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    Alexandre Ajas Maniac
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Alexandre Ajas Maniac
    Von Robert Cherkowski

    Jede Generation hat ihre Horror-Autorenfilmer, die den Ton angeben und das Genre in neue Richtungen führen. Früher waren das meist Amerikaner (wie Wes Craven, John Carpenter, George Romero) oder Italiener (Dario Argento, Mario Bava, Lucio Fulci), doch inzwischen gibt es auch immer mehr französische Genre-Regisseure, die gekonnt und originell Motive und Stimmungen variieren. Einer von ihnen und bislang der einzige, der erfolgreich den Sprung über den großen Teich geschafft hat, ist Alexandre Aja. Im Anschluss an seinen legendär-brutalen French-New-Wave-Schocker „High Tension" legte er mit „The Hills Have Eyes" in Hollywood ein gelungenes Remake des gleichnamigen Wes-Craven-Klassikers nach. Auf den durchschnittlichen Psychothriller „Mirrors" ließ er den extrem spaßigen Splatter-Trash „Piranha 3D" folgen. Nebenbei verhalf Aja auch noch seinem Kumpel und „High Tension"-Darsteller Franck Khalfoun zu dessen Regiedebüt „P2", das zwar wenig bemerkenswert war, nun aber Früchte trägt: Für das gleichnamige Remake des in Fan-Kreisen berühmt-berüchtigten Slasher-Klassikers „Maniac" von William Lustig arbeitet Aja als Produzent und Autor erneut mit Khalfoun als Regisseur zusammen. Dabei überrascht das Duo mit einer atmosphärischen Skalpier-Orgie, deren Qualität die Erwartungen bei weitem übertrifft.

    In Los Angeles geht ein Schlächter um. Der unscheinbare Restaurator Frank (Elijah Wood) mag schüchtern und verdruckst auftreten, doch im Dunkeln sollte man ihm lieber nicht begegnen. Frank ist ein psychisch schwer derangierter Killer, der Frauen verfolgt, ermordet und skalpiert. Die Haare setzt er den Schaufensterpuppen auf, mit denen er in seiner Wohnung „normale" emotionale Beziehungen zu führen versucht. Beherrscht wird seine wahnsinnige Gedankenwelt von seiner verstorbenen Mutter (America Olivo), die einst als Prostituierte arbeitete und ihn als Kind zwang, ihr bei der Arbeit zuzusehen. Das hat bei Frank einen mörderischen Hass auf Frauen hinterlassen, den er nun rastlos auslebt. Als die junge Fotografin Anne (Nora Arnezeder) in sein Leben tritt, spürt Frank zum ersten Mal eine emotionale Bindung, die seine mörderischen Triebe für eine Zeit ausbremst. Als er Anne zu einer Vernissage begleitet und dort von ihren arroganten Künstlermilieu-Freunden mit Verachtung gestraft wird, brennen Frank jedoch auch noch die letzten Sicherungen durch...

    Die Remake-Welle reißt nicht ab! Aber „Alexandre Ajas Maniac" ist keine dieser Neuverfilmungen, bei denen ein unbequemer Klassiker („The Last House On the Left", „Straw Dogs –Wer Gewalt sät", „Texas Chainsaw Massacre") zu leicht verdaulicher Multiplex-Ware banalisiert wird. Aja bewies schon mit seinem „The Hills Have Eyes"-Remake Gespür für die richtige Mischung aus Hommage und Originalität. Und auch in „Maniac" finden sich nun viele Zitate und Verbeugungen vor Genre-Klassikern: Wenn Frank etwa mit einem seiner Opfer in spe ein paar unbeholfene Tanzversuche zu den Klängen von „Goodbye Horses" unternimmt, dann freut sich der Horror-Kenner über diesen Wink in Richtung von „Das Schweigen der Lämmer". Auch die Szene vom originalen „Maniac"-Poster wird an anderer Stelle ikonographisch nachgestellt. Doch ein selbstverliebtes Zitate-Feuerwerk ist „Maniac" trotzdem nie, stattdessen gehen Aja und Khalfoun stilsicher ihren eigenen Weg.

