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    Prinzessin Lillifee
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Prinzessin Lillifee
    Von Jan Hamm

    Wenn eine ehemalige Modedesignerin ins Kinderbuchfach wechselt, ist es nicht überraschend, dass das Resultat ganz im Zeichen von Glitzer und Glamour steht - nur eben in kindgerechter Form. Der pädagogische Wert von Monika Finsterbuschs „Prinzessin Lillifee“-Büchern ist aufgrund affirmativ aneinandergereihter Geschlechterklischees zwar eher zweifelhaft, den Nerv ihres ganz kleinen Publikums hat sie damit aber genau getroffen. Lillifees heillos harmlose Welt besteht aus einem Kleiderschrank in XXL, einem kunterbunten Schloss mit lustigen Bediensteten und jeder Menge Rosa – also aus allem, was für sechsjährige Mädchen vermeintlich rollengerecht ist. Und wie immer, wenn die Kasse klingelt, ist die Expansion in andere Medien nur eine Frage der Zeit. Hörspieladaptionen und ein Musical (angeblich „für Kinder und Erwachsene“) sind schon durch. Nun folgt der obligatorische Kinofilm. Der ist erstaunlicherweise tatsächlich auch für Erwachsene geeignet, ein fettes Augenzwinkern vorausgesetzt. Versehentlich gelang dem für die Umsetzung zuständigen Regie-Trio - bestehend aus Ansgar Niebur, Zhijian Xu und Alan Simpson – nämlich eine boshafte Groteske auf die Illusion der kapitalistischen Heilslegende. Beabsichtigt aber war ein Kinderfilm - und als solcher ist „Prinzessin Lillifee“ ein immerhin passables Märchen, das sein Zielpublikum lieber hofiert, anstatt es herauszufordern.

    In Rosarien ist die Welt noch in Ordnung. Jeden Morgen wird Prinzessin Lillifee in ihrem Schlossschlafzimmer mit Panoramablick von fröhlichem Vogelgezwitscher geweckt, während das faule Hausschwein Pupsi ihr das Frühstück wegfrisst. Macht aber nichts, denn negative Emotionen sind Lillifee völlig fremd. So nimmt die Prinzessin Pupsi auch jeden Tag aufs Neue zum Rundflug über ihr Königreich mit. Dabei entgeht ihr, dass die benachbarten Feen derweil gewaltigen Schabernack mit ihrem Elfenvolk treiben. Feuer, Eis, Glück und die anderen Feengesellen sind egoistisch geworden und scheren sich nicht um den Sachschaden, den sie bei ihren wilden Flugwettrennen anrichten. Die leidtragenden Bauern haben bald die Faxen dicke und setzen Lillifee ein Ultimatum: Entweder bringt sie die Feen zur Vernunft, oder sie verliert ihr Volk ans Nachbarland Blutopia. Bis zum nächsten Vollmond muss die Prinzessin der Selbstsucht ihrer Artgenossen beikommen...

    Anders erzählt würde die Geschichte folgendermaßen lauten: Allmorgendlich verkündet die Feenpräsidentin eine harmonische Welt. Der Volksfrust aber bleibt ihr verborgen. Das Kabinett ist ein egozentrisches Pack, das sich schon länger nicht mehr um seine Verpflichtungen kümmert. Der für die Mühlen nötige Wind, das für wohlige Wärme zuständige Feuer und das für jede Wirtschaft unerlässliche Glück sind mit Wettrennen (sprich: Machtspielchen) beschäftigt. Irgendwann hat das Volk die Schnauze voll und will ins rosafreie Blutopia verduften. In letzter Sekunde bringt die Präsidentin ihr selbstgerecht herumwütendes Kabinett zur Raison, natürlich mit einem Trick. Deren Geltungssucht ausnutzend verspricht sie gleich allen eine Hauptrolle in einem Musical und trickst sie damit zur Zusammenarbeit. Die Aufführung gelingt und das getäuschte Volk jubelt. Die Durchhalteparole ist angekommen, das Heilsversprechen erneuert.

