Spaßiger Fanservice
Von Karin JirsakTotgesagte leben länger. So viel ist mal klar. Aber wie lange? Diese Frage stellen wir uns inzwischen insbesondere in Bezug auf das Genre der Zombie-Komödie. Nachdem in diesem Jahr unter anderem Jim Jarmusch mit „The Dead Don’t Die“ gezeigt hat, dass dem Genre-Mix (bis auf eine Extraportion Lässigkeit) eigentlich nicht mehr viel Neues hinzuzufügen ist, wurde die Rückkehr nach „Zombieland“ nichtsdestotrotz mit großer Spannung erwartet. Fast genau ein Jahrzehnt nachdem er im Anschluss an „Shaun Of The Dead“ das Sub-Genre der „ZomCom“ quasi mitbegründete, legt Regisseur Ruben Fleischer nun nach und konnte dafür auch den kompletten Hauptcast für sein heiteres Untoten-Revival „Zombieland 2: Doppelt hält besser“ gewinnen.
Dass Kult aber gar nicht so einfach zu reproduzieren ist und so eine langersehnte Jubiläums-Reunion häufig auch einfach etwas zahnloser ausfällt als das Original, hat man zuletzt etwa 2017 bei Danny Boyles „T2: Trainspotting“ gesehen. In dem trafen sich die alten Junkie-Helden allerdings auch erst nach gut 20 Jahren wieder, wobei es sich die Protagonisten in den Vereinigten Staaten von „Zombieland“ auch schon nach zehn Jahren Ausnahmezustand etwas gemütlicher (und womöglich sogar zu gemütlich) eingerichtet haben.
Treten den Zombies mit Waffengewalt entgegen: Tallahassee (Woody Harrelson) und Columbus (Jesse Eisenberg)
Tallahassee (Woody Harrelson), Columbus (Jesse Eisenberg), Wichita (Emma Stone) und Little Rock (Abigail Breslin) sind in den Jahren nach der Zombie-Apokalypse zu einer Familie zusammengewachsen und haben sich inzwischen im praktischerweise leerstehenden Weißen Haus einquartiert, wo sie ein recht normales Leben führen. Gewöhnliche Familienprobleme inklusive: Little Rock, inzwischen eine junge Frau, sehnt sich nach Kontakt mit Gleichaltrigen. Als sie mit dem eitlen Hippie Berkeley (Avan Jogia) durchbrennt, machen sich die anderen auf die Suche nach dem Nesthäkchen. Eine erste Spur führt Richtung Graceland. Doch der Weg dorthin ist bevölkert von einer neuen, besonders gefährlichen Zombie-Spezies – und auch die Stimmung zwischen Wichita und Columbus ist nach einem missglückten Heiratsantrag nicht die beste...
Zehn Jahre nach Ausbruch der Zombie-Epidemie hat sich die Lage weitestgehend entspannt: Das Leben unter Untoten ist quasi zum Normalzustand geworden, wenn diese auch immer noch nicht in den Arbeitsmarkt reintegriert werden konnten. Lebensmittel, Klamotten und Kosmetika sind trotzdem auch so noch in Hülle und Fülle vorhanden. In solch bequemem Setting lassen die Hauptfiguren im Wesentlichen das alte Amerika mit seinen traditionellen Werten hochleben: Häuslichkeit, Familie und Waffenkult zum Beispiel (denn was will man denn auch mit einer Gitarre gegen Zombies ausrichten, wie Tallahassee hier treffend bemerkt).
Auch die Schauplätze des heutigen „Zombieland“ sind die Schauplätze von gestern: Neben dem Weißen Haus ist da zum Beispiel ein Motel in der Nähe von Graceland, wo Columbus gar in Elvis' legendäre Blue Suede Shoes schlüpft – und auch die sind vor allem eins: gemütlich. Außerdem gibt es noch eine Kommune namens „Babylon“, deren pazifistische Nichtsnutz-Population (trotz Gruppensexverbot) an die Blumenkinder der Hippiezeit gemahnt. Vegan sind die hier auch, was man vielleicht als einen kleinen Anflug von ganz milder Kritik am heutigen Zeitgeist interpretieren könnte. Wer hier allerdings auch nur einen ganz kleinen satirischen Stachel im Fleische des modern(d)en Amerikas zu finden glaubt, wird ihn nicht entdecken.
Auch der Fokus der Erzählung bleibt – erwartbar – dem Guten und Bewährten treu: Wie schon im ersten Teil zentriert sich die Aufmerksamkeit auf das ungleiche Männerduo bestehend aus Tallahassee, dem cholerischen Haudegen mit Herz (das hier sehr viel mehr Raum einnimmt als in Teil 1), und Columbus, dem knuffigen Hasenfuß, der es dank ausgetüfteltem Regelwerk geschafft hat, die Zombie-Invasion und die darauf folgenden zehn Jahre an der Seite von Tallahassee zu überleben. Diesem Katalog nützlicher Richtlinien wurde hier nicht nur der englische Untertitel „Double Tap“ (= immer mittels Zweitschuss sichergehen, dass der Zombie auch wirklich Geschichte ist) entnommen: Columbus' aus „Zombieland“ bekannte Regeln werden auch diesmal bis zum Overkill als erzählerisches und – in Form von Schriftmontagen – grafisches Strukturelement genutzt. Außerdem bieten sie natürlich jede Menge Gelegenheiten für selbstreferentielle Augenzwinker-Gags, von denen es sehr, sehr viele gibt.
