Mein Konto
    Getaway
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Getaway
    Von Björn Becher

    „Geh zu Benyon und sag ihm, dass ich zu kaufen bin. Zu seinem Preis.“ Mit diesen Worten schickt der Sträfling Carter ‚Doc’ McCoy (Steve McQueen, Papillon) seine Frau Carol (Ali MacGraw, „Love Story“) weg. Vier Jahre sitzt er nun im Gefängnis, trotz tadelloser Führung und harter Arbeit hat die Bewährungskommission gerade seinen Antrag auf Entlassung abgelehnt. Doch Benyon (Ben Johnson, „The Wild Bunch“), der Mann zu dem Carol gehen soll, ist einflussreich. Nur wenige Tage später öffnen sich die Türen für Doc McCoy und er ist ein freier Mann.

    Im Gegenzug muss er für Benyon einen Banküberfall durchführen. Benyons Handlanger Rudy Butler (Al Lettieri, Der Pate) und Frank Jackson (Bo Hopkins, American Graffiti) sollen ihm helfen. Wie immer plant McCoy alles sorgfältig und der Plan scheint aufzugehen. Doch dann erschießt Jackson einen Wachmann, was er auf der Flucht selbst mit dem Leben bezahlen muss: Butler will das Geld für sich alleine haben und räumt deswegen Jackson aus dem Weg, auch die McCoys sollen dran glauben. Doch Doc zieht schneller, Butler fällt scheinbar tot in den Staub. Dank einer kugelsicheren Weste überlebt er, und heftet sich mit einem gekidnappten Ärzteehepaar (Sally Struthers, Jack Dodson) Doc und Carol an die Fersen.

    Es ist bei weitem nicht das einzige Problem. Doc, der Abmachungen einhält, sucht Benyon auf, um diesem dessen Anteil auszuhändigen. Dort muss er erfahren, dass er übers Ohr gehauen wurde. Die Beute ist nicht so groß wie gedacht, denn der Raub diente auch der Verschleierung eines Verbrechens von Benyons Bruder. Dieser, beschäftigt im Aufsichtsrat der Bank, hat sich aus der Kasse bedient. Doch Doc muss noch mehr erfahren. „Zu seinem Preis“, hat er seiner Frau auf den Weg gegeben und dieser Preis war höher als gedacht. Nicht nur der Banküberfall gehörte zur Abmachung, sondern Carol hat sich selbst verkaufen müssen. Als Benyon darüber Doc berichtet, stoppt Carol seinen widerwärtigen Redefluss. Sie jagt ihm mehrere Kugeln in die Brust.

    Nun haben Doc und Carol weitere Verfolger auf den Fersen. Benyons Clan ist entschlossen den Tod ihres Oberhaupts zu rächen und die Geldsumme zu bekommen. Da es bei dem Banküberfall zum Tod des Wachmanns kam, ist zudem die ganze Polizei hinter Doc her. Bald schon geistert sein Bild durch die Medien. Doch er und Carol sind wild entschlossen, sich nach Mexiko durchzuschlagen, um dort mit dem Geld, immerhin eine halbe Million, ein neues Leben anzufangen.

    „Getaway“ war wohl Peckinpahs erster Film, bei dem von Beginn an recht klar war, dass es hier Geld für das Studio regnen würde. Das Drehbuch beschrieb einen recht simplen Film. Zwei Gangster auf der Flucht, etwas Liebe, viel Action, hohes Tempo. Dazu in den Hauptrollen mit Steve McQueen einer der angesagtesten männlichen Darsteller überhaupt und Ali MacGraw an seiner Seite, die auch gerade auf einem Höhenflug war. Die Leute würden in die Kinos strömen. Peckinpah war sich dieser Tatsache bewusst, und es war auch deswegen ein Film, der ihn zu Beginn nicht sonderlich interessierte, den er nur übernahm, weil ihm versprochen wurde, dass er dafür danach eine anderes Projekt, welches ihm am Herzen lag, realisieren durfte (woraus aber nichts wurde, da er aus diesem Projekt, „Emperor of the North Pole“ ausgebootet wurde).

    Trotzdem merkt man beim Anschauen des Films recht schnell, dass es Peckinpah wieder einmal geschafft hat, dem Film seine Handschrift zu verpassen. Der Film „Getaway“ ist bei weitem nicht mehr der simple Actionfilm, der er hätte werden sollen, sondern ist ein Actionthriller mit vielen Dramaelementen und einer kräftigen Prise satirischen Humors. Nur deswegen ist der Film wohl nicht nur damals ein Erfolg gewesen, sondern ist ein wichtiger Klassiker des Genres und ragt auch heute noch aus diesem heraus.

