Das Horror-Kino befindet sich wieder einmal an einem toten Punkt. Die Welle der Remakes von Klassikern wie „Wer Gewalt sät", „Das letzte Haus links" oder „Nightmare - Mörderische Träume" ist vorerst verebbt, ohne großen Eindruck zu hinterlassen zu haben. Der Trend geht nun zu kleinen, kostengünstigen Filmen mit einer griffigen Idee, die in einem kurzen Trailer auf den Punkt gebracht werden kann. Diese aus dem Blockbuster-Kino unter dem Namen „High Concept" bekannte Strategie findet jedenfalls unter den Produzenten von kostengünstigen Horror-Quickies immer mehr Anhänger. Viele ihrer schnell runtergespulten Beiträge sind letztlich kaum mehr als der „Film zur Idee": Da gibt es den „Found-Footage-Exorzismus-Reißer" („Devil Inside"), den „Infrarot-Überwachungsgrusel" („Paranormal Activity") oder die „Backwood-Mutanten-Sause mit Russen" („Chernobyl Diaries"). Eines haben diese unterschiedlich gut gelungenen Werke dabei längst gezeigt: Eine einzelne prägnante Idee allein ergibt noch keinen sehenswerten Film. Dies wird angesichts von Chris Kentis‘ und Laura Laus Grusel-Horror „Silent House" auf eklatante Weise deutlich. Ihr Konzept, den ganzen Film in einer einzigen Einstellung (und damit auch in Echtzeit) zu drehen, wird nicht nur enttäuschend ausgeführt, es ist auch alles andere als originell – schließlich handelt es sich hier um ein Remake des gleichnamigen Films aus Uruguay von 2010, in dem bereits die gleiche Übung durchexerziert wurde.
Eigentlich sollte es ein ruhiger Abend im alten, abgeschiedenen Familiendomizil werden, Zusammen mit ihrem Vater John (Adam Trese) und ihrem Onkel Peter (Eric Sheffer Stevens) will Sarah (Elizabeth Olsen) noch einmal etwas Zeit in dem Haus am See verbringen, mit dem sie viele Erinnerungen verbindet. Doch aus dem nostalgischen Ausflug wird nichts: Nach einem Streit lässt Peter Vater und Tochter allein, um in die nahegelegene Stadt zu fahren. Wenig später verschwindet auch John scheinbar spurlos und zu allem Überfluss dringen seltsame Geräusche aus den alten Mauern. Mit der hereinbrechenden Nacht fängt endgültig der reine Terror an und Sarah beginnt, an sich selbst zu zweifeln.
Dass die Geschichte in Echtzeit spielt und scheinbar in einer einzigen Kameraeinstellung gedreht ist, das bleibt das einzig Nennenswerte an diesem kleinen Grusel-Film. Und selbst diese Leistung entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als PR-Stunt. Eine lange Plansequenz braucht besonderes Talent und besondere Sorgfalt, noch wichtiger als technisches Können ist aber, dass es für eine solche ausgedehnte Kamerafahrt einen guten Grund geben sollte, sonst wirkt sie schnell wie Angeberei. So wie in „Silent House", wo die 80 Minuten lange Einstellung weder zwingend notwendig noch zweckdienlich und letztlich auch inkonsequent ist. Zumal es in der plump und wackelig ausgeführten Einstellung zahlreiche versteckte Schnitte gibt, die immer dann gesetzt werden, wenn es mal wieder besonders verwackelt oder düster zugeht, was ziemlich oft der Fall ist. Von der Meisterschaft einer tatsächlich ungeschnittenen 90-minütigen Einstellung wie sie etwa der russische Regisseur Alexander Sokurow in seinem imposanten Filmexperiment „Russian Ark" zeigte, ist „Silent House" weit entfernt.
Auch über die affektierte Spielerei gibt es keine Lichtblicke, die „Silent House" aus dem Sumpf des Billig-Horrors herausheben würden. Hauptdarstellerin Elizabeth Olsen – die dritte Schwester aus dem Olsen-Clan – wirkt äußerst deplatziert. So überzeugend sie Anfang des Kinojahrs 2012 im Sekten-Drama „Martha Marcy May Marlene" auch war, hier besteht ihre Darbietung nur aus großen Augen und lautem Kreischen. Diese Einfallslosigkeit setzt sich in anderen Bereichen fort, darüber kann auch der Versuch der Filmemacher nicht hinwegtäuschen, gegen Ende mit bizarren Handlungswendungen noch für ein wenig Spannung zu sorgen. Und dazu läuft das Ganze noch so berechenbar ab, dass die Schockmomente kaum verdienen, als solche bezeichnet zu werden.
Fazit: „Silent House" ist ein gelungenes Beispiel für filmisches Blendwerk. Hinter einer vorgeblich neuartigen Idee verbirgt sich letztlich nur Altbekanntes und dies wird noch dazu technisch mangelhaft und erzählerisch hanebüchen präsentiert.