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    The Residents
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    The Residents
    Von Kevin Huber

    Wann wird ein langatmiger zu einem langweiligen Film? Vor allem bei Werken aus dem Arthouse-Sektor wird diese Frage immer wieder hitzig diskutiert. Schließlich ist auch die empfundene Schwere zu langsam verstreichender Zeit eine der Grunderfahrungen menschlicher Existenz – das künstlerische Streben, diesen Zustand kompromisslos filmisch abzubilden muss als ebenso legitim gelten wie das Unterhaltungs- und Zerstreuungsbedürfnis des breiten Kinopublikums. Seine Langatmigkeit soll Tiago Mata Machados „The Residents" daher auch nicht zum Vorwurf gemacht werden. Wohl aber, dass das radikal-experimentelle brasilianische Drama trotz konsequenter Konzeption und Inszenierung so langweilig ausfällt – nicht umsonst wurde „The Residents" auf der Berlinale und auf der Viennale mit Buhrufen und Massenfluchten quittiert. Die künstlerischen Ideen hinter „The Residents" sind durchaus interessant, sie erschließen sich aber lediglich jenen Zuschauern, die ein gewisses Vorwissen zu Machados Thesen mitbringen und sich auf sein diskursives Spiel einlassen.

    Sechs Menschen haben sich in einem Abrisshaus eingenistet, um der Außenwelt, die ihrer Ansicht nach den Glauben an Utopien, Rebellionsgeist und Poesie verloren hat, den Kampf anzusagen. In ihrer autonomen Zone werden rund um die Uhr Parolen geschmettert, Diskussionen geführt, Tugenden aus der Hochphase der Avantgarde rezitiert und Performance-Art-Stücke aufgeführt. Während die Guerilla-Truppe also die Gesten ihrer Vorbilder der 60er und 70er Jahre imitiert, gestaltet sich ihr frustrierend-erfolgloser Alltag zunehmend monoton, bis sie schließlich das Handtuch wirft und ihr Haus zum Abriss freigibt...

    „The Residents" ist eine vordergründig willkürliche Aneinanderreihung der erwähnten Diskussionen, Rezitationen und Performances der Hausbesetzer. Unterteilt ist der Film in Kapitel, die durch verschiedenfarbige Kleidungsstücke auch visuell voneinander abgegrenzt werden. Regisseur Machado bemüht sich nicht, diese teilweise endlos langen Szenen in irgendeinen schlüssigen narrativen Kontext einzubinden, er hält sich weder mit den Hintergründen der Figuren noch mit Erläuterungen ihrer Absichten auf. Stattdessen werden ohne jegliche Erläuterung unter Einsatz roter Farbe Erschießungskommandos nachgestellt oder Schamhaare zu Schnurrbärten umgemodelt. Wecken die Aktionen zu Beginn noch den Eindruck einer künstlerischen Rebellion, entlarvt Machado sie zunehmend als prätentiös und albern.

    Machados eigentliches Anliegen ist ein kulturkritisches: Die zeitgenössische Avantgarde, insbesondere im Kino, habe keine eigenen Ideen und Ideale, greife lediglich auf die Gesten ihrer Vorbilder zurück und drehe sich im Kreis, das ist die These des Filmemachers, die er hier mit zunehmend bissigem Unterton vertritt. Seine Bilder - überwiegend Nahaufnahmen - bestechen mit ausgefeilter Farbdramaturgie und wecken Erinnerungen an solch überragende Ästhetiker wie Jean-Luc Godard („Die Verachtung") und Michelangelo Antonioni („Blow Up"). Bei all seiner inszenatorischen Kraft gelingt es Machado jedoch nicht, in diesem kryptischen Durcheinander eine überzeugende Veranschaulichung für seine streitbare These zu finden.

    Der brasilianische Regisseur ist hauptberuflich Filmkritiker und das merkt man seinem zermürbend artifiziellen Werk an: „The Residents" ist pure Theorie. Die offensiv zur Schau gestellte Strukturlosigkeit und das Jonglieren mit allerlei hochgestochenen Referenzen sind eine klare Kampfansage an jedes Publikum, das im Kino gerne Sinnstiftendes sieht. Solange Machado aber aus Prinzip auf Distanz zu jeglicher Sehgewohnheit geht, wird seine diskussionswürdige These im Kinosaal verhallen. Und so drückt „The Residents" letztendlich genau das aus, was Machado eigentlich problematisieren will: einen selbstgefälligen Avantgarde-Gestus.

    Fazit: „The Residents" ist ein großartig inszenierter, dabei aber auch fürchterlich langweiliger Bilderreigen, dessen provokanter Subtext viel zu vage bleibt.

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