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    32 A - It's A Girl Thing
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    32 A - It's A Girl Thing
    Von Sascha Westphal

    Darauf gehofft hat die fast 14-jährige Maeve natürlich, aber so richtig daran glauben, konnte selbst sie nicht. Dafür war schon ihre erste echte Begegnung mit dem ein paar Jahre älteren Mädchenschwarm Brian Power zu märchenhaft. Doch dann passiert dieses kleine Wunder mit einmal doch. Brian steht im Regen vor der Tür ihres Elternhauses und will sie sehen. Hereinbitten möchte Maeve ihn nicht, dafür sind ihre Eltern und ihre kleinen Geschwister viel zu neugierig, aber einfach irgendwo mit ihm Hingehen ist auch nicht drin. Also setzen sich die beiden in dem schmalen Vorraum zwischen einer Art Fliegentür und der eigentlichen Haustür auf den Boden und reden darauf los. Als ihnen die Worte schließlich doch ausgehen, gibt Brian ihr zum Abschied den ersten Zungenkuss. Diesen himmlischen Moment kann Maeve niemand mehr nehmen. Sie wird sich für immer an ihn erinnern. Daran lässt Marian Quinn in „32 A – It’s A Girl Thing“ keinen Zweifel. Die ungeheuere Zartheit und die erstaunliche Genauigkeit, mit denen sie in diesem Augenblick Maeves Gefühle einfängt, heben ihren ersten Langfilm aus der großen Masse der Coming-of-Age-Geschichten weit heraus. Näher als in dieser Szene, in der das schmerzliche Ende einer ersten Liebe als Ahnung unentwegt präsent ist, kann ein Film dem immer auch von Melancholie umwehten Zauber des Erwachsenwerdens nicht kommen.

    Dublin, 1979. Noch sind Maeve Brennan (Ailish McCarthy) und ihre drei besten Freundinnen Ruth Murray (Sophie Jo Wasson), Orla Kennedy (Orla Long) und Claire Fox (Riona Smith) praktisch unzertrennlich. Jeden Morgen treffen sie sich auf dem Weg zu der streng katholischen Klosterschule, die sie besuchen. Nachmittags sitzen sie dann zusammen im Park und träumen von der Zukunft. Immer wieder drehen sich ihre Gespräche um BH-Größen und die Jungen, die ihnen gefallen. Sie alle fühlen sich schon ganz erwachsen und sehnen die Zeit herbei, in der sie von Eltern und Lehrern nicht mehr wie Kinder behandelt werden. Doch das Ende der Kindheit stellt auch ihre Freundschaft auf eine erste große Probe. Ruth hat gerade zum ersten Mal seit Jahren einen Anruf von ihrem Vater erhalten, der sich mit ihr treffen will. Nur weiß sie nicht, was sie davon halten soll, also bittet sie ihre drei Freundinnen, sie zu begleiten. Nun muss Maeve sich entscheiden, denn Brian (Shane McDaid) hat sie ausgerechnet für diesen Abend in eine Disco eingeladen.

    Viele Coming-of-Age-Dramen und -Komödien werden letztlich von der Diskrepanz zwischen den Erfahrungen ihrer jugendlichen Helden und dem nostalgischen, aber eben auch erwachsenen Blick der Filmemacher wenn nicht innerlich zerrissen, so doch zumindest in einen tiefen Zwiespalt gestürzt. Der Schauspielerin und Filmemacherin Marian Quinn ist es nun gelungen, genau diese Ambivalenz hinter sich zu lassen und die für das Genre sonst so prägenden Widersprüche zu transzendieren. Zum einen ist ihr Blick auf das Dublin der späten 70er Jahre frei von jeder nostalgischen Trübung. Trotz – oder vielleicht auch gerade aufgrund – des eher schmalen Budgets, das ihr zur Verfügung stand und das keinerlei Ausstattungsorgien zuließ, wirkt ihr Film ungeheuer authentisch. Zusammen mit ihrem Kameramann P.J. Dillon hat Marian Quinn Einstellungen und Bilder gefunden, in denen die Hintergründe immer etwas verschwimmen. So konnten sie neuere Gebäude genauso wie die neuen Farben und modernen Formen, die mittlerweile das Aussehen Dublins prägen, verschwinden lassen. Zugleich zeichnet sich aber Maeves kleine Welt zwischen Schule und Kinderzimmer, Park und Disco vor dem etwas unscharfen Hintergrund umso klarer ab. Schließlich ist diese 13-Jährige ganz damit beschäftigt, ihre erste Liebe zu erleben. Im Vergleich dazu ist alles andere sowieso unwichtig.

    Marian Quinn bleibt zudem immer ganz nah dran an ihren jugendlichen Heldinnen, für die sie vier grandiose Darstellerinnen gefunden hat, die in jeder Szene des Films ganz und gar glaubhaft und natürlich wirken. So kann Quinn die Welt genau so zeigen, wie Maeve und Ruth sie sehen. Dazu passen dann auch die leicht verzerrten Porträts der Erwachsenen. Schließlich haben Lehrer in den Augen ihrer Schüler meist etwas von Karikaturen. Maeves Eltern und Ruths Mutter müssen dem Betrachter zwangsläufig ein wenig fremd bleiben. Den beiden Mädchen geht es ja nicht anders, suchen sie doch nach einem eigenen Weg, auf dem sich Respekt und Revolte zu einem komplexen Gemisch verbinden. Und genau dieses letztlich nicht mehr in seine einzelnen Teile zu trennende Gemisch ist es, das Marian Quinn besonders interessiert. Ihre Heldinnen müssen sich durch eine Zeit der inneren Kämpfe und Widersprüche schlagen. Aufbruch und Aufbegehren gehen Hand in Hand so wie für Maeve der erste Kuss und der erste Joint. Doch die Sehnsucht nach der heilen Zeit der Kindheit, der Geborgenheit im Kreis der Familie und der Freundinnen, ist genauso stark wie die nach einem eigenen Leben. Und für beide Sehnsüchte hat Marian Quinn in ihrem Debüt wundervolle, unvergessliche Szenen und Bilder gefunden.

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