Mit schweren Dramen wie „Der Untergang" oder „Sophie Scholl - Die letzten Tage" machten sich deutsche Filmemacher in den vergangenen Jahren verdient um die Aufarbeitung der Nazi-Zeit. Aber an der satirischen Herangehensweise an den schwierigen Stoff hat sich indes schon so mancher verhoben. Man denke nur an Oskar Roehler („Jud Süß - Film ohne Gewissen") und Dani Levy („Mein Führer"), die bei ihren Versuchen, dem Dritten Reich mit den Mitteln der Farce beizukommen, mit fliegenden Fahnen untergingen. Vielleicht ist es die sympathische österreichische Gelassenheit, die Kult-Regisseur Wolfgang Murnberger hilft, für seine Nazi-Tragikomödie „Mein bester Feind" den passenden locker-leichten Ton zu finden, um im Wettbewerb der 61. Berlinale zu überzeugen.
Hitler ist ein Narr, aber so verrückt, dass er tatsächlich einen Krieg anzetteln wird, sei er nicht. Das denkt der wohlhabende jüdische Galeriebesitzer Jakob Kaufmann (Udo Samel) in den 30er Jahren über den deutschen Diktator. Der Kunstexperte hat in Wien eine lange verschollene Zeichnung von Michelangelo in seinen Besitz gebracht und verteidigt sie mit allen Mitteln gegen die Nazis. Dann aber stellt sich Rudi Smekal (Georg Friedrich), der beste Freund von Kaufmanns Sohn Victor (Moritz Bleibtreu) und praktisch ein Familienmitglied, auf die Seite der Machthaber und wird Unterscharführer bei der SS. Seinem ambitionierten Vorgesetzten Widrizek (Uwe Bohm) macht Smekal ein schönes Antrittsgeschenk – er verrät, wo die Familie Kaufmann den Michelangelo versteckt hat und lässt sie inhaftieren. Erst als die Nazis das Kunstwerk Jahre später bei einem Staatsbesuch an den italienischen Diktator Mussolini zurückgeben wollen, fällt auf, dass Victor und sein Vater der SS eine perfekte Kopie untergejubelt haben. Smekal und Widrizek, die ihre Schmach ausbaden müssen, greifen Victor Kaufmann in einem polnischen Konzentrationslager auf. Er soll nach Berlin zum Verhör gebracht werden, doch das Flugzeug stürzt ab. Die einzigen Überlebenden: Smekal und Victor, der seinem ehemaligen Busenkumpel das Leben rettet, indem er ihn aus dem brennenden Flugzeugwrack hievt. Kaufmann schaltet schnell und tauscht mit dem verletzten Smekal gegen dessen Willen die Rollen...
Besonders für heimische Autoren und Regisseure ist eine ironische, fiktive Geschichte über Nazis und das Dritte Reich immer noch ein filmisches Minenfeld. Die vor allem in der Vergangenheit gern gestellte Frage nach dem „Darf man das?" ist zwar heutzutage nur noch eine rhetorische, denn was einst Charlie Chaplin („Der große Diktator"), Ernst Lubitsch („Sein oder Nichtsein") oder in der jüngeren Geschichte Roberto Benigni („Das Leben ist schön") und Quentin Tarantino („Inglourious Basterds") vorbehalten war, ist inzwischen auch in deutschsprachigen Produktionen machbar. Trotzdem ändert diese moralische Öffnung des Themas nichts daran, dass es ungeheuer schwierig ist, richtig mit „lustigen Nazis" umzugehen. Das macht sich auch bei „Mein bester Feind" bemerkbar. „Brenner"-Regisseur Wolfgang Murnberger („Der Knochenmann", „Silentium", „Komm, süßer Tod") nimmt sich eine halbe Stunde Zeit, den rechten Tonfall zu etablieren. Erst dann ist seine erfrischende Variante von „Des Kaisers neuen Kleidern" in Nazi-Uniformen auf Betriebstemperatur.
Mit seiner behutsamen Einführung schafft Murnberger ganz bewusst eine Fallhöhe für seine Charaktere, was der rein komödiantischen Drehbuch- und Romanvorlage von Paul Hengge („Wie es Victor Kaufmann gelang, Adolf Hitler doch noch zu überleben") einen dramatischen Einschlag und erzählerische Tiefe verleiht. Und auch wenn die Humor-Dosierung im weiteren Verlauf erhöht wird, verzichtet Murnberger komplett auf Schenkelklopfer. Es ist die manchmal feine, manchmal bissige Ironie, die die Schreckensherrschaft der Nazis entlarvt. Der Regisseur verschont sein Publikum mit Horrorszenarien aus den Konzentrationslagern und bedrückende Bilder sind Mangelware. Er will sich lustig machen über die Nazis, sie mit den Waffen des Humors schlagen – da wären solche Elemente nur Ballast.
Neben dem dezenten Humor ist es vor allem die zentrale Beziehung der ehemals besten Freunde Rudi Smekal und Victor Kaufmann, die den Film interessant macht. Trotz bitterer, scheinbar von den Umständen erzwungener Feindschaft und des gnadenlosen gegenseitigen Ausnutzens sprüht selbst in extremsten Situationen immer wieder ein Funke der alten Verbundenheit auf. „Warum soll ich dir trauen?", fragt Smekal an einer Stelle, als es um Leben und Tod geht. „Weil's immer so war", antwortet Kaufmann in der wahrhaftigsten und besten Szene des Films. In diesem einen Moment steht alles still, es zählt nur der Augenblick – und die Dualität, die schon im Titel „Mein bester Feind" angelegt ist, wird auf den Punkt gebracht.
Es ist immer wieder erfrischend zu sehen, wie flexibel Moritz Bleibtreu ist und wie spielerisch überzeugend er die Nationalitäten wechseln kann. Er war Araber („Knockin' on Heaven's Door"), Italiener („Solino") und Grieche („Soul Kitchen"), 2010 gab er bei Oskar Roehler noch den Nazi Goebbels und nun, ein Jahr später den Wiener Juden... Der Schauspieler, der mit Monica Bleibtreu eine österreichische Mutter hatte, meistert auch diesen Part. Sein Victor Kaufmann ist die uneingeschränkte Sympathiefigur des Films. Bleibtreus Zusammenspiel mit dem Österreicher Georg Friedrich („Über uns das All", „Contact High", „Nordwand") funktioniert ebenfalls wunderbar: Dessen Smekal ist linkisch, behält aber durch seine Naivität immer einen Hauch von Menschlichkeit, was der Figur Komplexität verleiht und die Interaktion mit Kaufmann spannend macht.
Fazit: Spritzige, pointierte Dialoge, feine Ironie und listiger Humor... Wolfgang Murnberger beweist in seiner satirischen Tragikomödie „Mein bester Feind" das richtige Gespür und sorgt für knapp zwei Stunden Kurzweil, auch wenn das Ende mit seinem wenig überraschenden und sehr versöhnlichen Clou ruhig etwas bissiger hätte ausfallen dürfen.