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    Alpen
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    Schnafffan
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    3,0
    Veröffentlicht am 8. Juli 2012
    Giorgos Lanthimos ist der neue Stern am europäischen Regie-Himmel. Sein grandioses Meisterstück "Dogtooth", eine streng durchkomponierte Parabel und bitterböse Satire ist nicht erst seit seinem Triumphzug sowohl durch Cannes mit dem Gewinn des Prix d'un Certain Regard als auch bei der Oscar-Verleihung mit der überraschenden Nominierung als bester nicht-englischsprachiger Film im Gedächtnis jedes interessierten Beobachters des europäischen Gegenwarts-Kinos geblieben.

    Mit seinem erst zweiten Spielfilm "Alpen" ist er nun bestrebt, künstlerisch mit sattem Schlag nachzulegen ... und scheitert auf hohem Niveau. Das nicht minder radikale und von Lanthimos prägnanter Handschrift durchzogene Ultra-Arthouse-Werk kann die immensen Erwartungen nach dem brillianten "Dogtooth" leider nicht erfüllen, ist aber dennoch für Filmkunstbegeisterte mit eiserner Geduld bzw. Ausdauer sowie experimentierfreudiger Offenheit durchaus sehenswert.
    Dass Lanthimos nämlich nichts von seinen außerordentlichen Regie-Fähigkeiten und seinem bemerkenswerten Intellekt verloren hat, zeigen in "Alpen" so einige rein für sich famos funktionierende Szenen, in welchen der exzentrische Naturalismus und die subtile Bildsprache des Griechen auf einen noch viel stärker als bei "Dogtooth" ausgeprägten hintersinnig-fiesen Humor treffen, der einer Intensivierung des sperrigen Filmerlebnisses mehr als förderlich ist.
    Doch das Problem besteht darin, dass Lanthimos insgesamt im Gegensatz zu seinem Erstling die dringend erforderliche erzähltechnische - sofern man diese Begriffe bei einem solchen Werk überhaupt anwenden kann - Stringenz vermissen lässt, um die narrative Fragmentierung schlussendlich zu einem wenigstens substanziell harmonischen Ganzen zusammenzuführen. Athina Rachel Tsangaris "Attenberg" hat eindrucksvoll vorgemacht, wie und dass dies trotz konfuser inhaltlicher Zerstückelung des Plots und der Szenenstruktur phänömenal funktionieren kann.

    Ob daraus resultierend oder nicht, es wird auch nicht so richtig klar, auf was Lanthimos mit seinem zweiten Film hier nun so wirklich hinaus will; bei "Dogtooth" vermochte er es viel geschickter, seine Parabel nicht zu unverständlich zu abstrahieren und doch eine vielfältige Interpretationsbandbreite zu eröffnen.

    Was aber ansonsten an positiv erwähnenswertem verbleibt, sind die spezifischen Merkmale dieses neuen griechischen Kinos, welche selbiges so hervorragen lassen: Die großartigen Darsteller, ihr minimalistisches Spiel, der Fluss und die Melodik der spröden Dialoge, die spürbare Leidenschaft der Filmemacher bei der künstlerischen Auseinandersetzung mit ihrem geplagten Heimatland (die oftmals nahezu entvölkert wirkenden Schauplätze; der traurig-zynische Abgesang auf die populäre Postkarten-Idylle; das Hervorheben der die Lebensorte der Protagonisten durchziehenden toten Industriestruktur (bei "Alpen" etwa die wie in eine alte Fabrikanlage gestopft wirkende Turnhalle, in welcher die seltsame Gruppe ihre Treffen abhält)), die triste Atmosphäre und dann aber eben auch diese gewisse einzigartige Würze des Bizarren, des Absurden, auch des Unheimlichen.

    Trotzdem "Alpen" also leider nicht die außerordentlichen Erwartungen erfüllen kann, ist er beileibe kein schlechter Film. Er wird stark polarisieren, sowohl in seiner Interpretierbarkeit als auch der Auslegung seiner künstlerischen Qualität. Für Fans von "Dogtooth" oder "Attenberg" führt sowieso kein Weg an diesem Film vorbei. Doch auch ansonsten sollte jeder Interessierte erkennen: Wir erleben heute in Griechenland den Anfang europäischer Filmgeschichtsschreibung, welche möglicherweise so schnell nicht übertroffen wird. Sollte die Wunder-Truppe um Lanthimos und Tsangari (die wunderbaren "Alpen"-Darstellerinnen Aggeliki Papoulia und Ariane Labed spielten jeweils in "Dogtooth" bzw. "Attenberg" die Hauptrolle, Lanthimos fungierte in Tsangaris Kunstwerk als Produzent und Nebendarsteller, Tsangari wiederum produzierte "Alpen") ihr sensationelles Potenzial weiter ausloten und vielleicht sogar noch weitere nationale Talente inspirieren, könnten sie eine griechische Nouvelle Vague begründen, welche sich vor einem Oeuvre des noch am ehesten mit ihnen vergleichbaren Rainer Werner Fassbinder nicht zu verstecken bräuchte.
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