Netter kleiner Snack zwischen „Reservoir Dogs“, „Safecrackers“, „The Usual Suspects“ und „CSI Zwangsneurose“:
[...]Rob Minkoffs „Flypaper“ ist ein ganz kleiner Film und versucht sich gleich zu Anfang an etwas ganz großem, einer Titelsequenz im Saul Bass-Style. Die gerät in ihrer Kritzeligkeit und mit dem smoothen Score auch ganz drollig, aber schon hier bleibt nicht verborgen, dass „Flypaper“ ein gewollter, ein versuchter, ein beabsichtigter Film ist, kein unbedingt inspirierter. Die 5 Millionen-Produktion aus der Feder der „The Hangover“-Autoren Jon Lucas und Scott Moore will ein bißchen auf Retro machen, versucht ein Dutzend schräge Figuren aus dem Glossar des Coen/Tarantino/Soderbergh-Character Design-Handbuchs vor die Kamera zu stellen und beabsichtigt es damit, ein schwarzhumorig-schräges Heist Movie zu sein; Hektik, Flashbacks und schnelle Schnitte dazu und schon sind schlanke 84 Minuten mehr als ausgefüllt.[...]
[...]Über „Flypaper“ schwebt halt das allgegenwärtige B: wäre der Film 75 statt 5 Millionen teuer gewesen hätten statt Patrick Dempsey und Ashley Judd wohl Bradley Cooper und Katherine Heigl die Hauptrollen gespielt, die Bankräumprofis hätten Terry Crews, Colin Farrell und Stanley Tucci gegeben, unter den Geiseln hätte man Luiz Guzman, Queen Latifa, Zach Galifianakis, Jason Bateman und Brooklyn Decker ausmachen können und die unfähigen Peanut Butter und Jelly wären was für Sam Rockwell und John Goodman gewesen. So, ’ne Menge Namen, aber wer da ungefähr in Verbindung zu bringen weiß, wie die genannten Damen und Herren so im leicht abgedrehten black comedy-Modus funktionieren, der kann sich die Figuren in „Flypaper“ ziemlich genau vorstellen, denn die scheinen halt alle in etwa nach den etablierten Mustern entworfen. Das soll nun aber nicht heißen, dass man mit Tim Blake Nelson, Mekhi Phifer oder der frisch Oscar-prämierten Octavia Spencer und eben Dempsey (zugegeben noch am ehesten ein A-lister) und Judd schlechter bedient wäre. Dempsey spielt hier schön weit weg von seinem McDreamy-Zuckerwatte-Schwiegermuttertraum-Image, sein autistischer Tripp, irgendwo zwischen Malcolm (in the Middle), Rain Man und Monk, ist ein mögenswerter Kerl, Dempseys dandyhafter Charme gepaart mit zwangsneurotischen Staccato-Geistesblitzen – das hat schon was.[...]
[...]„Flypaper“ ist nichts außergewöhnlich Tolles, die Genre-Klassiker wie „The Ladykillers“, „The Sting“ oder „Out of Sight“ würden die Heist-Krimi-Komödie wohl nichtmal zum Schmiere stehen engagieren, auch die „Ocean’s“-Bande fände hier kein qualifiziertes neues Mitglied. Rob Minkoffs auf hip gemachte Inszenierung wirkt teilweise nicht viel weniger gezwungen, als die Schrägtypigkeit des Figurendutzends, die richtig guten Gags sind den verpuffenden zahlenmäßig unterlegen und die Auflösung mit ihren dreiundvierzigtausend Twists macht’s im Rückblick nicht nur unnötig überkonstruiert, sondern wechselt so oft die Position, bis es ermüdend egal wird, wer nun das große Mastermind ist. Aber letztlich sind vierundachtzig Minuten nicht lang genug, um hier nur rumzumosern, dafür ist „Flypaper“ wahrlich nicht schlecht genug. Die Darsteller haben Spaß an ihren Rollen, auch ohne großen Namen und seitenlange IMDb-Einträge, das überraschende Ableben dieser und jener Figur sorgt immer wieder für einen makaber-heiteren Moment, ohne dass Minkoff die Gewaltschraube zu weit aufdreht. Steht man also vorm Regal und hat jeden Tarantino, jeden Coen, jeden Soderbergh oder sonstwie entfernt artverwandten Film bereits hinter sich, spätestens dann ist „Flypaper“ eine ganz brauchbare Alternative.[...]
komplett: http://christiansfoyer.de/2012/03/15/review-flypaper/