    „Getaway“ bietet natürlich viel Action. Es gibt zahlreiche Autoverfolgungsjagden, die den Zuschauer unterhalten. Doch dazwischen schlägt Peckinpah immer wieder ruhigere Töne an. In nur wenigen Szenen zwischen McQueen und MacGraw am Anfang, gelingt es ihm den Zuschauer zu vermitteln, wie schwer es für dieses Ehepaar ist, ein normales Leben zu führen. Nach vier Jahren im Gefängnis ist Doc seiner Frau ein ganzes Stück weit fremd geworden. Es fällt ihm schwer sich in der Freiheit wieder zurechtzufinden, er ist sich unsicher, wie er mit seiner Frau umgehen soll. Später bekommt diese Beziehung noch einen weiteren Schlag, wenn Doc erfährt, dass seine Frau mit dem Gangsterboss Benyon ins Bett ging, um den Mann, den sie liebt, aus dem Gefängnis zu holen.

    Peckinpah hat diese ruhigen Momente so geschickt in seine Geschichte eingebaut, dass das Tempo trotzdem die ganze Zeit sehr hoch bleibt. Man hat kaum Zeit zum Luft holen, denn immer weiter geht es in der Geschichte voran, Pausen gibt es nicht. Peckinpah arbeitet viel mit dem Schnitt, schneidet zu Beginn die verschiedenen Zeitebenen ineinander, wechselt später schnell zwischen den verschiedenen Handlungsorten und hält auch so das Tempo hoch.

    Dazu kommt die Peckinpah typische Inszenierung der Gewalt. Peckinpah filmt hier gewohnt kompromisslos. Ohne Rücksicht auf zartbesaitete Zuschauer werden die Shootouts wie schon bei seinem bekanntesten Film „The wild bunch“ oft in Zeitlupe gefilmt. Daraus entstehen stilistisch großartige Szenen und wie immer bei Peckinpah dient die Brutalität, die Gewalt nicht der Unterhaltung des Zuschauers. Sie ist fest verwurzelt in der Geschichte und dient dieser. Sie zeigt die brutale Realität der Welt durch welche sich das Liebespaar schlagen muss.

    Dazu kommt der angesprochene, augenzwinkernde Humor, den Peckinpah in seinem Film platziert hat. Es ist schon eine Ironie des Schicksals, dass es gerade Doc ist, der Butler dazu drängt eine kugelsichere Weste zu tragen, doch Butler meint, dass er dies nicht nötig habe. Als Doc bei der Konfrontation nach dem Banküberfall auf Butler schießt, geht er davon aus, dass dieser keine Weste trägt. Doch Butler hat doch noch Docs Rat befolgt und das rettet ihm das Leben und macht es Doc anschließend schwer.

    Die ganze Episode rund um Butler, den Al Lettieri überzeugend verkörpert, hat sowieso einen ganz besonderen Humor. Butler kidnappt, da er verletzt ist, einen Arzt und seine Frau. Die Frau verliebt sich in den Gangster und über die Zeit der Flucht entwickelt sich eine von Butler dominierte Beziehung. Die Frau lässt sich schlecht behandeln, doch steigt immer wieder mit ihm ins Bett. Der Mann sitzt gefesselt daneben und muss mit ansehen, dass seine Frau, obwohl sie weiter eine Gefangene ist, nicht mehr zu ihm hält. Schließlich bringt er sich, so gedemütigt, um.

    Oft wird die Musik als einziger Kritikpunkt des Films genannt. Ursprünglich vertonte Hauskomponist Jerry Fielding („The wild bunch“) den Film, doch McQueen, der nicht nur Hauptdarsteller des Films, sondern eigentlich auch Produzent war (wenn auch nicht offiziell auf dem Papier), gefiel die Musik nicht. Peckinpah war mit ihr zufrieden, doch McQueen engagierte trotzdem Quincy Jones (In der Hitze der Nacht) für einen neuen Soundtrack, den Peckinpah seinerseits nicht so mochte, der aber schließlich zur Filmmusik wurde. Man kann natürlich nicht vergleichen, da es Fieldings Soundtrack nicht mehr gibt, aber Quincy Jones Musik passt sehr gut und trägt zum gelungenen Gesamtbild bei.

    Im Jahre 1994 entstand übrigens von Regisseur Ronald Donaldson (Thirteen Days, Der Einsatz) ein Remake mit Kim Basinger (L.A. Confidential) und Alec Baldwin (The Cooler) in den Hauptrollen. Es ist der beste Beleg für die Qualität des Originals. Auch das Remake bietet Action satt und weiß durchaus zu unterhalten. Doch daneben bietet es nichts. Es ist ein harmloser Actionflick, der zwar beim Schauen prächtig unterhält, aber nicht nachwirkt. Peckinpahs Original bietet dagegen so viele Elemente, die den Film zeitlos machen. Ein Klassiker, den man sich immer wieder anschauen kann, durch die Bank hervorragend besetzt und erstklassig inszeniert. Eine klare Empfehlung!

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top