Tom und Gerri sind schon viele Jahre verheiratet. Sie verbringen sehr viel Zeit in ihrem Haus, bekommen Besuch von Freunden und Arbeitskollegen, warten auf den Besuch ihres Sohnes. Eine der gemeinsamen Leidenschaften, die die beiden verbindet, ist die Arbeit in ihrem Gartengrundstück. Sie pflanzen ein, pflücken und ernten Tomaten und sitzen in ihren Arbeitspausen in einer kleinen Holzhütte am Rand der Beete und trinken Tee.
Es scheint normal, dass die stürmische Leidenschaft füreinander einer ruhigen und tiefen Verbundenheit gewichen ist, dass sie Erfüllung darin finden, nebeneinander zu sitzen, während er Zeitung liest und sie sich bei ihm anlehnt, wenn sie das Bedürfnis danach verspürt. Es scheint ein ganz normales weiteres Jahr zu sein, das die Beiden in völligem Vertrauen zueinander und miteinander verbringen werden. Und wenn ab und zu die quirlige Arbeitskollegin Mary vorbeischaut bei ihrem holprigen Suchen nach einer dauerhaften Bindung, lächeln die beiden nur altersmilde. Wenn ein alter Freund der Familie mittlerweile regelmäßig trinkt und im Kummer zu ertrinken scheint, trösten die beiden nachsichtig und aufbauend.
Wenn Mike Leigh in diesen ersten Bildern den Film in eine betuliche Richtung zu lenken scheint, so zeigt sich doch recht schnell der Schwerpunkt auf dieser intakten Beziehung, um die sich im Laufe diesen Jahres alles drehen wird. Mit fortlaufender Dauer komplettiert sich das Bild der Beiden nicht nur in ihrer dosierten und vertrauten körperlichen Nähe, sondern auch in einer Bewusstheit, die sie miteinander leben. Ein Miteinander, das nach wie vor nach vorne schaut, das sich der Zeit miteinander immer wieder gewahr wird und so gut es nur irgend geht, die Zeit miteinander verbringt.
Die Vergänglichkeit zeigt sich in diesen Szenen ebenso wie in den Gesichtern von Ruth Sheen und Jim Broadbent. Was die Beiden letztendlich daraus machen, wie sie diese Figuren leben, wie sie diese gemeinsame Lebendigkeit auf der Leinwand erwecken, wie sie dieses gegenseitige Vertrauen „spielen“, ist fast schon dokumentarisch. Es sind reife Persönlichkeiten und es sind ambivalente Personen, die im Laufe der Geschichte ebenso einer Entwicklung folgen wie die Geschichte selbst.
Das Personengeflecht um die Beiden wird klarer: der Sohn, Sorgenkind, weil anfangs noch lange Single, wird von der Mittvierzigerin Mary krampfhaft umworben, sie wiederum lässt Ken, den Witwer, mit ihrer Ablehnung noch mehr in den Alkohol sinken, und als der Sohn endlich eine Freundin mit nach Hause bringt und Mary zu eifersüchteln beginnt, bricht der trügerische Friede auf. Und auch der Film bricht auf, er zeigt genau an dieser Stelle, dass er sich seiner Figuren bewusst ist, wie sie denken und wie sie handeln, und ab hier wird aus leicht melancholischer Unterhaltung eine Reflexion über das Leben und seine Menschen.
Mike Leigh bindet die Geschichte in den Verlauf der vier Jahreszeiten ein, und diesen Kunstgriff hätte der Film nicht nötig gehabt, denn die Geschichte entwickelt so schon ein ungeheuer menschliche Kraft. Vielleicht war es aber auch gut, einen kurzen Cut einzuschieben, denn was im „vierten Akt“, der Winter-Episode folgt, ist nicht nur superb gespielt, sondern konzentriert die Aussage des Films in jener hoffnungslosen Szene, in der Ronnie, der verlernt hat zu leben, auf Mary trifft, die zu viel leben möchte und dabei den Moment vergisst. Mary redet, fragt immer wieder, unsicher, da sie die Stille nicht ertragen kann, Ronnie antwortet, ein Wort, dann noch eins, dann wieder keines, ein Blick, Leere, er versucht sich zu erinnern, kann mit dieser Wörterflut nichts anfangen, ist überfordert, die gemeinsame Zuflucht bietet nur noch die Zigarette auf dem Balkon.
In der letzten Einstellung wird es still um Mary, keine Worte mehr, die Kamera verharrt auf ihrem vom Leben enttäuschten Gesicht, und Leigh gelingt in dieser letzten Szene der Perspektivwechsel. Das nächste Jahr wird kommen, und auch dieses wird vorbeigehen. Und es werden nicht Tom und Gerri sein, die einer verpassten Zeit nachtrauern werden.