In Arabien zu drehen ist bei Hollywood-Produzenten aktuell schwer angesagt. Die bombastischen Bauten Dubais, Abu Dhabis oder Katars bieten Blockbustern wie „Mission: Impossible 4" oder „Sex and the City 2" einen gleichermaßen prächtigen wie exotischen Hintergrund. Die arabische Wüste ohne Wolkenkratzer und Luxusambiente ist als Handlungsort hingegen längst aus der Mode gekommen. Seit den 1940ern waren epische Wüstenabenteuer beim Publikum eine sichere Bank, bis der Trend zu Beginn der 60er Jahre mit David Leans Überklassiker „Lawrence von Arabien" seinen künstlerischen Höhepunkt erreichte. Aber diese Zeiten sind wie gesagt lange vorbei. Deshalb verwundert es auch nicht, dass „Hannibal Rising"-Produzent Tarek Ben Ammar mehr als 25 Jahre lang kämpfen musste, um seinen Traum einer Verfilmung des Romans „Der schwarze Durst" des Schweizer Rennfahrers Hans Ruesch zu verwirklichen. Unter der Regie des französischen Epos-Experten Jean-Jacques Annaud („Am Anfang war das Feuer", „Sieben Jahre in Tibet") ist dabei mit „Black Gold" ein bildgewaltiges Wüstenabenteuer entstanden - auch wenn es zunächst seine Zeit dauert, bis der Film richtig in Fahrt kommt.
Arabien, Anfang der 1930er Jahre: In der Wüste stehen sich die Stammesfürsten Nessib, Emir von Hobeika (Antonio Banderas), und Amar, Sultan von Salmaah (Mark Strong), gegenüber. Um sie herum liegen noch die Leichen ihrer Krieger, als der siegreiche Nessib seinem Widersacher die Bedingungen für einen Waffenstillstand diktiert: Das „Gelber Gürtel" genannte Gebiet zwischen ihren Reichen soll fortan von niemandem mehr in Anspruch genommen werden dürfen und als Sicherheitspuffer dienen. Außerdem will Nessib die beiden Söhne Amars adoptieren, um so sicherzustellen, dass sein Reich nicht wieder angegriffen wird. Einige Jahre des Friedens ziehen ins Land, bis ein texanischer Ölbaron ein riesiges Erdölvorkommen entdeckt – und zwar ausgerechnet innerhalb des Gelben Gürtels. Nessib setzt sich über den Friedensvertrag hinweg und erlaubt den Amerikanern, das Öl zu fördern. Amar bietet er zwar einen fairen Teil der Erlöse an, aber dieser lehnt das Fördern von Öl als gotteslästerlich ab. Es kommt erneut zum Krieg, in dem diesmal auch Amars inzwischen erwachsener Sohn Auda (Tahar Rahim), der sich immer mehr für das Lesen von Büchern als für das Erlernen des Kriegshandwerks interessierte, eine wichtige Rolle spielt...
Man merkt „Black Gold" positiv an, dass das 55-Millionen-Dollar-Budget zum großen Teil von arabischen Geldgebern gestemmt wurde. Während Hollywoodproduzenten bei dieser Summe mit Sicherheit darauf bestanden hätten, einen westlichen Helden im Mittelpunkt des Plots zu installieren, handelt der Film nun vom Konflikt zwischen Tradition und Moderne aus der Sicht zweier Araber, während die amerikanischen Ölsucher kaum mehr als Statistenrollen bekleiden. Zwar hat man sich nicht dazu durchringen können, Nessib und Amar von arabischen Darstellern verkörpern zu lassen, aber die zur Abwechslung mal nicht kolonialistische Perspektive macht die auf den Spuren eines Politdramas wandelnde erste Hälfte von „Black Gold" sehenswert, auch wenn der Film in diesem Teil ansonsten mit einigen Problemen zu kämpfen hat: Während Jean-Jacques Annaud viel zu lange braucht, um die handelnden Charaktere und politischen Hintergründe vorzustellen, scheitern gerade Antonio Banderas („Desperado", „Die Haut, in der ich wohne") und Freida Pinto („Slumdog Millionär", „Planet der Affen: Prevolution") an den oft hölzernen Dialogen und schaffen es so nie, hinter ihren Figuren zu verschwinden.
In der zweiten Hälfte tritt die große Politik dann in den Hintergrund, um einer entbehrungsreichen Wüstenodyssee Platz zu machen: Prinz Auda soll als Ablenkungsmanöver eine ganze Armee als Soldaten verkleideter Gefangener durch das Ödland führen, wobei die Wasserknappheit nur das erste von vielen unüberwindbar scheinenden Hindernissen darstellt: Erst rebelliert seine unfreiwillige Armee, und dann rückt der Feind auch noch mit gepanzerten Wagen und MG-bestückten Flugzeugen an. Aber Auda wächst über sich hinaus und erweist sich als geborener Führer – eine Wendung, die „Black Gold" in die gefährliche Nähe längst überstrapazierter Hollywood-Klischees hätte rücken können, aber Tahar Rahim bestätigt die für seinen Durchbruchsfilm „Ein Prophet" geernteten Lorbeeren (u.a. der Preis als Bester Schauspieler beim Europäischen Filmpreis) und gestaltet die Wandlung vom Bücherwurm zum Feldherren jederzeit glaubhaft. Neben dem Hauptdarsteller dreht auch Regisseur Annaud in diesem Teil noch einmal richtig auf und schafft einige monumentale Wüstenpanoramen, wie sie selbst David Lean vor einem halben Jahrhundert nicht eindrucksvoller hinbekommen hat.
Fazit: Opulent bebilderte Hommage an „Lawrence von Arabien" & Co., die sich zwar zunächst etwas hinzieht, das Ausharren aber in der zweiten Hälfte mit einer imposant gefilmten Wüsten-Tour-de-Force belohnt.