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    The Flowers of War
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Flowers of War
    Von Robert Cherkowski

    Generationen von Filmemachern haben sich bereits an der filmischen Darstellung von Kriegen abgearbeitet, viele von ihnen sind dabei gescheitert. So beklemmend der Horror des Massensterbens dabei oft umgesetzt wurde, so stark ist seit jeher die Versuchung, dabei auch großes Kino-Spektakel und explosive Action zu inszenieren. Francis Ford Coppolas Meisterwerk „Apocalypse Now" beispielsweise mag ein grandioses Sinnbild für den Wahnsinn des Krieges sein – wenn jedoch zu Wagner-Klängen zum Napalm-Angriff geblasen wird, zählt vor allem das audiovisuelle Rauscherlebnis. Selbst Steven Spielberg greift in „Der Soldat James Ryan" jenseits der schockierenden D-Day-Sequenz auf konventionelle Action-Dramaturgien zurück. Wenige Filme verdienen das Prädikat „Antikriegsfilm" wirklich. Gibt es abgesehen von Bernhard Wickis „Die Brücke" überhaupt einen zweiten Film, der warnt, ohne zu begeistern? Auch Zhang Yimou („Hero") setzt mit seinem 18. Spielfilm „The Flowers of War" auf die Bildgewalt und das Pathos des Krieges – dass er dabei gelegentlich ins Kitschige abdriftet, stößt im Kontext des hier behandelten Massakers von Nanking übel auf. Und doch ist dem Chinesen mit seinem Superstar Christian Bale („The Dark Knight Rises") ein bewegender Film gelungen, der zu Recht als chinesischer Beitrag ins Oscar-Rennen 2012 geschickt wurde.

    China, 1937: Seit Tagen steht die damalige chinesische Hauptstadt Nanking unter schwerstem Beschuss. Der zweite japanisch-chinesische Krieg wird mit barbarischer Härte geführt, nur wenige chinesische Widerstandskämpfer sind noch am Leben. In diesen Hexenkessel verschlägt es auch den amerikanischen Bestatter John Miller (Christian Bale), der eigentlich nur den Leichnam eines katholischen Priesters aus dem örtlichen Pfarrhaus abholen möchte. Bald wird Miller jedoch mitten in den Konflikt gezogen. Die Klosterschülerinnen flehen ihn an, sie aus der besetzten Stadt zu schleusen. Sollten sie in die Hände der japanischen Soldaten geraten, stehen ihnen Vergewaltigung und Tod bevor. Als eine Gruppe von Prostituierten unter der Führung der „Edeldame" Yu Mo (Ni Ni) ebenfalls im Gotteshaus Zuflucht sucht, zieht sich die Schlinge um ihre Hälse bedenklich zu. Im Angesicht des nackten Horrors kann Miller nicht mehr wegschauen – fortan gibt er sich als Priester aus, um mit den Japanern verhandeln zu können. Eine nahezu unmögliche Aufgabe, wie sich bald herausstellt...

    Bei der Darstellung leidender Zivilbevölkerung in Kriegssituationen ziehen sich viele Filmemacher auf inszenatorische Gemeinplätze wie weinende Kinder und Mütter, grimmige Soldaten und traurig-schwelgerische Musikuntermalung zurück – zuletzt etwa in Filmen wie „Wunderkinder", „John Rabe" oder „Die Kinder der Seidenstraße". Auch Zhang Yimou setzt diese Kriegsfilm-Trademarks ein – bei „The Flowers of War" schöpft er aus dem Vollen und nimmt keine Rücksicht auf Geschmacksgrenzen. Schon sehr früh wird sich hier im Ton vergriffen und hektisch zwischen bombastischen Kriegsszenen, religiösem Erweckungskitsch und erotischem Innuendo hin und her geschnitten. Bei einem so ernsten Thema wie einem der größten Massaker im japanisch-chinesischen Kampf wirken Yimous audiovisuelle Überwältigungsstrategien irritierend, beizeiten auch schlichtweg fehl am Platz.

    Während der zahlreichen und erlesen gefilmten Schlachtenszenen in den zerschossenen und auseinanderfallenden Ruinen von Nanking erinnert „The Flowers of War" mit seinem hochästhetisierten Zeitlupengemetzel an die Kriegsfilme von John Woo. Während dieser mit seinem Vietnam-Drama „Bullet in the Head" noch in melodramatische Schwarze traf, vergriff er sich im kruden Nicolas-Cage-Vehikel „Windtalkers" drastisch im Ton und lieferte schöngefärbten Gewaltkitsch der untersten Schubladen. „The Flowers of War" pendelt zwischen beiden Extremen hin und her, begeistert in der einen Sekunde und verärgert in der nächsten. Der Krieg, daraus macht Yimou keinen Hehl, ist die Hölle. Leider lässt er die Hölle immer wieder verdammt schick aussehen.

    Auch Miller ist alles andere als subtil gezeichnet. Einmal mehr wird hier die alte Geschichte vom egoistischen Saulus, der unter extremen Umständen zum heldenhaften Paulus reift, erzählt. Christian Bale poltert sich mit sichtbarer Freude durch die Kriegswirren, um dann – etwas überstürzt – unter Beschuss zum opferbereiten Helden zu werden. Es ist besonders Bales gewohnt intensivem Spiel zu verdanken, dass diese Entwicklung nicht aufgesetzt wirkt und dass seine so konstruierte Figur so identifikationstauglich bleibt. Auch Tong Daweis Scharfschütze wird als tougher Supersoldat mit Ehrenkodex dargestellt, so dass man noch im Kino zu spüren meint, wie das Politbüro über die Schulter von Autor Heng Liu spähte. Der Vorwurf des Propagandismus ist bei Yimou, der die Begrüßungs- und Abschiedsfestlichkeiten der Peking-Olympiade 2008 inszenierte, nicht neu. Er wird auch mit diesem Film nicht verstummen.

    Zweifellos ist Yimou aber auch ein begnadeter Regisseur. Während seine Inszenierung in Anbetracht des Themas streitwürdig bleibt, kann man ihm sein Gespür für große Bilder und altmodisches Pathos nicht absprechen. Immer wieder gelingen ihm große Momente, bei denen sich die Haare aufstellen und der Pulsschlag beschleunigt. Beeindruckende Kabinettsstückchen hat auch Kameramann Zhao Xiaoding drauf: Ein mitreißender und schnittfrei gezeigter Fluchtversuch zweier Prostituierter geht tief unter die Haut – in ihrer technischen Perfektion kann es diese Plansequenz durchaus mit Emmanuel Lubezkis Arbeit in „Children of Men" aufnehmen. Eine Szene, in der Miller seinen Schützlingen in einer ausweglosen Situation Mut zuspricht, während er selbst verzweifelt, dürfte dagegen noch dem abgebrühtesten Publikum Tränen in die Augen treiben – vom hochdramatischen Finale ganz zu schweigen.

    Fazit: „The Flowers of War" kommt den Grenzen des guten Geschmacks beizeiten bedenklich nahe. Trotzdem ist Zhang Yimous Kriegsdrama mitreißend gespielt und wuchtig inszeniert – kurz: großes Gefühlskino, das es in Bauch und Herzen kribbeln lässt, selbst wenn die Stirn dabei gelegentlich in Falten liegt.

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