Der Drehbuchautor und Regisseur Alexander Mindadze, Jahrgang 1949, zählt zu den renommiertesten Filmemachern Russlands. Schon seit langem trug er die Idee mit sich herum, einen Film über die Katastrophe von Tschernobyl zu drehen, der nicht so ist wie die anderen Beiträge zu dem Thema. Er wollte weder eine Dokumentation noch einen Blockbuster und an Schuldzuweisungen war er auch nicht interessiert. Ihn bewegte viel mehr die Frage, warum die Bewohner von Tschernobyl, obwohl sie von der Explosion des Reaktors wussten, in der Stadt blieben und nicht schleunigst das Weite suchten. In seinem Drama „An einem Samstag" zeigt er nun den Tag nach dem Super-GAU, an dem die Menschen immer wieder kurz innehalten, um sich dann aber doch wieder in ihr – im Angesicht der Katastrophe banales - Alltagsleben zu stürzen. In metaphorisch zugespitzter Form illustriert Mindadze den menschlichen Hang zum Augenverschließen und zur Verdrängung. Diesem starken Motiv ordnet er alles unter, wodurch die Glaubwürdigkeit der Charaktere aber leider zunehmend auf der Strecke bleibt.
Weil die Partei den Vorfall zunächst totschweigen will, ist der junge Ingenieur Valery Kabysh (Anton Shagin) einer der wenigen, die von Anfang an wissen, was im Kernkraftwerk geschehen ist. Er versteht, dass er die Stadt sofort verlassen muss, um nicht weiter der todbringenden Strahlung ausgesetzt zu sein. Aber zuvor verschlägt es ihn noch in ein Frauenwohnheim, wo er sich Vera (Svetlana Smirnova-Martsinkievich) schnappt und sie mit zum Bahnhof schleppt. Doch die beiden trödeln und zu allem Überfluss bricht kurz vor dem Ziel auch noch ein Absatz von Veras hochhakigen Ausgehschuhen, die sie sich angezogen hat, weil ja schließlich Samstag sei. Der Zug ist jedenfalls weg. Bei dem Versuch, Veras Pass aus einem Lokal abzuholen, wo sie ihn als Pfand zurückgelassen hatte, stolpert das Duo mitten in eine Dreifachhochzeit, auf der auch Valerys Ex-Band aufspielt, aus der er einst ausgestiegen ist, um als Parteifunktionär Karriere zu machen. Es wird gesoffen, getanzt und sich geprügelt – und niemanden scheint es wirklich zu interessieren, dass in Sichtweite von ihnen ein explodierter Atomreaktor vor sich hin glüht...
Noch ist das Gras grün und die Sonne scheint auch. Es ist ein kraftvolles Bild, all diese Menschen, die längst durchschaut haben müssen, dass sie verloren sind, aber sich nur umso stärker in ihr normales Leben hineinstürzen. Die Gefahr ist schließlich unsichtbar und vielleicht wird ja alles wieder gut, wenn man sie bloß nicht zu ernst nimmt oder vielleicht sogar über sie lacht. Leider entgleitet Regisseur Alexander Mindadze diese Metapher irgendwann, weil er zwar seine Moral von der Geschicht‘, aber nicht seine Figuren zu fassen bekommt. Zunächst sind es Kleinigkeiten wie der gebrochene Absatz, die Valery von der Flucht abhalten. Aber irgendwann bedarf es eines umfassenden Konstrukts, von stehlenden Kellnern bis zu philosophierenden Schlagzeugern, um zu erklären, warum Valery noch immer mit seinen alten Freunden feiert, statt sich vom Acker zu machen. Das ist dann fast wie in einem schlechten Horrorfilm, wo das Opfer nur aus der Haustür rennen müsste, um sich in Sicherheit zu bringen, aber trotzdem lieber die Treppe in den ersten Stock nimmt.
Fazit: Hinter „An einem Samstag" steht eine starke Idee, aber ab etwa der Hälfte der Laufzeit büßen die Figuren und ihre Handlungsweisen so sehr an Glaubwürdigkeit ein, dass der gute Ansatz allein den Film einfach nicht mehr trägt.