    Die Filmemacher haben zwar stets das Original im Hinterkopf, wagen aber im richtigen Moment die Variation: So versuchen sie erst gar nicht, ihren Star Elijah Wood in die Fußstapfen von Ur-"Maniac" Joe Spinell treten zu lassen, sondern zeichnen den neuen Frank als unauffälliges Gesicht in der Menge. Wie ein betont skurriler Casting-Coup wirkt die Besetzung des „Herr der Ringe"-Stars nur, wenn man vergisst, dass er auch schon in „Vergiss mein nicht", „Sin City" und „Hooligans" gezeigt hat, dass er ein Faible für die Darstellung abseitiger Milchbubis mit düsteren Geheimnissen besitzt. Wood zielt dann auch weniger auf exzessives Chargieren ab, als auf psychotisches Brüten im Stile von Anthony Perkins in „Psycho". Dabei ist er durch die vielen Szenen aus seiner subjektiven Perspektive nur in gelegentlichen Reflektionen in Spiegeln und natürlich den Momenten des Blutrauschs zu sehen und definiert seine Figur vor allem mit seiner flatterhaften Stimme. Durch die Entscheidung, Franks Streifzüge mit subjektiver Kamera (der Zuschauer schaut aus den Augen des Killers) zu filmen, wird der Betrachter zudem in die Position des Mörders gezwungen und es wird ihm zugemutet, die Welt mit dessen Augen zu sehen.

    Mit seiner extremen Subjektivität erinnert „Maniac" bisweilen weniger an einen B-Movie-Schocker als an einen psychedelischen Arthouse-Trip im Stil eines Gaspar Noé („Enter the Void"), wozu auch der treibende elektronische Soundtrack beiträgt. In manchen Momenten wiederum, wenn Frank durchs nächtliche L.A. streift und die grellen Lichter funkeln wie böse allwissende Augen, wirkt Khalfouns Film wie eine Mischung aus Jörg Buttgereits Low-Budget-Horror „Schramm" und Nicolas Winding Refns „Drive". Bei alldem ist „Maniac" alles andere als ein sensibles Psychodrama, sondern kraftvolles Exploitation-Kino. So wird die Psychologie des Täters nur schemenhaft umrissen und die Filmemacher greifen auf oft bemühte Klischees zurück, wenn etwa die Ursache für Franks Wahnsinn eher fadenscheinig in seiner schlimmen Kindheit gesucht wird.

    Wenn Maxime Alexandres („The Crazies") Kamera durch U-Bahnen und Gassen gleitet, weiß man, dass die Reise in schrecklichen Bildern enden wird. Hier regiert trotz flirrender Farben und ausgefeilten Kamerafahrten, von denen man nicht den Blick abwenden kann, der nackte, plakative und beizeiten zum Sadismus neigende Terror: „Maniac" ist ganz harter Tobak. In einer Zeit, in der viele Horrorfilmproduzenten die Gunst des Publikums mit verkrampft verwackelter Brutalität zu gewinnen suchen, wirkt der intensive Blutrausch von „Maniac" umso drastischer. Speziell das Finale, in dem man einerseits Anne das Überleben wünscht und gleichzeitig zur Identifikation mit Frank genötigt wird, ist gleichermaßen faszinierend wie verstörend. Die Erfahrung von „Maniac" lässt sich nicht so einfach nach dem Abspann abschütteln, sie will erlebt, erlitten, überstanden und verarbeitet werden.

    Fazit: Mit „Maniac" entfachen Alexandre Aja und Franck Khalfoun einen faszinierenden Höllensturm, der mit atmosphärischer Dichte und betörenden Bildern begeistert und immer wieder mit äußerster Härte schockiert.

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