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    A Star Is Born
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    A Star Is Born
    Von Christoph Petersen

    Die tragische (Liebes-)Geschichte vom alternden, alkoholkranken Star, der einer jungen Schauspielerin/Sängerin zum großen Durchbruch verhilft, während sein eigener Stern rapide absinkt, vereint in sich alles, wofür Hollywood steht. Und so ist es auch kein Wunder, dass sie bereits vier Mal (1932, 19371954 und 1976) in der Traumfabrik verfilmt wurde. Aber selbst wenn Bradley Coopers „A Star Is Born“ nun schon der fünfte Film mit exakt dieser Story und der vierte mit exakt diesem Titel ist, fühlt sich seine episch erzählte und dank der vibrierenden Kameraarbeit von Matthew Libatique („Black Swan“, „Mother!“) ungeheuer intensive Neuverfilmung zu keiner Sekunde altbacken an. „A Star Is Born“ ist das Debüt eines selbstbewussten, empathischen und großdenkenden Filmemachers – das hätte dem „Hangover“-Star sicherlich nicht jeder zugetraut. Und trotzdem stiehlt Co-Star Lady Gaga (Golden-Globe-prämiert für „American Horror Story“) dem Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller konsequent die Show.

    Nach einem seiner Auftritte in einem ausverkauften Stadion legt der alkoholkranke Country-Superstar Jackson Maine (Bradley Cooper) noch einen Stopp in einer Bar ein, wo an diesem Abend neben einer Reihe von Drag-Queens auch die Kellnerin Ally (Lady Gaga) einen französischen Chanson zum Besten gibt. Jackson ist fasziniert von der bodenständigen jungen Frau und verbringt die Nacht mit ihr philosophierend und liedtextend auf einem Supermarktparkplatz. Am nächsten Morgen lädt er sie zu seinem nächsten Konzert ein – Anreise im Privatjet inklusive. Ally lehnt zwar zunächst ab, fliegt dann aber doch – und wird von Jackson prompt auf die Bühne geholt, um mit ihm gemeinsam ein Duett zu singen. Für Ally ist der viral gehende Auftritt der Startschuss zu einer eigenen Karriere als Popstar. Aber während Ally immer neue Stufen des Ruhms erklimmt, zerbricht Jackson zunehmend an seinen Süchten…

    Die Idee eines weiteren „A Star Is Born“-Films kam schon 2002 auf. Damals übrigens noch mit getauschten Geschlechterrollen: Jennifer Lopez sollte den alternden Mentor und Will Smith den aufstrebenden Star verkörpern. Fast schon sicher in trockenen Tüchern schien gut zehn Jahre später ein Projekt von Clint Eastwood mit Beyoncé und kolportierten männlichen Stars wie Leonardo DiCaprio, Christian Bale oder Tom Cruise in den Hauptrollen – aber dann kam die Schwangerschaft der Sängerin dazwischen. Sicherlich hätten uns einige dieser Verfilmungen mehr und andere weniger gereizt, aber das lange Warten hat sich nun schon aus einem einzigen Grund gelohnt: Lady Gaga, der ihre erste Schauspiel-Oscarnominierung (nach einer Song-Nominierung für „The Hunting Ground“) kaum noch zu nehmen sein wird. Obwohl ihr bei fast 30 Millionen verkauften Alben ja gerade der Superstar-Teil ihrer Rolle besonders naheliegen sollte, ist es vor allem die Art, wie sie das bodenständige Mädchen von nebenan verkörpert, die einen von der ersten Sekunde an mitreißt.

    „A Star Is Born” bleibt trotz der Kamera, die wie bei einer Konzertdokumentation immer ganz nah an den Protagonisten klebt und so eine gewisse Authentizität erzeugt (zumal Cooper extra viel recherchiert hat, um das Konzerterlebnis glaubhaft umzusetzen), eine Hochglanz-Hollywoodproduktion mit allem, was – auch an Klischees – nun mal dazugehört. Aber Cooper gönnt seiner famos aufspielenden Hauptdarstellerin trotzdem etliche kleine Momente, in denen sie ihre archetypische Rolle erden und sie so zu einem Menschen aus Fleisch und Blut machen kann. Darunter etwa ein ganz beiläufiger Moment, in dem sich Ally vor einem Date nicht nur noch schnell unter den Achseln, sondern auch untenrum wäscht. Einfach kurze Augenblicke, die das Hollywoodkalkül durchbrechen und eine Lebendigkeit ermöglichen, die Lady Gaga mit ihrer grandiosen Natürlichkeit kongenial auszufüllen versteht. Dass bei der sechsfachen Grammy-Gewinnerin (bei 17 Nominierungen) auch die Gesangseinlagen sitzen, versteht sich natürlich von selbst – mindestens an zwei Stellen gibt es bei ihren Auftritten (darunter beim ersten Duett mit Cooper) eine echte Gänsehaut-Garantie!

