In der offiziellen Inhaltsangabe der deutschen Studentenkomödie „13 Semester“ ist von Strebern, ständig Partys feiernden Faulpelzen und von Leuten, die „keinen Plan“ haben, zu lesen. Da drängt sich schnell die Frage auf, ob von den Produzenten selbst gewählte Attribute wie „authentisch“ oder gar „unkonventionell“ wirklich zutreffend sind oder nur Worthülsen, die darüber hinwegtäuschen sollen, dass hier nur eine Reproduktion überholter Studentenklischees vorgenommen wird, die mit dem tatsächlichen Uni-Alltag der vergangenen Jahre nur noch in den seltensten Fällen etwas zu tun haben. Und siehe da: „13 Semester“ ist zwar nicht wirklich filmisch unkonventionell, wirkt aber tatsächlich liebevoll-authentisch. Obwohl das eine oder andere Stereotyp eher einfallslos bedient wird, entwickeln sich fast alle Charaktere im Laufe des Films nachvollziehbar weiter. Alles in allem kratzt Regisseur Frieder Wittich nach einer emotional wenig fesselnden ersten halben Stunde doch noch die Kurve zu einem hübschen Unterhaltungsfilm mit einer löblichen, gegen den Zeitgeist gerichteten Moral: Arbeit ist doch nicht das ganze Leben.
Momo (Max Riemelt, Die Welle) und Dirk (Robert Gwisdek, Lauf um dein Leben) ziehen aus der Brandenburger Provinz nach Darmstadt zum Studium an der TU (deren diverse Lokalitäten auch als Originalkulisse dienten). Die beiden Schulfreunde legen nach obligatorischen Widrigkeiten wie der Wohnungssuche einen gemeinsamen Start ins Studium hin, kurz vor Beginn der Prüfungsphase wirft Durchstarter Dirk den wenig engagierten Momo allerdings aus der Lerngruppe. Verstärkte Prüfungsangst, die langwierige Pirsch nach seiner Traumfrau Kerstin (Claudia Eisinger, Meer is nich) und ein abstruses Experiment zur beruflichen Selbstständigkeit mit Mitbewohner Bernd (Alexander Fehling, Am Ende kommen Touristen, Buddenbrooks) lassen Momo Halt und Ziel in seinem Leben verlieren. So braucht es unter anderem einige Umwege und eine Zufallsbegegnung im Waschsalon, bis der Wirtschaftsmathematiker in spe seinen Weg (wieder-)findet.
Die Charaktere, denen Momo auf diesen Wegen und Umwegen begegnet, und die Situationen, in die er gerät, sind den meisten Zuschauern, die selbst einmal studiert haben, in der einen oder anderen Variante bekannt. Und auch wenn insbesondere die Darstellung des indischen Studenten Aswin (Amit Shah) recht klischeehaft geriet, ist der überwiegende Teil der Szenen mit Feingefühl und Liebe zum Detail gestaltet, was nicht zuletzt für die Ausstattung gilt. So hat man hier einfach auf sehr angenehme Weise das Gefühl, einen Film zu sehen, der nicht nur das Studenten-, sondern zum Teil auch das Deutschsein auf zeitgemäße und sympathische Weise zum Gegenstand hat. So mag es beim Thema Sex und Beziehungen nicht nur der Dramaturgie geschuldet sein, dass „die eine Liebe“ im Vordergrund steht: Momo bleibt seiner Flamme Kerstin über das ganze Studium hinweg treu – auch, als seine Eroberungsversuche noch reihenweise fehlschlagen. So reflektiert der Film in seinem Zentrum die auch unter Studenten wieder zunehmende Hinwendung zu traditionellen Zweierbeziehungen und Regisseur Wittich widersteht den inzwischen vierzig Jahre alten Vorstellungen vom „wilden Studenten(sex)leben“.
Interview
Filmstarts trifft...
... Regisseur Frieder Wittich und Autor Oliver Ziegenbalg.
Untermalt wird all das vom angenehm alternativ angehauchten Soundtrack der „Berliner Visual Trashpunkband“ (Wikipedia) Bonaparte, der dem Film eine Spur von Independent-Kino-Flair verleiht. Das romantisiert abgelichtete Darmstadt, seine Hörsäle und WGs sorgen dabei für das unaufdringliche, aber sehr ansehnliche Antlitz der Geschichte. Dass diese trotz anfänglicher Schwächen im späteren Verlauf gut funktioniert, liegt vor allem daran, dass unerwartete Facetten neue Spannung mit sich bringen und dass die Darsteller diese Wandlungen glaubhaft und sympathisch vermitteln. Dabei mag auch der eine oder andere Rat eines Mannes mit reichlich Erfahrung im komischen Fach geholfen haben: Vicco von Bülow alias Loriot stand den Drehbuchautoren Frieder Wittich und Oliver Ziegenbalg einen Tag lang als Mentor zur Seite.
„13 Semester“ ist eine unterhaltsame und liebenswürdige deutsche Studentenkomödie, bei der Regisseur Wittich nach einigen Anlaufschwierigkeiten in erheblich weniger Fettnäpfchen tritt als zu befürchten war. Authentisch, einfühlsam und mit Humor verhandelt sie durchaus essentielle Fragen nach dem „Wie“ und „Wohin“ im Leben und gibt auch differenzierte Antworten. Hier und dort wird nebenbei sogar noch das eine oder andere filmische Stereotyp auf erfreuliche Weise hochgenommen, so dass gerade nicht das passiert, was man erwartet.