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    Die Bucht
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Die Bucht
    Von Florian Koch

    Polemisch, populär und radikal subjektiv. Mit dem Überraschungserfolg von Bowling For Columbine machte Michael Moore den Guerilla-Dokumentarstil salonfähig. Während Anhänger des klassischen Dokufilms sich mit Grausen von diesem neuen Konzept abwendeten, konnten Moore und seine Nachahmer an den Kinokassen bemerkenswerte Erfolge erzielen. Ein weiteres gelungenes Beispiel für diesen Mix aus spannender Unterhaltung und aufrüttelnder Botschaft ist Louie Psihoyos Öko-Abenteuer „Die Bucht“. Der renommierte Fotograf und Mitbegründer der Oceanic Preservation Society schlägt darin ein düsteres Kapitel der japanischen Walfangtradition auf. Im Mittelpunkt von „Die Bucht“ steht der 69-Jährige Ric O’Barry. In den 60er Jahren machte sich der engagierte Mann einen Namen als Delfin-Trainer für die ungemein populäre „Flipper“-Serie. Der TV-Erfolg entfachte einen wahren Boom für die klugen, scheinbar dauerlächelnden Zahnwale. Delifinarien, Delfinshows, Delfintauchgänge und –therapien wurden rund um die Erde nachgefragt. Doch O’Barry freute sich nicht über diese Entwicklung. Im Gegenteil. Als Flipper-„Darstellerin“ Kathy in seinen Armen starb, wurde aus dem ehemaligen Delfintrainer ein passionierter Aktivist gegen den Delfinfang.

    In einer Nacht- und Nebelaktion will O’Barry in „Die Bucht“ auf das größte Verbrechen an den hochintelligenten Walen aufmerksam machen. Schauplatz des Geschehens ist der scheinbar idyllische japanische Küstenort Taiji. Dort werden in einer abgelegenen Bucht Jahr für Jahr 23.000 Delfine abgeschlachtet. Um diese unvorstellbare Zahl zu erreichen, treibt eine Gruppe von Fischern die Tiere mit einer „Klangmauer“ zusammen. Dann werden die orientierungslosen Lebewesen brutal harpuniert. Dieser Ort des Massenmords wird von den Japanern streng überwacht. O’Barry und die Hollywood-Eingreiftruppe um Louie Psihoyos spornen diese Risiken aber nur zu noch mehr Engagement an. Sie wollen als erstes Filmteam Bilder dieses Gemetzels liefern, um der Welt zu beweisen, dass es diese Delfinmorde wirklich gibt.

    Psihoyos inszeniert „Die Bucht“ fernab jeder Dokumentarfilm-Konventionen. Er bedient sich geschickt den Stilmitteln des Thrillers, damit sein Anliegen auch ein Massenpublikum erreichen kann. Mit mal versteckter, mal verwackelter Kamera, schnellen Schnitten und einem mitreißenden Soundtrack von J. Ralph erzeugt Psihoyos eine unglaubliche Spannung, die sich in einem nervenzerfetzenden Showdown entlädt. Glücklicherweise erweist sich die für eine Dokumentation ungewöhnliche Erzähltechnik nicht als selbstzweckhaft und lenkt auch nicht vom eigentlichen Thema ab.

    Der Inhalt von „Die Bucht“ ist wahrlich ein Skandalon, der jeden Delfinfreund die Haare zu Berge stehen lässt. Schockierend zeigt die Doku, wie versessen Japan auf die Waljagd ist, wie wenig Verständnis und Mitgefühl die Fischer für Tausende von Delfinopfer haben. „Die Bucht“ verschweigt auch nicht, wie abwehrend die Behörden reagieren und Vorsitzende der Internationalen Walfangkommission (IFC) sogar um Vertuschung bemüht sind. Schockierend ist auch die Tatsache, dass das stark Quecksilber verseuchte Delfinfleisch ohne Wissen der Bevölkerung jahrelang auf dem Speiseplan von japanischen Schulen stand. „Die Bucht“ weist nach, wie das giftige Delfinfleisch zynischerweise sogar in Delfinarien verkauft wird.

    Interview

    Filmstarts trifft...

    ...Delfin-Aktivist Ric O'Barry und Regisseur Louie Psihoyos

    Bei seiner Recherche holt Psihoyos viele Interviewstimmen ein, argumentiert glaubhaft und umfassend. Geschickt präsentiert er auch immer wieder prachtvolle Aufnahmen von Delfinen, die ihre Eleganz, Schönheit und Freiheitsliebe illustrieren. Das Massaker selbst kommt nur kurz vor, und schockt deswegen umso heftiger. Psihoyos erlaubt sich bei all den erschütternden Bildern gelegentliche ironische, auflockernde Schlenker, zum Beispiel als er im Stil von Ocean‘s Eleven die Rekrutierung des Spezialteams zur Aufdeckung der Morde zeigt. Natürlich wird in der Fakten verdichteten Dokumentation auch einiges vereinfacht, O’Brian manchmal zu oft bildfüllend als Tierretterheld in Szene gesetzt, und ein wenig zu viel Japanhetze betrieben.

    Aber in der Sache ist „Die Bucht“ absolut aufrecht, vielschichtig und engagiert, in der Erzähltechnik sogar brillant. Der Preisregen - unter anderem erhielt „Die Bucht“ den Zuschauerpreis in Sundance - könnte bei der Oscarverleihung 2010 durchaus eine Fortsetzung erleben.

    Fazit: „Die Bucht“ erzählt vom unvorstellbaren Massenmord an Delfinen. Und vom engagierten Kampf des Tierschützers Ric O’Barry. Regisseur Louie Psihoyos gelingt dabei das Kunststück, die Schreckenstaten im japanischen Küstenort Taiji so packend wie ein Thriller, so aufwühlend wie ein Drama, und so informativ wie eine gute Reportage darzustellen.

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