Mit „Kopf oder Zahl“ hat das Regisseurs-Duo Benjamin Eicher und Timo Joh. Mayer einen düster daherkommenden Neo-Noir-Film gedreht, der sich ganz schnell als sinnfreies und nervtötendes Machwerk entpuppt. Dabei sind deutsche Beiträge zu dem Genre eine Seltenheit und es ist durchaus originell, Berlin als Sin City, als Moloch ohne Hoffnung und Menschlichkeit zu zeichnen. Da die beiden Filmemacher ihrer Endzeitvision jedoch kein Leben einhauchen können, sondern mit dem angestrengten und inflationären Einsatz von hektischen Schnitten und schrägen Perspektiven nur an der Oberfläche bleiben, wird der Übersättigung und letztlich der Langeweile Vorschub geleistet.
Eicher und Maier verbinden verschiedene Geschichten durch eine Reihe von Zufällen: Da haben wir den knallharten, durch und durch korrupten Polizisten Ron (Ralf Richter, Was nicht passt, wird passend gemacht), ein Hardboiled Detective nach amerikanischem Vorbild. Sein junger, idealistischer Partner Phillip (Tyron Ricketts, „Kanak Attack“) ist entsetzt über den kalten Egoismus Rons. Richie (Mark Keller, 1 1/2 Ritter) ist als frisch aus dem Knast entlassener Ex-Zuhälter mindestens ebenso abgebrüht, aber er will mit seinem Sohn Tommy (Joshua Keller) ein neues Leben anfangen. Das ist alles andere als einfach, denn Richies Ex-Partner, der ultrabrutale Thomas (Dirk Heinrichs), will Richie nicht aussteigen lassen und verleiht dieser Erwartung mit seinen beiden neuen Handlangern Aron (Afrob) und Samy (Harris) Nachdruck. Auch der illegale Einwanderer Milos (Heinz Hoenig, Das Boot) ist in den Schlamassel verstrickt: Er verkauft auf der Straße Heroin, um seiner Tochter Irina (Jana Pallaske, Was nützt die Liebe in Gedanken) Geld schicken zu können. Die ist inzwischen selbst in Deutschland und wird von Thomas auf den Strich geschickt. Fehlt nur noch die karrieregeile TV-Moderatorin Valerie Kaiser (Saskia Valencia), die in der Öffentlichkeit Ausländerfeindlichkeit anprangert, privat jedoch eine mit einem Schwarzen verheiratete Rassistin ist. Der Stein kommt ins Rollen, als ein Kilogramm Heroin den Besitzer wechselt. Es folgen viele Zufälle, reichlich Brutalität und einige Leichen.
In „Kopf oder Zahl“ wird ein mehr als trostloses Bild von Deutschland gezeichnet. Es wird zwar nie ausgesprochen, aber der Schauplatz dieser pessimistischen, sich sozialkritisch gebenden Gangsterpistole ist zweifelsfrei die Hauptstadt. Ein Berlin, in dem jeder Dreck am Stecken hat. Die Fassaden bröckeln, selbst grundgute Menschen werden zu illegalen Taten gezwungen. Zwangsprostitution, Ausländerhass, korrupte Polizisten, eiskalte Zuhälter, heroinspritzende Kinder – das alles gehört hier zum Alltag der Metropole.
Eicher und Mayer inszenieren die emotional ausgebrannte Tristesse im Musikvideo-Stil. Mit eingefärbten Bilder, mit denen die düstere Stimmung untermauert werden soll, der sehr hohen Schnittfrequenz und einem Soundtrack, der vorwiegend aus aufdringlichen Hip-Hop-Nummern besteht werden permanent penetrante Reize gesetzt. In dieser durchgestylten Oberflächlichkeit haben tiefergehende Figurenzeichnung und Themenentwicklung keinen Platz. Diese selbstverliebte Inszenierung hält trotz der konfliktreichen Krimihandlung noch nicht einmal eine Grundspannung aufrecht.
Knarren, Nutten, Heroin sind das ewige Credo des Films. Eine Großaufnahme vom Hintern der Moderatorin, die Sonnenstrahlen reflektierende Glasfassade eines Hochhauses, ein zugemüllter Hinterhof – mehr als fragwürdiges Schwelgen in überinszenierten Einstellungen hat „Kopf oder Zahl“ kaum zu bieten. Das prätentiöse und pseudokritische Werk wird mit abgenutzten Weisheiten wie „Am Ende ist man immer allein“ abgerundet.
Die Darsteller können ihre schablonenartigen Figuren nicht mit Tiefe über den reinen Verweischarakter hinaus versehen. Der Haudrauf-Rhythmus des Films, die Aneinanderreihung von Zufällen lässt den Schauspielern keine Chance zur Entfaltung. Brutaler Zuhälter, korrupter Bulle, gewissenlose Medientussi – jede Rolle ist klischeehaft und lässt sich mit zwei Worten beschreiben.
Benjamin Eichers und Timo Joh. Mayers Versuch, in einer actionlastigen Genregeschichte soziale Missstände anzuprangern und zum Nachdenken anzuregen, geht gehörig schief.