In den USA, wo noch auf dem klassischen Campus gelernt, gelebt und geliebt wird, dicht an dicht mit den Kommilitonen und möglichst weit weg vom elterlichen Mief, dient der studentische Mikrokosmos seit jeher als Inspiration für Komödien unterschiedlichster Spielarten – von Buster Keatons „Der Musterschüler" von 1927 über „" mit John Belushi bis zum vielversprechenden Genremix „Spring Breakers", der 2013 ins Kino kommen soll. Der Regisseur Whit Stillman ist Harvard-Absolvent und Independent-Filmemacher – wenig verwunderlich also, dass er in seiner College-Komödie „Algebra in Love" nicht auf Slapstick und Zoten setzt, sondern sich viel Zeit nimmt, die witzigen Eigenarten seiner skurril-charmanten Figuren zu entfalten. Weniger überzeugend ist dabei lediglich die etwas triviale Wer-mit-wem-Dramaturgie.
Lily (Analeigh Tipton) schreibt sich in einem verschlafenen College an der Ostküste ein. Dort wird sie augenblicklich von drei schrägen Freundinnen in Empfang genommen. Heather (Carrie MacLemore) ist attraktiv aber schüchtern, die etwas dünkelhafte Rose (Megalyn Echikunwoke) hat einen hyperempfindlichen Geruchssinn und Violet (Greta Gerwig) ist über die Maßen verständnisvoll. Beste Voraussetzungen also, um das Suicide Prevention Center am Campus zu leiten, wo neben guten Gesprächen, die Selbstmordgedanken verscheuchen sollen, auch Donuts, Kaffee und Stepptanz zum Therapieprogramm gehören. Bloß die Männer sind hier alles andere als vorbildhaft: Hochstapler, unterbelichtete Verbindungsmitglieder und bizarre religiöse Praktiken stellen die Freundschaft der Mädchen auf eine harte Probe...
Zwischen den altehrwürdigen Gebäuden scheint auf dem Campus die Sonne und kleidet die Haare der Mädchen in einen glitzernden Heiligenschein. Mit Hingabe beschwört Stillman eine kitschige Idylle herauf, in der selbst Suizidversuche kein großes Ding zu sein scheinen und keine schlimme Folgen haben: Schließlich dient den meist nicht besonders hellen Selbstmordkandidaten als Absprungrampe ausgerechnet die bemerkenswert niedrige Empore eines klassizistischen Verbindungshauses – auf diesem Campus scheint alles in bester Ordnung zu sein. Bei der Darstellung dieses ulkigen Biotops geht Stillman äußerst sensibel vor und nicht einmal eine Figur wie Thor (Billy Magnussen), der die Grundfarben nicht kennt, wird hier der Lächerlichkeit preisgegeben. Stattdessen ist dem armen Kerl sogar noch eine Romanze mit Heather vergönnt.
Mit „Algebra in Love" legt Whit Stillman („Metropolitan", „Last Days of Disco") seinen ersten Film nach dreizehnjähriger Pause vor. Aber er bleibt sich treu und setzt auch hier nicht auf ein Gag-Feuerwerk – viel mehr Spaß hat er an leisen Tönen und an unaufgeregter Situationskomik, die er in bester, gelegentlich sehr lakonischer Indie-Manier erkundet. So steht etwa lange nur „Suicide Center" an der Bürotür – die Mädchen schenken der absurden Formulierung schlichtweg keine Beachtung und heben irgendwann einfach beiläufig das Schild „Prevention" dazwischen, das auf den Boden gefallen ist. Das mag im Sinne eines einfachen Realismus nicht eben glaubwürdig sein, aber eine gewisse Künstlichkeit gehört hier schlichtweg zum Konzept. Außerdem sorgen die starken Darsteller dafür, dass auch die konstruiertesten Situationen im College-Märchenland noch äußerst unterhaltsam ausfallen.
Besonders beeindruckend ist Greta Gerwigs („Greenberg", „Freundschaft Plus") Auftritt als Violet, ein allzu versunken in sich hineindenkendes und allzu verschlungen vor sich hinsprechendes Nerd-Mädchen. Doch Violet erlebt auch großen Herzschmerz. Von Anfang an stattet Gerwig ihre nur vordergründig stereotype Figur mit einer Emotionalität aus, die sie später auch noch voll ausspielen darf. Das macht zwar darstellerisch viel her, besonders spannend sind die Liebeleien der Mädchen aber wiederum nicht. Die Frage, wer letztendlich mit wem zusammenkommt, ist eben nicht halb so interessant wie die Spleens der „Algebra in Love", die den Film überhaupt erst von vergleichbaren College-Komödien abheben.
Fazit: Sorgfältig zeichnet Whit Stillman mit „Algebra in Love" die kleinen Abseitigkeiten des College-Lebens nach. Der lakonische, nicht auf die schnelle Pointe zielende Humor funktioniert dabei bestens, die Liebesnöte der Protagonistinnen ziehen weniger in ihren Bann.