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    Napoleon Fritz
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Napoleon Fritz
    Von Björn Becher

    War früher wirklich alles besser? Nein, denn eine solche Annahme ist doch meist durch einen eher verklärten, nostalgischen Rückblick auf die alte Zeit zu begründen. Ausnahmen gibt es aber trotzdem, so zum Beispiel bei einem Blick auf das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Unter immer stärkerem Quotendruck stehend, ist dort eine Mutlosigkeit eingekehrt. Formidable Eigenproduktionen sind selten geworden. Mit der „Tatort“-Reihe hat man in der ARD noch einen Selbstläufer, der auch qualitativ immer wieder mal Glanzlichter setzen kann. Doch diese und mutige Projekte wie „KDD – Kriminaldauerdienst“ und die „Nachtschicht“-Reihe im ZDF oder ein vielschichtiger TV-Film Dominik Grafs „Eine Stadt wird erpresst“ (2007) sind rar geworden. Dies zeigt gerade ein Blick zurück auf die „alte Zeit“ und den können Anhänger des deutschen TV-Films im Januar 2008 ausgiebig wagen. Mit den Grimme-Preis-gekrönten Thrillern „Der Leibwächter“ und „Der letzte Kurier“ gibt es die überfällige DVD-Veröffentlichung zweier harter und spannender Werke mit politischem Einschlag. Als dritter Film im Bunde erscheint zudem „Napoleon Fritz“, der nicht ganz mit den beiden anderen Werken mithalten kann, aber trotzdem von überdurchschnittlicher Qualität ist. Nach dem eher mittelmäßigen ersten Part des insgesamt 180 Minuten langen Zweiteilers ist dies vor allem der Verdienst der starken und dramaturgisch clever aufgebauten zweiten Hälfte, die es glücklicherweise vermeidet, einfache Wege zu gehen.

    Friedrich Golz (Klaus Löwitsch) ist der König des Hamburger Kiezes. Alle nennen ihn nur Napoleon Fritz und ähnlich wie der französische Feldherr regiert er das Rotlichtmenü. Dabei kann er vor allem auf die Loyalität seiner Truppen bauen, wie seinen langjähriger Wegbegleiter und Jugendfreund Benno (Michael Mendl, Barfuß) oder seinen bis zum letzten Blutstropfen treu ergebenen Bodyguard Katzki (Ludger Burmann, Der bewegte Mann). Dass der Boss in jüngerer Zeit sich immer stärker für die japanische Kultur interessiert, viel Sushi isst, Gemälde sammelt und immer wieder aus Miyamoto Musashis „Buch der 5 Ringe - Die Lehre eines Samurai Meisters“ zitiert, wird akzeptiert. Doch die Zeiten ändern sich. Wenige Tage vor seinem Geburtstag sieht sich Napoleon Fritz plötzlich einer Serie von brutalen Attacken auf seine Nachtclubs und Casinos ausgesetzt. Dahinter steckt Kontrahent Basewicz (Marek Wlodarczyk), der hofft, einige der profitablen Geschäfte übernehmen zu können. Doch obwohl Fritz erst einmal völlig ruhig reagiert, plant er schon den Gegenanschlag. Größere Gefahr droht zudem von anderer Seite. Hamburg bekommt einen neuen Oberstaatsanwalt für den Bereich Organisierte Kriminalität. Und Dr. Sachs (Michael Gwisdek), ausgestattet mit DDR- und (politisch bedingter) Knastvergangenheit, will endlich aufräumen. Gemeinsam mit dem das „Schwanz einziehen“ und die Bestechlichkeit seiner Kollegen Leid habenden Kommissar Doll (Udo Schenk, Mondkalb) schmiedet er einen Plan, den Mafiaboss endlich hinter Gitter zu bringen.

    „Die Leute nennen mich Napoleon Fritz, nicht nur wegen meiner gedrungenen Figur, wegen der Schlachten, die ich geschlagen habe. Aber im Gegensatz zu Napoleon Bonaparte, habe ich alle Schlachten meines Lebens gewonnen. Bis jetzt jedenfalls.“