    Doch zuguterletzt obsiegt die egoistische Natur der Feen – der Film endet mit einem erneuten Wettfliegen vor gewohnt himmelschreiend kitschiger rosa Kulisse, während ein ehrlicher Neuanfang im blauen Utopia in weiter Ferne bleibt. „Prinzessin Lillifee“ fährt eine versehentliche Subversivität auf, an der sich offen kapitalismuskritische Filmemacher oft die Zähne ausbeißen. Dabei will der Film eigentlich bloß ein kindgerechtes und pädagogisch wertvolles Märchen sein. Die Erzählung soll Solidarität als Wert vermitteln und Kindern spielerisch aufzeigen, wie schön und erfolgreich gemeinsame Anstrengung anstelle von Egotrips sein kann. Problematisch ist dabei, dass die Figuren nicht in einen Dialog treten, sich nicht mit ihren eigentlichen Konflikten auseinandersetzen. Der Spaß, den die Feen am Musical haben, speist sich aus dem Publikumsapplaus und damit einmal mehr aus purer Selbstdarstellung, statt aus einer tieferen Einsicht. Hier verschenkt „Prinzessin Lillifee“ das Potential, sein junges Publikum mit einer echten Problematisierung angemessen herauszufordern.

    Gelungen ist hingegen die Vermittelung einer anderen für Heranwachsende wichtigen Botschaft: Jeder durchlebt mal ein Tief, das ist ganz normal – schreib dich deshalb nicht gleich ab! Neben einem meditierenden Zen-Frosch, der geduldig auf einen Kuss und die damit erhoffte Transformation in einen Prinzen wartet, bedient sich der Film zur Verbildlichung seines Appells auch anderer bekannter und kindgerechter Märchenmotive. Sobald Lillifee den Glauben an sich selber und damit einen glücklichen Ausgang des Konflikts verliert, sprießen grimm’sche Dornenranken aus ihrem Schloss. Statt rosanem Glitzer versprüht ihr Zauberstab fortan graue Staubmotten. Doch mit dem Beistand ihrer Freunde gewinnt Lillifee ihr Selbstvertrauen zurück und vertreibt die Dunkelheit. Hier ist der Film angenehm transparent und erfüllt immerhin einen Teil des selbstgesteckten pädagogischen Anspruches.

    Visuell wird geboten, was auf Basis der Buchvorlage zu erwarten war: Eine bunte und detailarme Zeichentrickwelt, die mit ihren klaren und flächigen Bildern selbst für die kleinsten Kinogänger problemlos goutierbar ist. Die einzige stilistische Abweichung kommt mit der eigens für den Film ersonnenen Feentruppe und ihrem Animé-Touch, der dank „Pokémon“ und Konsorten auch hierzulande längst salonfähig ist. Anders als beim 3D-Abenteuer Der Mondbär, Lillifees Vorgänger aus dem produzierenden Hause Caligari, verlässt sich der Film größtenteils auf gezeichnete 2D-Bilder und mischt nur bei der Umsetzung des omnipräsenten Glitzers CGI-Effekte bei. Den Fans von Finsterbuschs Vorlage wird das gefallen, da ist sich das Team hinter Lillifees Leinwandauftritt ganz sicher. Sogar so sehr, dass schon vor der Kinoauswertung ein Nachfolger in Planung geht. Doch auch ohne diese Info ist ersichtlich, dass „Prinzessin Lillifee“ kein künstlerisch ambitionierter Kinderfilm, sondern ein kühl kalkuliertes Produkt ist. Eigentlich schade, denn seit Pixar-Hits wie Ratatouille oder Findet Nemo ist endgültig erwiesen, dass sich gehobener Anspruch und Begeisterung beim ganz kleinen Publikum keineswegs ausschließen müssen.

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