„Get your motor runnin’. Head out on the highway. Lookin’ for adventure. And whatever comes our way. Yeah, darlin’ gonna make it happen. Take the world in a love embrace. Fire all of the guns at once and explode into space.“ (1)
Der einsame Held, der lonesome cowboy, der Eigenbrötler, der Outsider – das alles sind Figuren, die in Filmen aller Herren Länder auftauchen können. Aber wenn sie in amerikanischen Filmen auftauchen, dann haben sie etwas Spezielles. Der einsame Wolf, sei es im amerikanischen Western oder in einem anderen Genre, ist ein rückwärts Suchender, einer, den es vorwärts, aber eben in die Vergangenheit treibt, zu den Wurzeln der amerikanischen Gesellschaft, und dabei kann es ihm letztlich gar nicht besonders gut gehen. Dieser Einsame kann als Gesetzloser auftreten oder wie Gary Cooper in „High Noon“ als einer, der das Gesetz ernst nimmt und keine Kompromisse zulässt, wenn es um Gerechtigkeit geht. Cooper wird am Schluss enttäuscht, der Gesetzlose ist zumeist am Schluss tot. Andere finden zumindest zu den Wurzeln ihrer Familie zurück wie Alvin Straight in Lynchs „Straight Story“ (1999).
Und sie durchwandern das finstere Tal, hier den amerikanischen Südwesten, von Los Angeles Richtung New Orleans, wo zwei moderne Exemplare von Wyatt Earp und Billy the Kid, eben Peter Fonda als Wyatt und Dennis Hopper (in seinem Regiedebut) als Billy Mardi Gras erleben wollen. Ihre Pferde haben einen modernen Namen: Harley Davidson. „Easy Rider“, das bedeutet Leichtfüßigkeit, Wurzellosigkeit und schnelles Geld machen zugleich. Sie tragen amerikanische Symbole auf ihrer Kleidung, die Fahne, und solche der Einsamkeit, der Kriminalität (Drogen), und sie suchen Amerika, können es aber nicht finden.
„I like smoke and lightnin’. Heavy metal thunder. Racin’ with the wind. And the feelin’ that I’m under. Like a true nature’s child. We were born, born to be wild. We can climb so high. I never wanna die. Born to be wild. Born to be wild.“ (1)
Der Verkauf von Drogen an einen Dealer im Rolls Royce (Phil Spector, der R&R-Producer, in einem kurzen Auftritt) verschaffen dem ruhigen, in sich gewandten „Captain America“ Wyatt und dem langhaarigen, eher extrovertierten Billy, der fast aussieht wie sein historisches Vorbild, das nötige Kleingeld, um ihre Tour zu beginnen. Der erste wirkliche Road-Movie der Filmgeschichte führt die beiden zu einem freundlichen Farmer und seiner mexikanischen Frau samt Kindern (Warren Finnerty, Tita Colorado), der sie zum Essen einlädt, dann durch Wälder und Berge zu einer ihren Idealen (von einem durch fast schon urchristliche Ziele bestimmten Leben) folgenden Hippie-Kommune in New Mexico, zu der sie ein Unbekannter (Luke Askew) mitnimmt. Während Wyatt von der Idylle angezogen wird und am liebsten bleiben möchte, besteht Billy unruhig und ungeduldig darauf weiterzuziehen.
In Las Vegas werden die beiden Outsider ins Gefängnis gesteckt, weil sie unerlaubt mit ihren Harleys an einer Parade teilgenommen haben. Im Knast treffen sie auf den Anwalt George Hanson (Jack Nicholson in der Rolle, die ihm zu seiner Karriere verhalf), der ihnen gegen Zahlung von 25 Dollar zur Freilassung verhilft. Hanson kennt die Polizisten sehr gut und aufgrund seiner Herkunft – sein Vater besitzt offensichtlich Geld und Einfluss – ist es für ihn ein leichtes, die beiden aus dem Gefängnis herauszubekommen. Der mit seinem Leben unzufriedene Hanson begleitet Wyatt und Billy Richtung New Orleans, sieht hierin eine Chance, den verkrusteten kleinbürgerlichen Strukturen seiner Heimat endlich zu entkommen. Mit einem goldenen Football-Helm setzt er sich auf eine Maschine, macht in der Nacht am Lagerfeuer seine ersten Erfahrungen mit Marihuana und beginnt über UFOs und Außerirdische zu phantasieren.
Doch George muss seinen Trip mit den Outsidern mit dem Leben bezahlen. Nachdem die drei am nächsten Morgen in einem Café auf den feindseligen Sheriff und einige andere Männer treffen, nicht bedient, sondern mehr oder weniger deutlich bedroht werden, machen sie sich wieder auf den Weg. Am Abend am Lagerfeuer kommt es zu einem Gespräch über das konformistische Amerika und ihre entsprechenden Erfahrungen morgens im Café:
„Billy: Alles, was wir für die sind, ist: Wir sind welche, die einen Haarschnitt benötigen.
