In letzter Zeit kommen so viele Kinderbuch-Verfilmungen und Kinderfilme in die Kinos, dass man schon fast von einer „Rattenfänger von Hameln“-Strategie der Filmindustrie sprechen könnte. Und wenn dann noch so mancher Historiker der Meinung ist, dass der Kinderkreuzzug von 1212, um den sich Ben Sombogaarts abenteuerlicher Jugendfilm „Kreuzug in Jeans“ dreht, die Inspiration für das beliebte Märchen vom Rattenfänger war, setzt das diesem Trend die Krone auf. Die Krönung des historischen Abenteuerfilms ist die Geschichte über das Erwachsen werden und die erste Liebe aber leider nicht geworden.
Ein talentierter Fußballspieler ist Dolf (Joe Flynn) schon, nur mit dem Teamgeist hapert es noch. Nach einem aus Egoismus verpatzten Spiel während der Jugend-Europameisterschaft kommt der 15-Jährige auf die Idee, den Fehler mit Mamas (Emily Watson, Gosford Park) Zeitmaschine ungeschehen zu machen. Dumm nur, dass Dolf sich versehentlich statt wenige Stunden gleich ein paar Jahrhunderte in die Vergangenheit schießt. Dieses Eigentor versetzt ihn ins Jahr 1212, wo er auf die harte Tour lernt, im Team zu spielen: Die Pilger des Kinderkreuzzuges, denen sich Dolf zu einem nicht unwesentlichen Teil wegen der hübschen Jenne (Stephanie Leonidas) anschließt, sind unterernährt, krank und erschöpft. Angeführt vom heiligen Nikolas (Robert Timmins), der nicht viel älter ist als Dolf, und begleitet von Pater Anselmus (Michael Culkin, Das fünfte Element) und Chronist Thaddeus (Benno Führmann, Merry Christmas) zieht die hungrige Meute gen Jerusalem. Unfähig sich selbst zu helfen, nachdem ein erster Versuch zurück in die Zukunft zu reisen gescheitert ist, konzentriert sich Dolf zum ersten Mal in seinem Leben auf seine Mitmenschen... mit überraschendem Erfolg.
Jugendfilme, die auch Erwachsene begeistern, sind ein seltenes Geschenk. „Kreuzzug in Jeans“ ist nun sicherlich kein Reinfall, wenn es um das Prädikat „Unterhaltung für die ganze Familie“ geht. Doch wenn Mama oder Papa historisch interessiert sind und die Authentizität im Auge haben, dürfte es den ein oder anderen kritischen Moment geben. Immerhin ist „Kreuzzug in Jeans“ konsequent unrealistisch - sei es nun die Zeitmaschine in der Gegenwart oder der mittelalterliche Kinderkreuzzug, der wahrscheinlich gar nicht von Kindern geführt wurde. Realismus kann bei einem solchen Film natürlich nicht das höchste Gut sein. Und deswegen tut man gut daran, sich nicht mit allzu großen Erwartungen an den historischen Wert dieses Films in den Kinosessel zu kuscheln.
Im Mittelteil hat „Kreuzzug in Jeans“ so seine Längen. Vor allen Dingen dann, wenn die Begegnung von Neuzeit und Mittelalter mehr Schüleraustausch („Komma kla alder“) zu sein scheint, als alles andere. Kindern dürfte der hohe Anteil an Phantasie und Abenteuer gefallen, der das Buch von Thea Beckmann (unter anderem ausgezeichnet mit dem europäischen Preis für das beste historische Jugendbuch), auf dem „Kreuzzug in Jeans“ beruht, in den Niederlanden zu einem Bestseller machte. Und für Erwachsene bietet „Kreuzzug in Jeans“ genug Handlung und angenehm wenig nervtötende Charaktere für einen Films dieses Genres.
Für Joe Flynn ist es die erste Hauptrolle in einer internationalen Co-Produktion. Dafür macht er seine Sache ziemlich gut. Leonidas sieht man ihre 23 Jahre keineswegs an. Auch die Erfahrung, die sie in Film, Fernsehen und Theater bereits gesammelt hat, ist im Vergleich zu Flynn kaum spürbar. Benno Führmann ist in seiner Rolle als Chronist so platt wie die Leinwand selbst. Ob ein anderer hier hätte mehr rausholen können, ist allerdings fraglich. Udo Kier als Bösewicht im hier und jetzt überzeugt wie immer, aber hat so geringe Anteile, dass diese Leistung die des Ensembles nur um ein Geringes aufwerten kann. Mit Emily Watson und Herbert Knaup sind die weiteren Erwachsenen-Rollen zwar gut besetzt, doch insgesamt bleiben alle schauspielerischen Leistungen mittelmäßig bis gut.
So klar wie das Ziel des Kinderkreuzzuges ist auch so manche Wendung in „Kreuzzug in Jeans“. Aber wer die Buchvorlage ohnehin kennt und liebt, wird daran nicht weiter Anstoß nehmen – schließlich sind die Harry-Potter-Verfilmungen auch nicht wegen ihrer überraschenden Plot-Twists so unterhaltsam. Die Mär vom Altern im Mittelalter ist als „Coming of Age“-Geschichte zwar etwas verdreht – im Buch sind Jenne und Dolf nie mehr als gute Freunde – aber die Botschaft an sich und Dolfs Wandlung vom ich-bezogenen Fußballer zum Kämpfer für das Allgemeinwohl sind gut nachvollziehbar. Störend ist teilweise die Abhandlung gängiger Mittelalter-Klischees: Kreuzzug, Ketzer, Schwarzer Tod, Heilige, Raubritter und Jungfern in Not – ausgelassen wird hier wenig. Alle sind dreckig, hungrig und gottesfürchtig – haben aber trotzdem kein Problem damit, sich im Fall der Fälle als Luzifers Eleven zu verkleiden. Wie praktisch. Auch die Überlieferung des rettenden Manuskripts in 1A Qualität ist mehr als unglaubwürdig. Den meisten Kindern dürften solche Details jedoch ziemlich egal sein.
Fazit: Auf dem Altar der Glaubwürdigkeit müssen schon ein paar Opfer gebracht werden, um „Kreuzzug in Jeans“ auch als Erwachsener unterhaltsam zu finden. Wenn man aber bereit ist, sich trotz mancher Unzulänglichkeit auf den Jugendfilm einzulassen, wird man besser unterhalten als in so manchem schnell zusammen-animiertem Abenteuer, dass mit großem Tand und unzähligen Trailern voll schmissiger Rattenfänger-Songs zu Tode promotet wird.