Literatur-Nobelpreisträger. Standardwerk der deutschen Literatur. Sechs Millionen verkaufte Exemplare. Übersetzt in mehr als 40 Sprachen: Wer sich an die Verfilmung von Thomas Manns Jahrhundertroman „Buddenbrooks: Verfall einer Familie“ macht, sollte ein gesundes Selbstbewusstsein mitbringen und sich nicht von dem Über-Status des Buches einschüchtern lassen. In dieser Hinsicht bestand bei Grimme-Preisträger Heinrich Breloer keine Gefahr. Der Regisseur hat das Feld mit dem TV-Mehrteiler „Die Manns“ (2001) bereits erfolgreich beackert und wurde für sein grandioses TV-Dokudrama „Todesspiel“ (1997) zu Recht gefeiert. Dennoch überzeugt Breloers Kino-Adaption der historischen Familien-Saga nur bedingt. Die Produktionswerte sind tadellos, inhaltlich hält sich der Regisseur aber zu sklavisch an Manns Werk. Und auch wenn Breloer teilweise Kinobilder liefert, löst er sich dramaturgisch leider nicht von seiner Fernsehvergangenheit.
Konsul Jean (Armin Mueller-Stahl) führt die alteingesessene Lübecker Kaufmannsfamilie Buddenbrook Mitte des 19. Jahrhunderts mit Strenge und menschlicher Wärme, die er auch seiner Frau Bethsy (Iris Berben) und seinen drei Kindern Thomas (Mark Waschke), Christian (August Diehl) und Tony (Jessica Schwarz) angedeihen lässt. In der Handelsmetropole Lübeck genießt die Getreidehandel betreibende Patrizier-Familie höchstes Ansehen. Jean stellt stets das Geschäftliche über das Private, was Tony schmerzlich zu spüren bekommt: Als der Hamburger Kaufmann Grünlich (Justus von Dohnanyi) vehement um ihre Hand anhält, besteht Jean gegen den ausdrücklichen Willen seiner Tochter darauf, dass Tony den ungewollten Freier ehelicht. Als Patriarch Jean stirbt, beginnt der stetige Abstieg der Familie. Der älteste Sohn Thomas übernimmt die Geschäfte und verwendet seine gesamte Energie für den Erfolg der Firma. Er heiratet die Niederländerin Gerda (Lea Bosco), eine Frau seines Standes. Doch die Ehen der Buddenbrook-Kinder stehen unter keinem guten Stern. Tonys Mann Grünlich stellt sich bald als Mitgiftjäger und Betrüger heraus, während Gerda sich zunehmend mehr ihrer großen Leidenschaft, der Musik, als ihrem viel beschäftigten Mann Thomas widmet. Christian genießt derweil das Leben in der feinen Gesellschaft, wo er sich als ausschweifender Führer des leichten Wortes wohler fühlt, als in der Firma, in die er nach einem längeren Auslands-Aufenthalt einsteigt. Es kommt zu heftigen Konflikten zwischen den Brüdern. Währenddessen gräbt Konkurrent Hermann Hagenström (Fedja van Huet) der Familie Buddenbrook mehr und mehr das Wasser ab…
Im Alter von nur 25 Jahren veröffentlichte Schriftsteller Thomas Mann am 26. Februar 1901 seinen ersten Roman: „Buddenbrooks: Verfall einer Familie“. Nach schleppend anlaufendem Verkauf entwickelt sich das Buch über die Jahrzehnte zum Weltbestseller, für den Mann 1929 mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Natürlich stellt sich die Frage, ob ein solch monumentales, drei Generationen umspannendes Werk überhaupt fürs Kino verfilmt werden sollte? Immerhin ist Thomas Manns Debüt stolze 758 Seiten stark. Wie soll man diese Detailfülle sinnvoll auf zweieinhalb Stunden Film reduzieren? An dieser Stelle schwächelt Breloers „Buddenbrooks“. Sein Ansatz ist der konservativste, der vorstellbar ist: Die Kino-Adaption lässt wenig aus und reißt einen Großteil des Stoffes zumindest an. Lediglich zu Beginn wurde spürbar gekürzt und etwa Jeans Vater Johann Buddenbrook komplett ausgespart. Ansonsten rast Breloer geradezu durch die Stationen des Romans, um nur nichts auszulassen. Das führt mitunter zu grotesken Momenten, etwa wenn Breloer mit Zwei-Satz-Szenen durch ganze Abschnitte hindurchgaloppiert. Hier wäre mehr Mut zu Kürzungen ratsam gewesen, um sich auf die wirklich wichtigen Situationen konzentrieren zu können.
