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    State Of Violence
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    State Of Violence
    Von Björn Becher

    Nach dem großen Erfolg von Bong Joon-hos un- und außergewöhnlichem Genremix Memories Of Murder, der auf einer realen, bis heute ungelösten Mordserie basierte, gab es in Südkorea einen kleinen Trend zu „Based On True Story“-Filmen, die sich vor allem auch kritisch mit einzelnen Ereignissen der Geschichte des Landes auseinandersetzen. In diesem Zuge entstand neben dem Action-Drama Silmido auch „State Of Violence“ von Yang Yun-ho („Libera Me“, „Fighter In The Wind“). Dessen Drama über einen Aufsehen erregenden und blutigen Gefängnisausbruch ist im Original eigentlich nach dem gleichnamigen Bee-Gees-Song „Holiday“ benannt, hat für Deutschland aber ein reißerischeren Titel verpasst bekommt, der leider durchaus zu der Intention des Filmemachers passt. Denn zu oft opfert der talentierte Regisseur die natürliche Dramatik der starken Geschichte für optische Schauwerte sowie viel Pathos und prügelt daneben seine Botschaft dem Zuschauer zu plakativ ein.

    Seoul, 1988: Die Olympischen Spiele stehen vor der Tür und die Stadt soll für die Besucher aus aller Welt glänzen. Da passt ein Armenviertel mit notdürftig zusammen gezimmerten Behausungen, welches an einer Verkehrsstraße liegt, überhaupt nicht ins Bild. Daher sollen die Bewohner verschwinden und Platz für schöne Luxusbauten machen. Da diese nicht daran denken, ihre Heimat aufzugeben, schicken die Behörden einen Trupp aus Polizisten und kriminellen Schlägern vorbei, die im Armenviertel aufräumen. Der brutale Befehlshaber dieses Räumkommandos, Kim An-seok (Choi Min-su), erschießt beim folgenden Zusammenstoß kaltblütig den behinderten kleinen Bruder von Ji Kang-heon (Lee Sung-jae). Ji selbst wird verhaftet und aufgrund eines Sicherheitsverwahrungsgesetzes für zehn Jahre in ein Gefängnis gebracht. In diesem regiert der Gangsterboss Hwang Dae-chul (Eol Lee) mit eiserner Faust. Er duldet kein Aufbegehren gegen die Wärter, da er hofft, so bald eine Begnadigung zu erlangen. Doch kurze Zeit später ändern sich die Zustände für alle, denn auch Kim erreicht die Gefängnismauern. Er wurde befördert und ist der neue Direktor. Er lehnt nicht nur Hwangs Begnadigung ab, sondern findet seine wahre Freude daran, die Insassen zu quälen und zu foltern. Gemeinsam mit rund einem Dutzend Mitinsassen beschließen Ji und Hwang zu fliehen…

    Der reale Gefängnisausbruch und eine sich daran anschließende Geiselnahme hielt in Südkorea Ende der Achtziger für über eine Woche die Bevölkerung in Aufregung. Ein Bild, in welchem der Anführer der Ausbrecher, jener Charakter, der als Vorbild für Ji Kang-heon dient, mit einer weiblichen Geisel und gezogener Waffe am Fenster steht, wurde in jedem einheimischen Medium abgedruckt. Der Ausbrecher brüllte damals den Medien entgegen: „Wenn Du schuldig bist, wenn man Geld hat, dann ist man vor Gericht unschuldig. Hast Du keine Schuld und leider auch kein Geld, bist Du schuldig…Das ist die Justiz von Korea.“ Auch jener Satz wurde in Korea legendär, genauso wie die Geschichte, dass es sein letzter Wunsch kurz vor dem Ende der Geiselnahme war, das Lied „Holiday“ von den Bee Gees zu hören. Natürlich finden sich auch jene, sehr eindrucksvollen Momente im Film wieder. Was außen rum Realität und Fiktion ist, vermag man als westlicher, mit dem Ereignis normalerweise maximal rudimentär vertrauter Zuschauer nicht festzustellen. Man kann aber sicher davon ausgehen, dass die fiktiven Anteile überwiegen, zumal auch in Südkorea weite Teile des Geschehens noch heute sehr nebulös sind.

    Sicher tief im Reich der Fiktion anzusiedeln, ist die Figurenzeichnung, die leider auch der größte Schwachpunkt von „State Of Violence“ ist. Besonders negativ ins Gewicht fällt hier der Antagonist auf Seiten der Polizei. Kim An-seok ist die völlige Karikatur eines Bösewichts, der in seiner Diabolik vielleicht als Joker in einem mega-trashigen Batman durchgehen würde, aber in einem in der Realität verankerten Film deplatziert wirkt. Verstärkt wird dies durch das gnadenlose Overacting von Darsteller Choi Min-su („Sword In The Moon“, „Der Mythos“, „My Wife Is A Gangster“). Die mäßige deutsche Synchronisation intensiviert die Lächerlichkeit der Bösartigkeit dieser Figur weiter. Viel zu Schwarz-Weiß zeichnend macht Yang auch bei der Gegenseite weiter. Die Ausbrecher sind ein Dutzend von eigentlich doch ganz netten Kerlen, die durch widrige Umstände ins Gefängnis kamen. Darunter sind zum Beispiel ein „Zwerg“ und ein „Riese“, die oft im Duo auftreten und dabei mit ihrem manchmal ungeschickten Agieren dem Film Komik verleihen sollen. Dabei ist dieses Pat & Patachon ähnliche Team eigentlich völlig deplatziert in der dramatischen Geschichte.

    Yang vertraut viel zu wenig auf die eigentliche Story. In Zeitlupe und mit bedeutungsschwangerer Musik unterlegt, beschwört er stattdessen immer wieder Pathos und will so den Zuschauer gewinnen. Dabei schafft er das vorher schon viel einfacher. Gerade die Schilderung des harten Gefängnislebens sorgt dafür, dass „State Of Violence“ in der ersten Stunde ein gelungenes und vor allem dramatisches sowie spannendes „Prison-Movie“ ist, das sich auch vor Genregrößen nicht zu schämen braucht. Sobald der Regisseur auf Zeitlupe und pathetische Musik verzichtet, zeigt sich auch sein Talent und die Fähigkeit, exzellente Momente ohne diese Hilfsmittel heraufzubeschwören. Er besinnt sich leider, vor allem im Finale, zu selten darauf.

    Trotz aller Kritik ist „State Of Violence“ keinesfalls ein unterdurchschnittliches Werk. Gerade dem asiatischen Film aufgeschlossene Genrefreunde (die es vielleicht noch gerne ein Spur melodramatischer haben) werden mit der Gefängnisfilmhälfte und auch dem anschließenden mit Geiselnahme ihre Freude haben und für zwei spannende DVD-Stunden taugt „State Of Violence“ allemal. Für mehr allerdings nicht…

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