Vier Schlagworte, die den Coen-Brüder-Klassiker „Fargo“ auf den Punkt bringen: urkomischer Dialekt, Brutalität, skurrile Situationen und schwarzer Humor. In ihrem sechsten Spielfilm kehren Joel und Ethan Coen wieder zurück zu ihren Wurzeln - in die ländlichen Gegenden von Minnesota. Dort, wo die Zeit etwas langsamer zu vergehen scheint, wo die Menschen eher wortkarg und langweilig sind und wo raue Winter noch an der Tagesordnung stehen, spielt sich ein perfides Verbrechen ab.
Der spießige Autohändler Jerry Lundegaard (William H. Macy) steht vor dem finanziellen Ruin. Um sich aus der Misere zu befreien, spekuliert er auf das Geld seines vermögenden Schwiegervaters Wade Gustafson (Harve Presnell). Doch das ist nicht ganz einfach, denn der sitzt fest auf seinem Vermögen und rückt so schnell nichts raus. Da kommt Jerry die ultimative Idee: Er heuert zwei Kleinganoven (Steve Buscemi und Peter Stormare) an, die seine Frau (Kristin Rudrüd) entführen sollen. Von dem Lösegeld, das natürlich nicht Jerry, sondern sein Schwiegervater zahlen soll, geht ein Teil an die Gangster, der Rest hilft Jerry aus der finanziellen Misere. Eigentlich ein einfacher Plan, doch Jerry hat die geistige Größe der Kriminellen überschätzt und es geht einfach alles schief, was schief gehen kann. Aus dem unblutig geplanten Scheinverbrechen wird ein brutaler Amoklauf, der viele unschuldige Opfer fordert. Die hochschwangere Kleinstadt-Polizistin Marge Gunderson (Frances McDormand) heftet sich an die Fersen des gewalttätigen Gangsterduos und eine verbissene Verbrecherjagd beginnt.
Auf das Konto des geschwisterlichen Filmemacher-Gespanns Joel und Ethan Coen gehen einige der großen Kultfilme unserer Zeit: „The Big Lebowski“, „The Man Who Wasn’t There“ und auch „Barton Fink“, das dritte geniale Coen-Werk. Auch „Fargo“ darf auf dieser Kultliste nicht fehlen, denn mit der tiefschwarzen Krimi- Komödie beweisen die Coens einmal mehr, dass sie zu den ganz Großen in Hollywood zählen. Der Film lebt vor allem von seinen grandiosen Hauptdarstellern und deren übertriebenem Original-Minnesota-Dialekt, der leider in der synchronisierten Fassung verloren geht. Die eigenwilligen Ausdrücke und die Klangfarbe der Sprache werden unweigerlich zu einem der komischen Highlights des Films. Das breitgezogene Ami-Englisch verleiht der Geschichte einen ganz speziellen Charme und lässt die Charaktere auf eine liebenswürdige Art allesamt wie naive Hinterwäldler aussehen. Besonders Frances McDormand überzeugt in ihrer Rolle als gutmütige, hochschwangere Dorfpolizistin und wurde dafür 1997 zurecht mit einem Oscar belohnt.
Daneben glänzen auch Steve Buscemi, der sein Können bereits in mehreren Coen-Filmen unter Beweis stellen durfte, und Bruce-Willis-Look-Alike Peter Stormare als ungleiches Kleinganoven-Duo. Obwohl Stormares Sprechrolle sich auf wenige Einwürfe und auf noch weniger ganze Sätze beschränkt, gibt er mit seinem kühlen Auftreten der Rolle des brutalen Psychopathen Gaear Grimsrud eine gewisse Komik und wirkt so teilweise als Bruce-Willis-Superhelden-Parodie. Steve Buscemi, dessen Charakter Carl Showalter im Film ein wirklich ekelhaftes Ende findet, bildet das exakte Gegenstück zu seinem Partner. Mit seinem Dauergeschwätz bringt er wirklich jeden um den Verstand und der Zuschauer wird den ganzen Film über das Gefühl nicht los, dass Reden wohl das Einzige ist, was Carl Showalter kann. Nicht zu vergessen ist die schauspielerische Leistung von William H. Macy in der Rolle des biederen Autohändlers Jerry Lundegaard. Es wirkt fast surreal, wie er zusammen mit Sohn und Ehefrau um den gedeckten Tisch sitzt und seinem Sohn wegen eines Schimpfwortes zurecht weist, während er hingegen die Entführung seiner eigenen Frau plant. Immer bemüht um ein makelloses Bild seiner Familie bedient Jerry Lundegaard wirklich alle Stereotypen des typisch mittelständigen Spießbürgers und so teilt „Fargo“ unweigerlich ein paar schwere Seitenhiebe auf das amerikanische Spießertum aus.
Um den Film richtig genießen zu können, braucht der Zuschauer eine ordentliche Portion schwarzen Humor, denn wer die teils brutalen Szenen zu ernst nimmt, dem wird „Fargo“ vielleicht missfallen. Meistens sind es die gewalttätigsten Szenen, die wegen ihrer Coen’schen Situationskomik unweigerlich zu Lachausbrüchen führen. Für ihre grotesken Einfälle wurden die Coen-Brüder sogar mit dem Oscar für das beste Drehbuch belohnt, denn genau diese skurrilen Ideen machen „Fargo“ zu einem echten Kultklassiker.
Eine große Rolle spielt auch die Kulisse, welche die Coens für „Fargo“ gewählt haben. In ihrem Heimatstaat Minnesota, einem Bundesland, das weder die Weltbevölkerung noch die meisten US-Amerikaner sonderlich interessiert, scheinen die Uhren etwas anders zu gehen. Die Einwohner geben sich stets freundlich, sind aber naive Hinterwälder, die ohne große Überraschungen konstant vor sich hinleben. Grundsätzlich scheint nicht viel zu passieren in dem verschneiten Staat und selbst ein dreifacher Mord ändert nichts an der gelangweilten Einstellung der Einheimischen. So müssen zum Beispiel Marge und ihr Kollege den Tatort alleine besichtigen, denn den anderen ist es schlicht weg zu kalt, um ihrer Polizeiarbeit nachzugehen. In der verschneiten Winterlandschaft, die dem Zuschauer eine nicht existierende Harmonie vorgaukelt, hebt sich das viele Blut, das im Film fließt, deutlich vom weißen Schnee ab und wirkt wie ein farblich aufeinander abgestimmtes Gesamtkunstwerk.
Mit „Fargo“ ist ohne Zweifel eine der bösesten und schwärzesten Komödien der 90er entstanden, die ihr Publikum mitnimmt in eine Welt zwischen himmlischer Harmonie und blutiger Brutalität. Wer mit der besonderen Komik der Coens nichts anfangen kann, der sollte dem Film eine zweite Chance geben, denn im Original ist „Fargo“ noch einmal ein Quäntchen besser als in der deutschen Synchronfassung. Neben dem pechschwarzen Humor ist es genau dieser Hinterwäldler-Minnesota-Dialekt, der „Fargo“ zu jenem unvergesslichen Filmerlebnis macht, das einen Kultklassiker auszeichnet.