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    Whisky mit Wodka
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Whisky mit Wodka
    Von Christian Horn

    Andreas Dresen ist vor allem für seinen semi-dokumentarischen, improvisierten Stil bekannt und wird reflexartig mit Halbe Treppe assoziiert. Bei genauerem Hinsehen zeichnet sich jedoch ganz deutlich eine auf den ersten Blick unerwartete Vielseitigkeit ab: Nach „Halbe Treppe“ drehte Dresen einen kleinen, lustigen Dokumentarfilm (Herr Wichmann von der CDU), um daraufhin wiederum eine Inszenierungsweise auszuloten, die der von „Halbe Treppe“ völlig gegenläufig ist: Sein Drama Willenbrook mit Axel Prahl ist nach einem minutiös organisierten Drehbuch entstanden und wartet mit komplex arrangierten Bildern auf – von Improvisation keine Spur. Der Folgefilm, Sommer vorm Balkon, stellt dann so etwas wie die Synthese aus Improvisiertem und Inszeniertem dar und kontrastiert darüber hinaus den schweren, eher düsteren „Willenbrook“ mit einer zwar mitunter tragischen, vom Grundton her jedoch beschwingten und komischen Geschichte. Einen Kontrast zu „Sommer vorm Balkon“ baut wiederum Dresens vorvorheriger Film auf: Wolke 9 (Deutscher Filmpreis für die "Beste Regie"). Die viel gelobte Charakterstudie unternimmt wieder dieses „Hereinkriechen in die Realität“ (ein Ausdruck von Dresen selbst), das auch schon „Halbe Treppe“ auszeichnete und ist im Gegensatz zu „Sommer vorm Balkon“ weniger „leicht“ und mehr improvisiert. Der neue Dresen nun, „Whisky mit Wodka“, ist am ehesten mit „Sommer vorm Balkon“ vergleichbar. Und das liegt nicht nur daran, dass der ungeheuer talentierte Wolfgang Kohlhase („Solo Sunny“) erneut das Drehbuch geschrieben hat, sondern vor allem daran, dass wir es wieder mit einer Tragikomödie zu tun haben und wieder mit einem „inszenierten“ Dresen.

    Otto Kullberg (Henry Hübchen, Alter und Schönheit) ist ein gealterter Star der deutschen Kinolandschaft. Mit seinem Namen in der Besetzungsliste kann an der Kasse aber nach wie vor nicht allzu viel schief gehen und aus diesem Grund hat Regisseur Martin Telleck (Sylvester Groth, Buddenbrooks) ihn für seinen neuen Film besetzt. Doch am Set macht Kullberg Probleme: Er trinkt zu viel. Als er während eines Drehs zusammenbricht, greifen Telleck und sein Produzent zu einem kuriosen Trick, um Kullberg zu disziplinieren: Als Zweitbesetzung für Kullberg wird der deutlich jüngere Arno (Markus Hering) angeheuert. Fortan sollen alle Szenen doppelt gedreht werden, falls der Altstar den Dreh nicht beenden kann. Die beiden Schauspieler liefern sich ein intensives Duell, denn schließlich will jeder im fertigen Film zu sehen sein. Lügen, Intrigen und fiese Tricks bleiben dabei nicht aus und die Story des so ambitionierten wie banalen Films im Film schwappt zunehmend aufs Set über…

    Die Filmographie des Autorenfilmers, als den sich Andreas Dresen selbst nicht bezeichnen würde, kann als Abfolge von „leichten“ und „schweren“ Stoffen, von improvisierter und geplanter Drehweise gelesen werden, wobei Mischformen nicht ausgeschlossen sind. Dadurch ergibt sich eine Reibungsfläche zwischen den Filmen, die sich nie wiederholen, auch wenn Dresen ad hoc immer wieder mit „Halbe Treppe“ in Verbindung gebracht wird. Und das sei schon mal vorweg genommen: „Whisky mit Wodka“ ist einer der besten Filme des Regisseurs.

    Kaum zu glauben, aber wahr: Die Grundidee von „Whisky mit Wodka“ ist von einer wahren Begebenheit inspiriert. 1957 inszenierte Kurt Maetzig einen Film für die DEFA, bei dessen Dreharbeiten der Hauptdarsteller gerne mal einen über den Durst trank. Wie in Dresens Film wurde eine Zweitbesetzung engagiert, um den Darsteller unter Druck zu setzen. Der große DEFA-Regisseur Frank Beyer (Spur der Steine) fungierte bei der Produktion als Regie-Assistent, hielt die Anekdote für einen guten Filmstoff und erzählte sie Wolfgang Kohlhase. Der wiederum trug sie Dresen zu - aus der Anekdote wurden eine Geschichte und schließlich ein Film.

    „Ich hab mich damals auf dem Klo gebildet. Leider konnte ich nicht so viel scheißen, wie ich hätte lesen sollen.“ - Otto Kullberg

    Diese und unzählige weitere kultverdächtige Drehbuchzeilen aus „Whisky mit Wodka“ merkt man die lakonische Handschrift Kohlhases deutlich an. Und dass die Tragikomödie zum Bersten voll mit solchen Sprüchen ist, ohne dabei dem reinen Klamauk zu verfallen, ist einer der größten Pluspunkte des Films. Nun bringen die besten Oneliner nichts, wenn sie nicht von guten Darstellern transportiert werden. Und auch da sind Dresen gleich eine ganze Reihe wahrer Glücksgriffe gelungen: Bis in die kleinsten Nebenrollen ist sein Film perfekt besetzt, die Chemie zwischen den Figuren stimmt und alle Darsteller finden eine angemessene Balance zwischen Komik und Tragik.

    Auch die hervorragende Inszenierung Dresens trägt zum rundum gelungenen Gesamtergebnis bei. „Whisky mit Wodka“ hat keine schwache Szene, immer wird etwas wertes erzählt und meistens darf gelacht werden. Auf erfrischend unverkopfte Art und Weise spielt „Whisky mit Wodka“ mit der Film-im-Film-Ebene. Und es ist beachtlich, wie greifbar selbst die Nebenfiguren werden, weil Dresen sie eben in kleineren und größeren Momenten so absolut präzise beobachtet. Trotz aller Komik ist der Film nie oberflächlich. Vielmehr erzählt er von Themen wie Ersetzbarkeit, verkorksten Liebesbeziehungen und dem Älterwerden. Und von großen und kleinen Lügen.

    Fazit: Ein raffiniertes Drehbuch, glänzende Darsteller und der sensible Blick Andreas Dresens gehen in „Whiskey mit Wodka“ perfekt ineinander. Herausgekommen ist ein urkomischer, aber dennoch ernsthafter Film – eine Tragikomödie par excellence. Und was die Sprüche angeht: Die kann man nicht nacherzählen, die muss man gesehen haben.

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