George: Nein, nein. Was ihr für sie repräsentiert, ist Freiheit.
Billy: Was zum Teufel ist daran falsch, an Freiheit? Das ist doch alles, um was es geht?
George: Ja, ja, das ist richtig, nur darum geht es, richtig. Aber über Freiheit zu reden und frei zu sein – das sind zwei ganz verschiedene Dinge. Ich meine, es ist wirklich kaum möglich frei zu sein, wenn Deine Haut zu Markte getragen wird. Deswegen erzählt bloß nie, sie seien nicht frei, dann werden sie alles tun, um dich zu töten und zu überzeugen, dass sie es doch sind. Oh ja, sie werden euch bequatschen, und bequatschen und über individuelle Freiheit reden, aber wenn sie ein wirklich freies Individuum sehen, dann fürchten sie sich.
Billy: Mm, das wird zu kaum dazu bringen, vor Furcht davonzulaufen.
George: Nein, das macht sie gefährlich.“
„The river flows, it flows to the sea. Wherever that river goes, that’s where I want to be. Flow river flow, let your waters wash down. Take me from this road to some other town. All I wanted was to be free. And that’s the way it turned out to be....“ (2)
Wie recht George behalten wird, zeigt sich, als die drei Männer, die sich bereits zum Schlafen hingelegt haben, von Unbekannten mit Baseballschlägern überfallen werden. George stirbt an den Folgen der Schläge, Billy und Wyatt überleben den Angriff der Rednecks.
Schließlich landen die beiden in New Orleans, treffen auf zwei Prostituierte (Toni Basil und Karen Black in ihrer ersten Filmrolle), erleben zusammen Mardi Gras in den Straßen der Stadt, in denen „When the Saints Go Marching In“ ertönt, nehmen Drogen und phantasieren, was das Zeug verspricht.
Bevor die beiden am nächsten Tag von zwei Rednecks aus dem Wagen heraus erschossen werden, müssen sie sich vor ihrer letzten Übernachtung am Lagerfeuer eingestehen, dass Sex, Drogen und Geld sie offenbar nicht zu freien Menschen gemacht haben.
Oft von der damaligen Generation missverstanden als Hommage an eine alternative, freie, vom Konformismus befreite Generation der 60er Jahre, ist „Easy Rider“ doch eher ein Abgesang auf diese Illusionen und das konformistische, reaktionäre Amerika zugleich. Der amerikanische Traum entpuppt sich als leeres Gerede einer auf Völkermord gegründeten Gesellschaft, in der diejenigen, die nicht nur träumen, sondern ihre Träume wahr machen wollen, als Aussätzige, Minderwertige behandelt werden. Die langen Haare, die Drogen – das sind für die „durchschnittlichen Amerikaner“ nur die äußerlichen Merkmale einer gefährlichen Minderheit, die sich anschickt, das zu realisieren, wovon sie selbst nur träumen, es aber nicht wahr machen können: Von wirklicher Freiheit.
„Easy Rider“ zeigt den mit Illusionen vollgestopften Weg zweier moderner Cowboys durch die amerikanischen Wälder, an Flüssen vorbei, an den schönsten Landschaften Amerikas, zumeist abseits der Städte – on the road. Der Farmer, die Kommune, die Rednecks, die Prostituierten, das Rauschgift, Mardi Gras – all das ist Amerika, aber all das hat auch nicht das Geringste mit Freiheit zu tun.
Die Quintessenz des Films ist grausam, erschreckend, voller Verzweiflung und anklagend zugleich: Wyatt und Billy finden ihre Freiheit nur im Tod – eine Freiheit im Leben gibt es nicht. „Es ist alles in Ordnung, Ma, ich blute nur“, singt Bob Dylan. Gegen dieses Amerika des Durchschnitts, der Kleingeister, wild gewordenen Durchschnitts-Psychopathen (der Bushs könnte man heute ergänzen), amoklaufenden Rednecks ist kein Kraut gewachsen. Die visuellen Gegensätze könnten nicht größer sein: hier die herrlichen Landschaften (man erinnere sich an die ersten Bilder in Kubricks „Shining“), dort die beiden Outsider und dann die Normalbürger des amerikanischen Südens – eine manchmal fast zerreißende „Vielfalt“. Back to the roots. Am Ende müssen Wyatt und Billy erfahren, wie zynisch und brutal dies gemeint ist.
(1) Steppenwolf: „Born To Be Wild“
(2) Roger McGuinn: „Ballad of Easy Rider“