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    The Cold Light of Day
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Cold Light of Day
    Von Björn Becher

    Die clevere Mischung aus Komödie und Drama in „JCVD" bewies nicht nur, dass mehr in Action-B-Movie-Recke Jean-Claude Van Damme steckt als der Karate-Akrobat aus „Bloodsport" und ähnlichen Kloppereien, sondern sie machte auch auf ihren jungen Regisseur aufmerksam. Der Franzose Mabrouk el Mechri, der auch das Drehbuch von „JCVD" schrieb, katapultierte sich mit seinem dritten Spielfilm in die Riege jener Regisseure, denen eine große Zukunft in Hollywood prophezeit wird. Mit seinem neuesten Film „The Cold Light of Day" nähert er sich nun sachte der Karriere in der Traumfabrik an. Mit Bruce Willis („Stirb langsam") und Sigourney Weaver („Alien") stehen ihm für seinen Action-Thriller gleich zwei Genre-Legenden zur Verfügung, dazu kommt mit dem künftigen „Superman" Henry Cavill („Krieg der Götter 3D") ein aufstrebender Hauptdarsteller. Diese prominente Besetzung zeugt von El Mechris neuem Status, zugleich bewahrte er sich bei der Produktion des in Europa entstandenen Films gewisse Freiheiten vom in Hollywood üblichen Kontrollwahn. Allerdings kann er diese vielversprechenden Möglichkeiten nicht vollständig nutzen. „The Cold Light of Day" ist zwar spannend und die Action gekonnt inszeniert, größeren Eindruck macht die Verschwörungsgeschichte aber nicht - dafür sind weder die Figuren noch die Handlung stark und eigenständig genug.

    Eigentlich hat Geschäftsmann Will Shaw (Henry Cavill) in der Heimat alle Hände voll zu tun, um seine vor der Pleite stehende Firma zu retten. Zum traditionellen Segelurlaub vor der spanischen Küste mit der Familie lässt er sich aber trotzdem überreden. Dort überschlagen sich die Ereignisse, denn nach einem kurzen Landausflug ist Wills Familie verschwunden. Statt ihm zu helfen, versucht ihn die Polizei im Auftrag eines mysteriösen Mannes (Roschdy Zem) zu kidnappen. Will wird in letzter Minute von seinem Vater Martin (Bruce Willis) gerettet, der ihm gesteht: Er ist kein biederer Angestellter bei der US-Botschaft, sondern erledigt die Drecksarbeit für die CIA. Bevor Martin mehr Hintergründe verraten kann, wird er von einem Scharfschützen aus dem Hinterhalt ermordet. Auf sich allein gestellt hetzt Will auf der Suche nach seiner restlichen Familie durch Madrid und muss bald erkennen, dass er mitten in ein Netz aus Intrigen zwischen verschiedenen Geheimdiensten und korrupten Agenten geraten ist. Gejagt von CIA-Killern und von der spanischen Polizei, die ihn für einen Mörder hält, findet Will Unterstützung bei der schönen Spanierin Lucia (Verónica Echegui), die eine engere Bindung zu seinem Vater hat als er ahnt.

    Die Drehbuchautoren Scott Wiper („Die Todeskandidaten") und John Petro orientieren sich bei „The Cold Light of Day" offensichtlich an Klassikern von Alfred Hitchcock. Der „Master of Suspense" ließ immer wieder unschuldige Durchschnittsbürger zwischen die Fronten von Justiz und Geheimdiensten geraten – unvergessen etwa „Der unsichtbare Dritte", in dem der Werbefachmann Cary Grant für einen Agenten gehalten wird und über sich hinauswachsen muss, um zu überleben. Auch Henry Cavill spielt hier einen solchen unschuldigen Ottonormalbürger, der durch zunächst undurchschaubare Umstände gezwungen wird, sich mit diversen Institutionen anzulegen. Er muss dabei allerdings nicht nur seine eigene Haut retten, sondern auch die seiner Familie. Unterstützung erhält er nur von einer jungen Spanierin sowie von einem zwielichtigen Nachtclubbesitzer Maximo (Oscar Jaenada) und seiner Türsteher-Truppe. Dass die handelnden Organe des Staates über Leichen gehen, um ihre Geheimnisse zu bewahren, während Menschen, die eher am Rande der Gesellschaft stehen, die einzigen Verbündeten sind, lässt sich durchaus als kritische Note verstehen – dieser Aspekt wird allerdings nicht weiter vertieft.

    Action ist in El Mechris Film wichtiger als Handlung, denn thematisch ist „The Cold Light of Day" letztlich oberflächlicher als es zwischendurch scheint. Die nur grob gezeichneten Figuren werden wie auf einem Schachbrett hin und her manövriert, um an Schlüsselstellen ganz bestimmte dramaturgische Funktionen zu erfüllen. Insbesondere die hochkarätigen Stars bekommen kaum Platz zur Entfaltung und werden geradezu verheizt. Bruce Willis hat ohnehin nur eine kleine Nebenrolle und verabschiedet sich nach einer Actionszene sowie einigen angespannten Vater-Sohn-Zwiegesprächen recht zügig; Sigourney Weaver wiederum hat die undankbare Aufgabe mit ewig gleichem Gesichtsausdruck als eindimensionale Bösewicht-Figur hinter Henry Cavill her zu hetzen. Nach einer mysteriösen Einführung wird viel zu schnell klar, dass sie ein falsches Spiel treibt. Heimliches Highlight bleibt so ihr Handlanger Joseph Mawle („Game of Thrones"), der seine Rolle als CIA-Killermaschine derart überzeichnet, dass er dem ohnehin absurden Plot den nötigen Comic-Anstrich verpasst.

    Manchmal ist es fast schon amüsant, wie sehr sich die Autoren mühen, ihre Handlung zu verschachteln. Wer steckt hinter der Entführung von Wills‘ Familie und was ist der Grund? Welche Partei mischt da noch mit? Was hat es mit dem mysteriösen Aktenkoffer auf sich, den jeder von Will haben will? Wer ist Verräter, wer Patriot? Die Antwort auf all diese Fragen ist fast nebensächlich, was El Mechris Action-Thriller aber nicht schadet. Denn der „JCVD"-Regisseur fegt mit seiner rasanten Inszenierung locker über die Plot-Schwächen hinweg. Mit gekonnten Action-Szenen und starken Bildern bietet der Thriller immerzu kurzweilige und spannende Unterhaltung. Bruce Willis‘ Actionszene zeigt, was der alte Haudegen noch drauf hat und der neue „Superman" Henry Cavill offenbart erstaunliches Charisma, auch weil er als Will immer wieder Schwäche zeigen darf. Er wird angesichts der prekären Ausgangslage nicht zum neuen Jason Bourne, sondern entkommt seinen Verfolgern meist nur stolpernd und mit Glück. Will muss immer mehr einstecken, fällt von Häusern, wird verprügelt und sieht von Minute zu Minute übler aus. Die im internationalen Kino nicht so häufig zu sehenden, hier exzellent und atmosphärisch eingefangenen Schauplätze in Madrid erhöhen den Reiz des Action-Thrillers zusätzlich.

    Fazit: „The Cold Light of Day" ist kein Film, der noch lange nach dem Kinobesuch in Erinnerung bleibt. Das ist auch ganz gut so, denn über den durchwachsenen, künstlich verschachtelten Plot sollte man nicht zu lange nachdenken. Vielmehr gilt es die rasant-spannende Inszenierung von Mabrouk El Mechri zu genießen. Der Franzose beweist vor allem mit seinen Action-Szenen, dass er das Zeug hat, in Hollywood seine Spuren zu hinterlassen.

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