"Stoker" ist so ein Film, wo ich mir gerne mehr Optionen zwischen 4 und 5 Sternen wünschen würde. Denn ich finde ihn extrem schwer zu bewerten. Die Inszenierung und Aufbereitung ist erste Sahne und gehört mit zu dem besten, was ich in den letzten Jahren gesehen habe. Wie dort Effekte ineinander übergehen, ist kongenial - und letztlich auch mehr als eine Hitchcock-Hommage. Um das Dasein der Indias zu beleuchten, sind die Effekte sehr nützlich. Da kommt dann allerdings auch schon das große Aber: In den meisten Fällen sind diese Effekte nützlich, ja. Doch man kann auch die Kritiker nachvollziehen, die sagen manches sei einfach um der Verspieltheit wegen.
So findet sich der kleine Mangel auch auf anderen Feldern. Bei den Darstellern und Charakteren: Mia Wasikowska und Matthew Goode spielen extrem gut. Nicole Kidman eigentlich auch, aber manches an ihr wirkt dann irgendwie ein bisschen zu, nun, übertrieben? Overacting wäre das falsche Wort, aber man denkt sich - wenn auch sehr selten! - dass das nicht recht passt. Und letztlich sind auch die Nebencharaktere lediglich für die Geschichte nützliche Figuren, keine wirklichen Charaktere. - Bei der Story wäre gar nicht die gewisse Spleenigkeit ein Mangel an der Sache (das muss man einfach akzeptieren), sondern ein paar eigenartige Aktionen der Charaktere:
Nehmen wir mal an Onkel Charlie will die junge India für sich gewinnen und sie mit Mord und Totschlag konfrontieren, lässt sich trotzdem fragen, warum er so extrem offensichtlich eine Leiche in der Truhe lagert oder die Tante offen umbringt. Um an sein Ziel zu kommen wäre es wirklich passender gewesen gewiefter vorzugehen.
Oder India:
Nicht einmal die so viel kritisierte Sheriffszene zum Schluss, sondern vor allem: Warum hat sie so lange mit der Benutzung des von ihrem Vater erhaltenen Schlüssels gewartet?
Oder die Mutter:
Alkoholproblem hin oder her, aber forscht man nicht nach, wenn Haushaltspersonal verschwindet? Gerade doch auch, weil sie sich trotzdem um India bemüht.
Das alles ist jetzt nicht wirklich gravierend, doch für mich der Grund, warum "Stoker" bei mir haarscharf an der 4,5 vorbeischrammt.
Fazit: Ein ästhethisch unglaublich genialer Psychothriller mit einer überraschenden Entwicklungen, aber kleineren Mängeln im Detail, die gerade zulasten des Verhaltens der Charaktere gehen. Trotzdem Hut ab, gerade für diesen überraschenden Verfasser des Drehbuchs!