Viel Spaß, wenig Grusel
Von Karin JirsakSeit vor 26 Jahren „Die Addams Family in verrückter Tradition“ in die Kinos kam, haben wir die schräge Goth-Sippe nicht mehr auf der großen Leinwand gesehen. Jetzt kehrt die Großfamilie pünktlich zum Kürbisfest im computeranimierten 3D-Gewandt zurück. Inszeniert wurde das neue Addams-Abenteuer zwar von den „Sausage Party“-Regisseuren Conrad Vernon und Greg Tiernan, doch im Gegensatz zu der schweinischen Lebensmittelorgie für Erwachsene geht es in der Addams-Neuauflage sehr kindgerecht zu, weshalb sie auch weniger fies und fürchterlich ausfällt, als es sich viele Oldschool-Fans womöglich erhofft haben. Trotzdem ist den Machern ein sympathischer und vor allem witziger Familienfilm gelungen, der die junge Generation mit harmlosem Grusel und viel Slapstick behutsam in die verquere Welt der Familie Addams einführt und dank vieler Insider-Gags und (pop-)kultureller Anspielungen von „Little Women“ bis „ES“ durchaus das Potenzial hat, auch die alte Fangemeinde vielleicht doch noch aus der Reserve zu locken.
Abgeschottet von der Außenwelt pflegt die Familie Addams in einer ehemaligen Irrenanstalt hoch über den Dächern einer Stadt in New Jersey ihren morbiden Lebensstil. Aktuell bereitet sie sich auf eine große Familienfeier vor: Sohn Pugsley (Stimme im Original: Finn Wolfhard) feiert seine Mazurka, einen Initiationsritus, bei dem der darin völlig unbegabte Sprössling eine Art Säbeltanz vollführen soll. Noch mehr Unruhe kommt auf, als die TV-Haus-Designerin Margeaux Needler (Allison Janney) die komplette Stadt nach ihren exklusiven Vorstellungen umgestalten will. Dabei ist ihr das Gruseldomizil der Addams natürlich ein Dorn im Auge, ebenso wie die neue Freundin ihrer Tochter Parker (Elsie Fisher): Addams-Tochter Wednesday (Chloë Grace Moretz). Kurz vor dem großen Fest im Hause Addams droht die Lage zu eskalieren...
Der neue Look, der von den Neunziger-Kinofilmen abweicht, verweist in Wahrheit sogar bis ganz zum Anfang in den 1930er Jahren zurück.
Erzählt wird die Geschichte der Addams hier erstmals von Anfang an, beginnend mit der Hochzeit von Morticia (Charlize Theron) und Gomez (Oscar Isaac). Die Zeremonie findet, ganz ihrem morbiden Stil entsprechend, auf dem Friedhof statt, wo ein zwielichtiger Prediger die beiden Turtelkrähen in die „gähnende Leere der Ehe“ führt. Kurz darauf erscheint ein tobender Mob besorgter Bürger, der die armen Addams (mal wieder) mit Fackeln und Mistgabeln verjagt. Morticia reicht's. Sie will weg von den Menschen, dahin, „wohin es keinen, der bei normalem Verstand ist, jemals verschlagen würde“ – die logische Wahl fällt auf New Jersey. Dort lassen sich die Frischvermählten häuslich nieder, in einer (fast) verlassenen Irrenanstalt, deren einzigen verbleibenden Insassen Lurch (Regisseur Conrad Vernon) sie praktischerweise gleich als Butler einspannen.
So beginnt die neu erzählte Geschichte der Addams Family und holt damit auch die Zuschauer ab, die mit der makabren Sippe und ihren seltsamen Gepflogenheiten bislang noch nicht vertraut waren. Fans könnten allerdings mit dem neuen Look der Addams so ihre Probleme haben: Gomez ist hier zum Beispiel nicht mehr der schneidige Gentleman, den man aus der ursprünglichen TV-Serie (1964-1966) und den Kinofilmen kennt, sondern klein und ziemlich rundlich. Auch die Gestaltung von Outsider-Ikone Wednesday weicht stark ab von dem kultigen Erscheinungsbild, das Fans mit dem markanten Gesicht von Christina Ricci verbinden, die das mordlustige Mädchen in den zwei bisherigen Addams-Kinofilmen spielte.
Deshalb grummelnden Traditionsverfechtern sei allerdings direkt gesagt, dass sich der „neue“ Look in Wahrheit sehr viel enger an den von Zeichner Charles „Chas“ Addams für den New Yorker entwickelten Original-Cartoons orientiert, die erstmals 1938 erschienen sind. Jener Addams stammte übrigens auch aus New Jersey – nur eine von zahlreichen liebevollen Anspielungen auf den Schöpfer der legendären Schauerfamilie, die Nerds und Kenner der Ur-Addams hier entdecken können. Aber auch für Liebhaber der Original-Fernsehserie und der Kinofilme aus den 90ern gibt es viele kleine Anspielungen und Details, die für einige Wiedersehensfreude sorgen dürften.
So in etwa würde Donald Trump also als Frau aussehen.
Gewöhnungsbedürftig ist neben dem neuen Look womöglich auch der Umstand, die Addams erstmals in einem Setting zu erleben, das auch so unromantische Dinge wie Handys und Social Media beherbergt. Aber da es den bekennend altmodischen Zivilisationsverweigerern in Schwarz da nicht anders geht, liegt in der unfreiwilligen Kollision mit der modernen Welt natürlich eine Goldgrube für Gags, die man allerdings auch noch ergiebiger hätte ausbeuten können. Dennoch gibt es für Jung und Alt genug zu lachen…
… wobei sich die Macher auch eine kleine politische Spitze erlauben. Die trotz ihrer makabren Interessen und Vorlieben ja doch sehr netten Sonderlinge werden hier mit einem echten amerikanischen Alptraum konfrontiert, der, nicht nur der toupierten Frisur nach zu urteilen, offensichtlich ein reales Vorbild hat: In ihrem rücksichtslosen Größenwahn und mit der Verbreitung von fiesen Fake News über die unerwünschten „Andersartigen“ erinnert die quotengeile TV-Moderatorin Margeaux Needler nicht nur ganz entfernt an einen gewissen amerikanischen Präsidenten. In dem von ihr entworfenen Plastik-Habitat mit dem vielsagenden Namen „Assimilation“ haben Außenseiter mit fremdartigen Gebräuchen keinen Platz.
Aber so leicht lässt sich die Addams-Family natürlich nicht einfach vertreiben! Aucn nicht aus dem Kino! Schließlich stand schon nach dem Startwochenende in den USA (mit sehr überzeugenden 35 Millionen Dollar Einspiel) fest, dass es mit einem Animations-Sequel weitergehen soll. Bereits 2021 kommt deshalb „Die Addams Family 2“ in die Kinos und vielleicht trauen sich die Macher ja dann, noch ein bisschen fieser und schwarzhumoriger an die Sache heranzugehen. Aber als (Wieder-)Einstieg ist der kurzweilige „Die Addams Family“ jedenfalls schon mal gelungen.
Fazit: Die Addams im neuen Gewand! Nicht ganz so schräg und makaber, wie von Fans vielleicht erhofft, aber dank vieler schöner Gags und (pop-)kultureller Zitate doch ein kurzweiliger Spaß für die ganze Familie, der als solcher durchaus das Potenzial hat, eine neue Generation von Addams-Fans heranzuzüchten.