    Die Idee für die Geschichte zu „Napoleon Fritz“ stammt von Hauptdarsteller Klaus Löwitsch (Peter Strohm, Was tun, wenn´s brennt, Despair - Eine Reise ins Licht) selbst und ein solcher Stoff, den der Hauptdarsteller sich quasi direkt auf den Leib schreiben lässt, riecht auch immer ein wenig nach Selbstinszenierung. Und im ersten der beiden Neunzigminüter bestätigt sich dieses Vorurteil leider. Löwitsch kommentiert seinen Charakter immerzu aus dem Off, trägt japanische Weisheiten vor und mythologisiert und glorifiziert den Gangsterboss förmlich. Das geht mit der Zeit auf die Nerven und sorgt dafür, dass ausgerechnet die Hauptfigur mit ihrer Überpräsenz dem Zuschauer nicht so nahe gebracht wird, wie es eigentlich nötig wäre. Glücklicherweise zieht sich dieses Manko nicht durch den kompletten Zweiteiler. Nach und nach wird neben der Hauptfigur auch Platz für weitere interessante Personen geschaffen und die Kommentierung aus dem Off zurückgefahren. Gerade diese weiteren Personen verdichten die Geschichte und sorgen für eine interessante Vielschichtigkeit.

    Als zweiter Protagonist etabliert sich langsam der von Michael Gwisdek (Good Bye, Lenin!, Pornorama, Elementarteilchen) gewohnt überzeugend dargestellte Staatsanwalt Dr. Sachs. In wenigen kurzen Sätzen wird für den Zuschauer dessen Biographie umrissen, die von nun an ein zentrales Element darstellt. Sachs kommt aus der ehemaligen DDR, saß dort vier Jahre im Gefängnis, weil er seine untergebenen Staatsanwälte dazu anhielt, bei den Schuldsprüchen ein wenig Augenmaß walten zu lassen und nicht immer ganz so überzogen hohe Strafen zu verhängen. Nun ist er endlich in einem Rechtsstaat angekommen und sieht die Schattenseiten. Denn ein Verbrecher wie Napoleon Fritz versteht sich mit seinem gewieften Anwalt Becker (Siegfried Kernen, Ein ganz gewöhnlicher Jude) perfekt darauf, jene Mittel, welche dieser Rechtsstaat bietet bis zum letzten auszuschöpfen und konnte so über 30 Jahre dem Gefängnis entgehen. Als Sachs bemerkt, dass der Kiez-Größe nicht beizukommen ist, fängt ausgerechnet er an, die Gesetze zu dehnen und zu beugen, paktiert fast mit anderen Verbrechern und ordnet alles einem einzigen Ziel unter: Napoleon Fritz endlich ins Gefängnis zu bringen. Geschickt versteht es der TV-Krimi-erfahrene Autor und Regisseur Thorsten Näter (unter anderem verantwortlich für den 2004 wegen seines – angeblichen – Gewaltlevels heiß diskutierten „Tatort: Abschaum“) hier eine falsche Positionierung zu vermeiden. „Napoleon Fritz“ spielt nicht in die Hände jener Scharfmacher, die versuchen, Bürgerrechte unter dem Deckmantel „Kampf gegen den Terror/das organisierte Verbrechen“ immer weiter auszuhöhlen, verklärt aber auch auf der anderen Seite nichts. Stattdessen kann man ein klares Bild von den Problemen gewinnen, welche die Einhaltung des Rechtsstaates mit sich bringt, sieht aber gleichzeitig, warum diese wichtig ist.

    Gerade im zweiten Teil, wenn „Napoleon Fritz“ immer mehr zum Spielball der hinterlistigen Schachzüge von Staatsanwalt Sachs wird, öffnet sich der Platz für weitere Figuren. Hier ist vor allem noch die Ehefrau (Michele Marian) des Mafiabosses zu nennen, die sich von ihm losgesagt hat und in der Schweiz lebt. Auch dieser Figur wird nach und nach mehr Erzählraum gewidmet, was dem Gesamtwerk deutlich nutzt. Der zweite Part präsentiert sich nicht nur deswegen, sondern auch aufgrund der geschickt aufgebauten Dramaturgie, welche die Ereignisse immer weiter zuspitzt und die Spannung langsam, aber stetig nach oben treibt, als äußerst gelungene Angelegenheit. Da verzeiht man der TV-Produktion dann auch gerne, dass zwischendurch immer wieder mal ihre Herkunft durchscheint. Neben den insgesamt sehr gut besetzten größeren Figuren, gibt es gerade in den kleineren Nebenrollen ein paar Fehlgriffe in Form von sehr hölzern agierenden Darstellern. Ob es unbedingt hätte sein müssen, dass man die zahlreichen Standortwechsel im Fortlauf der Geschichte durch breite Dialekte der jeweiligen Figuren verdeutlicht, kann mal dahin gestellt bleiben. Denn dieser kleine Malus kann die insgesamt sehenswerte TV-Produktion aus dem Jahr 1997 nicht mehr ruinieren.

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