Großartig hingegen sind Ausstattung und Optik des Films. Star-Kameramann Gernot Roll (Nirgendwo in Afrika, Rossini, „Die Manns“), der bereits 1978 Franz Peter Wirths TV-Mehrteiler „Die Buddenbrooks“ fotografierte, nutzt das Cinemascope-Format geschickt für wundervolle Kinobilder. Zumindest äußerlich ist „Buddenbrooks“ Kino-tauglich und auf der großen Leinwand richtig aufgehoben. Roll badet besonders zu Beginn genüsslich in schwelgerischen Panoramen, die den Zuschauer in Verbindung mit der perfekten Ausstattung in die Epoche des Romans eintauchen lassen. Leider bremst die konventionelle Dramaturgie, die an einen TV-Mehrteiler erinnert, die visuelle Pracht der Verfilmung oftmals aus. Ein klassischer Dreiakt-Spannungsbogen, der vonnöten gewesen wäre, wird - wie auch im Buch - nicht gespannt. Vielmehr durchläuft der Film einen Zirkel von Ereignissen, der sich ohne dramatische Höhepunkte um sich selbst dreht. Feiern, lieben, handeln, heiraten und sterben. Das sind die zentralen Motive des Films. Und es wird sehr viel geheiratet, aber noch mehr gestorben - am Ende fast im Stakkato. Heirat und Tod dominieren, werden aber zu häufig wiederholt, so dass diese Säulen der Handlung über Gebühr strapaziert werden. Die Ironie, die sich durch Thomas Manns gesamtes Werk zieht, findet in der Verfilmung dagegen nur unzureichend Ausdruck. Wenn sie doch mal durchschimmert, dann in albern kichernden Figuren. So spielt Sylvester Groth (Mein Führer) den Bankier Kesselmeyer beispielsweise als übertrieben grotesken Gecken.
Die Erfolgsbilanz des Ensembles ist ausgeglichen: Gegen Armin Mueller-Stahls (Tödliche Versprechen, The Game, Night On Earth) unerschütterliche Präsenz ist kein Kraut gewachsen. Deutschlands Hollywood-Export ist die einzig logische Besetzung für den Patriarchen Jean Buddenbrook. Doch Mueller-Stahls Auftritt endet mit Jeans Tod noch vor der Hälfte der Spielzeit. Damit übernimmt Mark Waschke (Nachmittag) den Staffelstab. Auch wenn er keine vergleichbare Strahlkraft besitzt, geht seine Leistung dennoch in Ordnung. Er macht die unaufhörlich zunehmende Last der Verantwortung, die auf Thomas Schulter lagert, sichtbar. Allerdings ohne dabei zu glänzen. Anders August Diehl (23, Die Fälscher, Lichter): Als hypochondrischer Taugenichts Christian hat er die dankbarste Rolle, die er mit seinem für ihn typischen engagiert-ambitionierten Schauspiel famos ausfüllt. Auch die französische TV-Darstellerin Lea Bosco gefällt mit ihrer unterkühlten Art als Thomas Buddenbrooks Ehefrau Gerda. Sichtlich schwer fällt es dagegen Jessica Schwarz (Das Parfum, Nichts bereuen) und Iris Berben („Bin ich schön?“, „Rennschwein Rudi Rüssel“), die tragische Dimension ihrer Figuren zu transportieren.
Thomas Mann arbeitete in seinem Roman mit immer wiederkehrenden Leitmotiven, die er seinen Figuren zuordnete: prägnante Adjektive, Gesten oder Redensarten, die dem Leser helfen sollen, sich zu erinnern. Die Visualisierung dieser Technik erweist sich als weiterer Stolperstein der Inszenierung. Wirklich ärgerlich ist die oftmalige Wiederholung von Schlüsselszenen, die im späteren Verlauf als plumpe Erinnerungsstützen eingespielt werden. Hier klebt Breloer in seiner Arbeitsweise zu sehr am Fernsehen, wo diese Technik Gang und Gebe ist. Im Kino fühlt sich der Zuschauer hingegen bevormundet und veralbert, weil von ihm offenbar nicht erwartet wird, sich an Szenen von vor einer Stunde erinnern zu können.
Fazit: Heinrichs Breloers brave Literaturverfilmung „Buddenbrooks“ ist weder ein Reinfall noch ein Glanzstück. All die Energie, die der Filmemacher in dieses 16 Millionen Euro teure Großprojekt gesteckt hat, zahlt sich nur teilweise aus. Die optische Ebene überzeugt ohne große Abstriche, während die inhaltliche Oberflächlichkeit stört. Ein Jahrhundertfilm ist „Buddenbrooks“ gewiss nicht. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Breloer diesen phantastischen Stoff besser in seinem gewohnten Umfeld als opulenten Mehrteiler fürs Fernsehen umgesetzt hätte. Tipp: Wenigstens die Langversion, die später im TV zu sehen sein wird, verspricht einige Lücken zu füllen. Die mittelmäßige Kinoversion rechtfertig also durchaus ein Warten...
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