Seine Tour „Privat“ (1994) ist noch immer das meistgesehene Kabarettprogramm Österreichs. Doch auch wenn Josef Haders Wurzeln auf der Kleinkunstbühne liegen, ist er mittlerweile im Kino gleichermaßen etabliert. Denn eines ist gewiss: Hader ist immer großartig – egal, ob als Kabarettist, auf der Leinwand oder im Theater. Wenn er allerdings in die Rolle von Wolf Haas‘ Kultromanfigur Brenner schlüpft, ist Hader einfach unschlagbar. Nach Komm, süßer Tod und Silentium schickt Regisseur Wolfgang Murnberger seinen skurrilen Protagonisten in der Krimi-Groteske „Der Knochenmann“ auf die nächste wundersame Reise ins Herz der österreichischen Finsternis.
Öfter mal was Neues. Privatdetektiv? Nein, das ist nicht mehr. Ex-Polizist Simon Brenner (Josef Hader) schiebt fortan eine ruhigere Kugel. Für die Auto-Leasingfirma seines besten Freundes Berti (Simon Schwarz) treibt er überfällige Raten von säumigen Kunden ein. Ein Auftrag führt Brenner in die Steiermark, in die tiefe österreichische Provinz. In der legendären Backhendlstube „Löschenkohl“ reißen die Gäste dem titelgebenden Wirt (Josef Bierbichler) seine Hähnchen geradezu aus den Fingern. Sein Geheimrezept: Er zermahlt die Reste der blankgenagten Hühner und verabreicht das Knochenmehl als Futter an die nächste Hendl-Generation. Von diesem kannibalistischen Treiben ahnen die Gäste natürlich nichts. Doch Brenner merkt schnell, dass hier noch viel mehr faul ist. Löschenkohl verachtet seinen leicht debilen Sohn Pauli (Christoph Luser). Dessen Frau Gitti (Birgit Minichmayr) hat ebenfalls genug und bandelt stattdessen mit Brenner an, der sich als Hausgast eingenistet hat. Richtig in Schwierigkeiten ist jedoch Löschenkohl senior, der von Gangsterboss Ivgeniew (Stipe Erceg) erpresst wird, weil er im grenznahen Bordell einen Gauner (Ivan Shvedoff) aus dem zweiten Stock geschmissen hat...
Es wäre überhaupt nichts passiert… ohne die Liebe.
Acht Brenner-Romane hat Wolf Haas bisher veröffentlicht. Reichlich Material für die Kinoumsetzungen. Für den dritten Leinwandauftritt des knurrigen Antihelden wählte das bewährte Drehbuch-Trio Hader, Haas und Murnberger das zweite Brenner-Buch „Der Knochenmann“ aus dem Jahr 1997. Das bringt unter anderem den Vorteil eines Ortswechsels mit sich, der das Brenner-Universum nicht mehr auf Metropolen wie Wien (Komm, süßer Tod) oder Salzburg (Silentium) beschränkt. Allein der Gedanke, dass es Brenner in die Provinz zieht, ist amüsant. So amüsant, dass er sich als Gag im Film wiederfindet.
Ermüdungserscheinungen zeigt das Konzept auch im dritten Kino-Anlauf nicht. Der Brenner ist eben der Brenner. Aber Details verändern sich dennoch. Heuerte der Ex-Polizist im ersten Film als Rettungswagenfahrer an und in der Fortsetzung als Privatdetektiv, verdingt er sich in „Der Knochenmann“ als Rateneintreiber – zwar unterschiedliche Berufe, aber es geht immer darum, sich irgendwie ohne viel Aufwand durchs Leben zu schlagen. Die Nebenfiguren sind nicht minder bizarr, was den Film belebt. Die rudimentäre Krimihandlung ist nämlich kaum von Belang, da Überraschungen ausbleiben und sich die Spannung in Grenzen hält. Doch weiter schlimm ist das nicht, weil „Der Knochenmann“ über seine Atmosphäre und sein Skurrilitätenkabinett voller denkwürdiger Charaktere funktioniert. Und wenn die Akteure sich aberwitzige Dialoge entgegen granteln, ist das ein humorvolles Vergnügen. Wer denkt, dass es inmitten dieses Schmähs beschaulich zugeht, irrt: „Der Knochenmann“ setzt auf gesunde Härte und geht permanent an die Nieren. Da spielt es wie auch bei den Vorgängern kaum eine Rolle, dass die Mittel des Kinos diesmal zwar einen Tick besser, aber immer noch nicht vollständig ausgeschöpft werden.
Aber was nutzen die schillerndsten Charaktere ohne die entsprechenden Schauspieler? Josef Hader (Die Perlmutterfarbe, Jagdhunde, Basta. Rotwein oder Totsein) ist wie immer eine Bank. Lakonisch, behäbig, schwerfällig… scheinbar gleichgültig stapft er qualmend und saufend über die Leinwand. Doch so stur der Brenner auch ist, sein Sinn für Gerechtigkeit treibt ihn immer wieder an und beißt seinem inneren Schweinehund in den Hintern – ob ihm das nun gefällt oder nicht. Mit dem bayerischen Schauspielschwergewicht Josef Bierbichler (Der Architekt, Herz aus Glas, Im Winter ein Jahr, Woyzeck) bekommt Hader nicht nur einen starken Gegenpart, sondern auch harte Konkurrenz. Der Präsenz des Urgesteins Bierbichler ist nur schwer beizukommen, selbst für einen wie den Hader. Dennoch lassen die Platzhirsche dem restlichen Ensemble genug Luft. Birgit Minichmayr (Das Parfum, Der Untergang, Liegen lernen) spielt wunderbar natürlich und authentisch. Sie erdet die Wildheiten und Auswüchse der abgedrehten Geschichte. Daneben glänzt auch Chistoph Luser (Was nützt die Liebe in Gedanken) als dusseliger Löschenkohl-Sohn Pauli. Die leise Enttäuschung darüber, dass Simon Schwarz als Brenner-Spezi Berti lange Zeit nur Kurzauftritte absolviert, legt sich im letzten Drittel, in dem er zur Haupthandlung stößt und wieder einige unwiderstehliche Momente mit seinem Kumpel Hader kreiert.
Jetzt ist schon wieder was passiert. Gott sei Dank. Sonst hätte das Publikum auf einen dritten Kinofilm aus der kultigen Brenner-Reihe verzichten müssen. „Der Knochenmann“ ist eine atmosphärische Krimi-Groteske, die von brillant-authentischen Dialogen und einem exzellenten Schauspielensemble lebt und somit kleinere Schwächen mühelos überdeckt. Teil 3 kommt zwar nicht ganz an den überragenden Silentium heran, ist aber noch besser als Komm, süßer Tod und für Freude des abseitigen Humors unverzichtbar.