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    Die Geschichte vom Brandner Kaspar
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Die Geschichte vom Brandner Kaspar
    Von Christian Horn

    Vor allem in den Neunzigerjahren hat Joseph Vilsmaier sich wiederholt als Chronist deutscher Geschichte hervorgetan und sein Gespür für die Inszenierung episch angelegter Dramen bewiesen. Seine Filme „Schlafes Bruder“, „Stalingrad“, „Marlene“ und „Comedian Harmonists“ waren großes Ausstattungskino mit erwachsenen Themen und einer routinierten Regieleistung, die allerdings teilweise allzu zwanghaft auf das Emblem Filmkunst hin angelegt war. Vergessen ist hingegen weitgehend, dass Vilsmaier auch an zwei Didi-Hallervorden-Streifen mitgewirkt hat: an „Der Experte“ und „Didi voll auf Touren“ - zwar nicht als Regisseur, sondern als Kameramann, aber immerhin. Und schon ist der Bogen zu seinem neuen Film geschlagen, der einen klassischen Stoff deutscher, beziehungsweise bayerischer Volksgeschichte mit reichlich Klamauk aufbereitet: „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“. Vilsmaier adaptiert die bayerische Volkssage vom Brandner Kaspar, der dem Tod ein Schnippchen schlägt, als Heimatfilm-Komödie für das breite Publikum. Dabei ist es weniger der stellenweise arg infantile Humor, der missfällt, sondern eher das Zerfasern des Films in zu viele einzelne Bestandteile, die nicht so recht miteinander harmonieren wollen.

    Gemeinsam mit seiner Enkelin Nannerl (Lisa Potthof, Stellungswechsel) lebt der 69-jährige Brandner Kaspar (Franz Xaver Kroetz, „Kir Royal“) in einer bescheidenen Hütte im bayerischen Bergland. Mit seinem Knecht Toni (Peter Ketnath) durchstreift er regelmäßig die Wälder auf der Suche nach Rehen und Hirschen. Auf Wilderei steht zwar Gefängnis, aber dieses Risiko nimmt Brandner gerne in Kauf. Eines Tages verfehlt ihn bei der Jagd nur knapp ein Steifschuss. Kurz drauf erscheint der Boanlkramer (Michael Herbig, Der Schuh des Manitu), auf hochdeutsch auch „Tod“ genannt, in seiner Hütte und will ihn mit ins Himmelreich nehmen. Brandner sieht das aber gar nicht ein und füllt den Sensenmann erst mal mit hochprozentigem Kirschgeist ab, um ihn daraufhin beim Kartenspiel zu betrügen – ganze 21 weitere Lebensjahre holt er so heraus. Aber die Aussicht auf ein so langes Leben auf Erden wird bald versauert, denn der intrigante Bürgermeister ist hinter Brandners Grundstück her, um es an einen reichen Preußen (Detlev Buck) zu verkaufen. Ein zweiter Handlungsstrang rückt das Nannerl in den Fokus, deren Liebe zu Toni aufblüht. Doch Fonse (Sebastian Bezzel), ihr Verflossener, lässt den beiden keine Ruhe. Und dann kommt es, wie es kommen muss: Im Bayern-Himmel fällt auf, dass der Brandner fehlt…

    Joseph Vilsmaier adaptiert die volkstümliche Geschichte sinnigerweise mit den Mitteln des Heimatfilms: Idyllische Landschaftspanoramen inklusive nebelverhangener Wiesen, dichtbewachsener Wälder und imposanter Bergkulissen dominieren die Bildgestaltung. Dazu das übliche Personal des Heimat-Genres, das natürlich druckreifes Bayerisch schwätzt: ein hübsches, artiges Nannerl, eine komisch-dickliche Nebenbuhlerin, harmlos-trottelige Bösewichte, ein aufstrebender Mannskerl und natürlich ein rüstiger, lebensweiser Hallodri wie der Brandner. Und selbst der Tod jagt keine Angst mehr ein: Die Verkörperung von Michael Herbig lässt den Mann mit der Sense zu einem naiven Gesellen werden, der nichts Böses im Schilde führt, sondern eben nur seinen Job macht. Nicht mal einen Kirschgeist kann das Kerlchen trinken, ohne schreckliche Hustenanfälle zu erleiden. Schlussendlich wird die ganze Geschichte dann noch im dörflich-naiven Hinterland erzählt, wo stramme Hirsche durch die Wälder streifen und jeder jeden kennt.

    Allein schon aufgrund seiner Inszenierung fällt „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“ aus der Reihe. Doch Vilsmaier macht einen Fehler, wenn er das Heimatfilm-Setting zu modernisieren versucht. So kippt der naiv-sittliche Humor des Heimatfilms oft in schlichten Klamauk. Und die Figuren wollen einerseits ernst genommen werden, denn nur so kann die Geschichte ihre allgemeingültige Bedeutung erhalten, werden dafür aber allzu oft der Lächerlichkeit preisgegeben und außerdem zu oberflächlich gezeichnet. Dadurch bleiben sie dem Zuschauer über weite Strecken fremd, ein „Mitfühlen“ ist nur schwer möglich.

    Das wesentliche Problem des Films ist seine fehlende Einheitlichkeit: mal Drama und Tragödie, dann Klamauk, mal ernsthaft, dann wieder kitschig, mal modern, dann wieder traditionell – zu einem stimmigen Ganzen fügt sich dieser Inszenierungsbrei leider nie zusammen. Die kitschige Darstellung des Bayernhimmels (mit Herbert Knaup als vergesslich-trotteligem Erzengel Michael und Jörg Hube als Weißwurst und Bretzel essender Petrus – eingebettet in eine glitzernd-weiße Bühne mit Engelskinern und dem Mozart auf der Nachbarwolke) trifft auf ganz irdische Probleme im Hauptstrang der Erzählung, die so ihrer Wahrhaftigkeit und Ernsthaftigkeit beraubt wird.

    Bleibenden Eindruck hinterlassen vor allem Franz Xaver Kroetz als Brandner Kaspar und Michael „Bully“ Herbig als Boanlkramer. Vor allem letzterer exemplifiziert auch die zersplitterte Inszenierungsweise des Films. Er stellt den Sensenmann als dreckigen, ungebetenen Besucher dar, der aber dennoch auch liebenswürdig-naiv daherkommt und insgesamt arg harmlos wirkt. Eine schwere Bürde, die Herbig galant meistert: Ohne in seinen üblichen Klamauk abzugleiten, entlockt er mit seiner Darstellung Lacher. Und allein schon durch seine Maske, unter der er kaum mehr zu erkennen ist, versprüht er auch eine gewisse Autorität. Allerdings kann er das Gesamtkonzept seiner Figur, die eben nicht auf Ernsthaftigkeit angelegt ist, auch nicht kippen. Dabei hätte ein seriöser Tod dem Film wesentlich besser zu Gesicht gestanden.

    Insgesamt ist Joseph Vilsmaiers Adaption ein durchwachsenes Vergnügen. Eigenwillig mit den Mitteln des Heimatfilms spielend, hat er ein bayerisches Märchen für das große Publikum inszeniert. Einen Film, der zwischen Drama und Komödie mäandert, ohne beide Elemente je unter einen Hut zu bekommen. So ist „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“ letztlich ein Film, der im Ansatz vieles richtig macht, aber viele Möglichkeiten verspielt und am Ende doch zu einer recht oberflächlichen und belanglosen Mainstream-Veranstaltung verkommt.

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