Unterbeschäftigt in Teil 2: Wichita (Emma Stone) und Little Rock (Abigail Breslin)
Performt werden sie vor allem vom bestens geölten Gewinnergespann Harrelson & Eisenberg, die am selbstironischen Update ihrer Kultrollen ein spürbar ausgelassenes Vergnügen haben. Es sind ihre (und unsere) Insider-Gags, ihre spritzigen Wortgefechte und ihr perfekt aufeinander abgestimmtes Mienenspiel, die hier den Großteil der Lacher einfahren. Oscar-Gewinnerin Emma Stone („La La Land“) und Abigail Breslin („Little Miss Sunshine“) verblassen daneben noch mehr als im ersten Teil, was allerdings in erster Linie am Drehbuch liegt, das die charismatischen Darstellerinnen nicht gerade mit Pointen und markanten Momenten überschüttet. Schade auch, dass die im ersten Teil noch so unabhängigen Schwestern Wichita und Little Rock in den konservativen Rollenbildern der (vielleicht?) Ehefrau in spe bzw. der flügge werdenden Tochter, die von „Daddy“ mit Waffengewalt gerettet werden muss, trotz Fluchtversuchen nahezu erstarren – wenn sie nicht ausnahmsweise mal wieder einen Zombie schnetzeln müssen.
Was die Untoten selbst betrifft, ist die einzige Neuerung eine mutmaßliche Mutation, von den Protagonisten als (irgendwie schale) „Terminator“-Reminiszenz „T-800“ getauft. Diese neuen Zombies sind zwar ein bisschen stärker und unkaputtbarer als die älteren Generationen, aber mit den richtigen Wummen auch kein echtes Hindernis auf dem Weg zur familiären Eintracht, um die es hier im Kern natürlich geht. Inklusive der altbewährten Botschaft „Home is where the heart is“, der hier allerdings auch nicht viel hinzugefügt wird, was nicht (u. a. in Teil 1) bereits gesagt worden wäre.
Neben Zombies und dem Hauptfiguren-Kleeblatt treten auch ein paar neue Charaktere in Erscheinung, darunter das (mal wieder) blonde Dummchen Madison, mit dem Columbus sich einen One-Night-Stand erlaubt, nachdem seine große Liebe Wichita seinen Heiratsantrag nicht beantwortet und die Biege gemacht hat. Jene pinkvernarrte Paris Hilton der Postapokalypse ist dem Skript nach eine ziemlich klischeehafte und nervige Figur, der Zoey Deutch („Vampire Academy“) mit herrlich exaltiertem Spiel dann aber doch einige Lacher abgewinnt. Dann ist da noch Avan Jogia („Shaft“) als schön schmieriger Singersongwriter-Hippie Berkeley, der Bob-Dylan-Songs als seine eigenen ausgibt und auch sonst nicht gerade den perfekten ersten Boyfriend für Little Rock abgibt.
Und auch der zum Adoptivpapa gereifte Tallahassee stößt auf der Suche nach der entlaufenen Ziehtochter auf ein love interest in Gestalt der supertoughen Überlebenden Nevada (Rosario Dawson), die als Figur allerdings zu schematisch und damit beliebig (schön, stark, Elvis-Fan) bleibt. Ebenfalls ein bisschen verschenkt wird hier Luke Wilson („Idiocracy“) als Tallahassees temporärer Konkurrent um die Gunst der coolen Zombiekillerin.
Neu an Bord: Thomas Middleditch und Luke Wilson als Flagstaff und Albuquerque
Dass die neuen Figuren hier kaum mehr als schmückendes Beiwerk werden würden, war angesichts des großen „Zombieland“-Fankults natürlich absehbar – worum es hier geht, ist die Nostalgie (der Fans). Entsprechend herrscht statt De(kon)struktion und Endzeitstimmung ein mit jeder Szene und hunderten von Zitaten eindringlich beschworenes Gefühl von „Wisst ihr noch, damals...“, und das muss ja auch nicht unangenehm sein. Neben der Wiedersehensfreude mit den Stars gibt es, wie gehabt, krachende Action, schicke Zombies und obendrauf sogar noch einen fetten Monstertruck. All das reicht, um sich mit einem Eimer Popcorn zurückzulehnen und in der guten alten Zeit zu schwelgen, als Zombies noch gruselig waren und (die inzwischen erplatinblondete) Abigail Breslin noch die kleine Miss Sunshine.
Fazit: Spaßiges, aber zahmes Wiedersehen, das vor allem dank des bestens aufgelegten Duos Woody Harrelson & Jesse Eisenberg funktioniert. Keine Frischzellenkur, aber vielleicht ja ein wohliges Goodbye für das langsam an seine natürlichen Grenzen stoßende Genre der ZomCom.