatorin gekommen ist, wie sie sich im wuseligen Paris zurechtfindet, ob sie überhaupt Freunde hat – man erfährt es nicht. Mélina bleibt kalt und unnahbar, ihre Fassade bleibt undurchschaubar, was nicht zuletzt an Hauptdarstellerin Karin Viard („Ein Stück vom Kuchen") liegt.
Bei einem Catherine-Deneuve-Ähnlichkeitswettbewerb würde Viard wahrscheinlich den ersten Preis gewinnen: dieselbe kühle Ausstrahlung, dieselbe Eleganz, dasselbe Blond. All das passt sehr gut zu ihrer Rolle, doch vermag Viard es nicht, diese so ambivalent angelegte Frauenfigur mit einem echten Geheimnis zu versehen. Oder mit einer Ausstrahlung, die verständlich machen würde, dass der attraktive junge Lucas sich ausgerechnet in sie verliebt. Viard tendiert zum Chargieren, aber mit Übertreibung lässt sich weder Mélinas Verklemmtheit plausibel darstellen, noch die übergroße Warmherzigkeit glaubwürdig machen, die Mélina als Radiomoderatorin an den Tag zu legen imstande ist. Mit mehr Augenmerk auf Zwischentöne hätte sich über kleinere Drehbuchschwächen hinwegspielen lassen. So aber fallen sie umso mehr auf.
Fazit: Pierre Pinauds tragikomische Liebeskomödie scheitert trotz mancher charmant-humorvoller Momente an der unglücklich besetzten Hauptrolle und an kleineren Unstimmigkeiten im Drehbuch.