    Etwas vage bleibt hingegen der Teil, wo Ally von dem Musikproduzenten Rez (Rafi Gavron) weg von ihrem eigenen Stil hin zu einem Popsternchen mit Background-Tänzerinnen verbogen wird. Wir sehen sie zuvor ein Chanson in einer Drag-Bar und ein Country-Duett mit Jackson singen – dabei wird nie ganz klar, wie nun eigentlich ihre ganz persönliche Musik aussehen würde, die sie dann aus den Augen verliert. Weit mehr Gedanken hat sich Cooper offensichtlich über die Auftritte von Jackson gemacht – der Country-Stadionsound ist grandios getroffen und die Konzertszenen sind derart spektakulär mit Lens Flares durchsetzt, dass wohl selbst J.J. Abrams vor Neid erblassen würde (selbst wenn sich der „Star Wars 9“-Regisseur inzwischen offenbar von dieser effektiven, wenn auch wenig subtilen Technik distanziert).

    In der englischen Originalfassung hat sich Cooper für seine Rolle eine supertiefe Grummelstimme zugelegt, mit der er sogar Reibeisen-Original Sam Elliott („The Ranch“), der im Film Jacksons Bruder Bobby verkörpert, echte Konkurrenz macht. Aber das ist neben den überzeugenden Bühnenperformances auch schon das auffälligste an seiner Performance. Doch das Wichtigste ist ja eh die Chemie mit seinem Co-Star – und die stimmt zu 100 Prozent, sowohl bei den Duetten auf der Bühne als auch bei den intimeren Szenen hinter den Kulissen. Ebenfalls gelungen sind die feinen Beobachtungen zu den dunklen Seiten des Ruhms. Selbst eine Szene mit einem aufdringlichen Selfie-Jäger ist längst nicht so plakativ, wie sie hätte sein können: Gerade regieführende Schauspieler „rächen“ sich in ihren Filmen ja gerne mal an nervigen Typen oder harschen Kritikern, siehe das Gesamtwerk von Til Schweiger. Aber in „A Star Is Born“ wirken diese Momente stets ehrlich und reflektiert.

    Nicht ganz so überzeugend (abgesehen von einer großartigen, kaum zu ertragenden Fremdschäm-Szene bei der Grammy-Verleihung) ist hingegen das Porträt der ganz zentralen Alkoholerkrankung von Jackson. Für diese findet Cooper zum größtenteils nur Szenen und Momente, die man zuvor auch schon etliche Male ganz ähnlich gesehen hat. Zudem wagt Cooper im Vergleich zu den vorherigen Verfilmungen eine gewichtige Änderung, die zwar eigentlich sehr begrüßenswert und sympathisch ist, ihm aber im letzten Drittel des Films ein ganzes Stück weit den Zug aus dem Plot nimmt: Anders als in anderen Versionen wird Jackson hier auch besoffen nie zu einem Unhold, der seiner Frau den Ruhm missgönnt. Stattdessen entpuppt sich der an einem zunehmenden Hörproblem leidende Musiker als eine rein tragische Figur. So gibt es nach der angesprochenen Grammy-Szene keine weiteren echten dramatischen Höhepunkte mehr – stattdessen plätschert der Film im letzten Drittel vor sich hin, bis Lady Gaga mit ihrem letzten Song noch einmal an die Gänsehaut-Momente der ersten Hälfte anknüpfen kann.

    Fazit: „A Star Is Born“ erzählt eine ebenso epische wie tragische Liebesgeschichte mit einer herausragenden Lady Gaga, die ihren Höhepunkt allerdings schon nach zwei Dritteln des Films erreicht und danach etwas antiklimaktisch mit allzu bekannten Suchtszenen austrudelt.

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