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    Tales Of The Night
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Tales Of The Night
    Von Björn Becher

    „Im Kino gewesen. Geweint!" trug schon Franz Kafka einst in sein Tagebuch ein und beschrieb damit das Filmtheater als einen Ort, der Emotionen hervorbrechen lässt. Hier findet Zuflucht, wer sich berühren und verzaubern lassen will, wem es nach Lachen und Weinen gelüstet. Der französische Animationsfilmexperte Michel Ocelot („Kiriku und die Zauberin") folgt mit seinem neuesten Werk „Tales Of The Night" genau dieser Idee vom Kino und verzaubert mit sechs kleinen Abenteuern, die zunächst einmal nicht mehr sind und sein sollen als eben einfache, berührende Geschichten. Der Filmemacher verleiht seiner Erzählung aber weitere Dimensionen, indem er buchstäblich ein Kinogebäude zum Katalysator und Ausgangspunkt für seine Geschichten macht und indem er seine Geschichten in 3D filmt. Die Dreidimensionalität springt hier nicht effektvoll ins Auge, dennoch besitzt der Film auch durch den klugen Einsatz der Farben eine prächtige Räumlichkeit und so erhält „Tales Of The Night" eine sanft reflexive Ebene, die durchaus in den Wettbewerb eines Festivals wie der Berlinale passt, wo Ocelot seinen Film vorstellte.

    Ein Kino, das verlassen zu sein scheint, wird Nacht für Nacht zum Ausgangspunkt für große Abenteuer. Ein Junge und ein Mädchen treffen sich hier mit einem Techniker und denken sich die wildesten Geschichten aus - von einem Werwolf im Mittelalter, dem Totenreich unter der Südsee, einer Stadt aus Gold, einem Indianerknaben, der eine magische Trommel sucht, einem tibetanischen Jungen, der niemals lügt oder von einem Liebenden, der seine Teuerste zurück in einen Menschen verwandeln muss. Mit Hilfe einer Maschine ersinnen sie wunderschöne Landschaften, prächtige Tiere und phantasievolle Kostüme, um dann auf der Leinwand zu den Helden ihres eigenen Films zu werden.

    Sechs Geschichten voller Poesie, die durch eine kleine Zwischenhandlung verbunden werden, bietet Michel Ocelot. Nicht mehr. Hinter den kleinen Märchen steckt kein vertrackter Subtext, sondern sie sollen einfach verzaubern und beglücken. Das wird in den Geschichten selbst deutlich, die sich erzählerisch oft auf der einfachsten Ebene bewegen. Auf „Das gab es bisher nicht" wird erwidert: „Jetzt schon." Diskussionsende! Komplizierte Wendungen werden durch die Kraft dieser reinen Evidenz überflüssig. Meist handeln die kleinen Abenteuer von der Liebe, die das Größte auf Erden ist und sich daher wie eine erzählerische Naturgewalt jeglichen Erklärungen widersetzt.

    Ocelot bleibt seinem Widerstand gegenüber immer komplexeren Computeranimationen treu. Die Episoden werden in einfachen Schattenzeichnungen dargeboten, die Bilder sind trotzdem oder gerade deshalb bezaubernd. Die Helden sind schwarze Silhouetten, die sich durch eine Landschaft mit mal mehr, mal weniger Farbtupfern bewegen. Auch beim gelegentlichen spielerischen Einsatz von Fotografien bleibt der Regisseur seiner Maxime der Einfachheit treu. Der Fokus liegt klar auf dem Wesentlichen: Da gibt es dann im Bild links den Helden und rechts die Riesenbiene, an der er vorbeikommen muss. Die Dialoge sind meist kurz und simpel, fast kindgerecht aufgearbeitet, auch wenn sich „Tales Of The Night" stärker als die „Kiriku"-Filme auch an ein etwas älteres Publikum richtet. Trotzdem sind sie kraftvoll, berühren und fesseln, so dass die Zuschauer quer durch alle Altersklassen bei den Abenteuern des Jungen, der meist das Mädchen retten oder erobern muss, mitfiebern kann. Zumal Ocelot gerne auch eine ironische Brechung einbaut, etwa wenn sein junger Held alle, eigentlich unmöglich zu meisternde Prüfungen des Königs des Totenreichs besteht, nur um dann den Preis auszuschlagen. Die Hand der Königstochter will er nicht: Er kenne sie nicht, wie solle er sie da lieben.

    Auch die Berlinale kann sich dem 3D-Hype nicht mehr verschließen und neben „Tales of the Night" sind mit Wim Wenders' Tanzfilm „Pina" sowie Werner Herzogs Höhlenerkundung „Cave Of Forgotten Dreams" werden dort noch zwei weitere in der immer populärer werdenden Technik entstandene Werke präsentiert. Als revolutionäre Neuerung oder gar Heilsbrnger für die Kino-Zukunft erscheint der 3D-Einsatz bei Ocelot indes nicht. Er setzt einige nette Akzente, in der Gesamtbetrachtung hält sich der zusätzliche Zauber aber in Grenzen. Teilweise lenkt die – allerdings zugegeben höchst unaufdringliche – dritte Dimension sogar ein wenig von der schlicht-schönen Einfachheit der Animationen ab.

    „Tales Of The Night" mag ein wenig aus dem Rahmen der sonst im Berlinale-Wettbewerb gezeigten Werke fallen und auch in der Generation-Nebenreihe hätte er gut seinen Platz finden können. Mit seiner schönen Einfachheit ist er aber auf jeden Fall eine nette Abwechslung zu all den Schicksal-Dramen, die sonst meist um den Goldenen Bären konkurrieren.

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