2008 griff Ben Stassen mit „Fly Me To The Moon 3D" einer Entwicklung vor, die dann mit den 3D-Produktionen „Ice Age 3", „Für immer Shrek" oder „Toy Story 3" richtig ins Rollen kam. Auch „Sammys Abenteuer" setzt auf die dritte Dimension. Trotzdem kann sich der in den europäischen nWave Studios produzierte Film nicht mit den Werken der großen Hollywood-Studios messen. Dabei liegt es nicht am weit niedrigeren Budget, denn die Animationen sind gelungen, es fehlt schlicht eine gute Geschichte. Da fallen weder die guten Vorsätze des Öko-Animationsfilms, der auf Tierschutz, Walfang, Massenfischerei oder Meeresverschmutzung aufmerksam machen möchte, ins Gewicht. Noch können Matthias Schweighöfer („Friendship!!", „Der Architekt") und die direkt vom Grand-Prix-Sieg wegengagierte Lena Meyer-Landrut als Synchronsprecher dem dramaturgischen Mäandern sowie den mangelnden Einfällen und Charakterzeichnungen etwas entgegensetzen. Raus kommt ein sehr braver Kinderfilm, dem eine überarbeitete Storyline sehr gut gestanden hätte.
Kaum geschlüpft, kann die Meeresschildkröte Sammy (Stimme: Matthias Schweighöfer) nur mit Glück verhindern, gemeinsam mit ihrer Artgenossin Shelly (Lena) in einem Möwenmagen zu enden. Zwar werden sie kurz darauf von den Wellen getrennt, doch Sammy geht das Schildkröten-Mädchen nicht mehr aus dem Kopf. So wächst er zusammen mit seinem besten Freund Ray (Axel Stein) auf und erkundet voller Neugier die erlebnisreichen Ozeane. Nachdem Ray einem Fischnetz zum Opfer fällt, ist Sammy wieder auf sich gestellt, trifft aber einige Abenteuer später völlig unerwartet seine große Liebe Shelly wieder. Gemeinsam machen sich die beiden Entdecker auf, die geheimnisvolle Passage zu finden, von der Sammy die Menschen hat sprechen hören...
In Pixar-Zeiten, in denen es für Animationsfilme zum guten Ton gehört, den Spagat zwischen Kinderbespaßung und Erwachsenenunterhaltung zu meistern, liegt die Messlatte entsprechend hoch. Es mag unfair erscheinen, Kinderfilmen anzulasten, einfach nur für Kinder gemacht worden zu sein. „Findet Nemo", „Happy Feet" oder „Oben" schufen aber einen Unterhaltungsstandard, an dem sich andere Werke messen lassen müssen. „Sammys Abenteuer" verweigert sich diesen Erwartungen und verfolgt in all seiner Harmlosigkeit ein edles Ziel: die Schaffung eines ökologischen Bewusstseins bei den Kleinen. So geht es vor allem darum, zu zeigen, was für Verheerungen die Menschen in den Ozeanen anrichten: Ölkatastrophen, Abfallablagerung, Walfang. Pädagogische Untertöne findet man auch in den oben genannten Filmen, aber Ben Stassens Film veranschaulicht, wie schwer es den Europäern immer wieder fällt, eine lehrreiche Geschichte zu erzählen und dabei trotzdem den lockeren Ton der Amerikaner zu treffen (siehe auch: „Konferenz der Tiere").
Hier liegt auch das Grundproblem: Die Geschichte ist nicht gut. Sofern es denn überhaupt eine stringente Story gibt. Die geheime Passage ist nach der Filmhälfte gefunden und dann liegt es an Sammy, die abermals verlorene Shelly aufzuspüren. Während Marlins Suche nach Nemo von allerlei skurrilen Figuren gesäumt wurde – die Haie, die Möwen, die Schildkröten und selbstredend Dory – und parallel dazu Nemos Verbleib und Fluchtversuche im Zahnarztaquarium gezeigt wurden, sind in „Sammys Abenteuer" selbst die wichtigen Nebenfiguren entweder blass oder unsympathisch geraten. So wird man mit dem Kater Fluffy, der Schildkrötendame Vera oder auch mit Ray bis zum Ende nie richtig warm. Kaum in die übrige Story eingebunden werden dem Zuschauer noch ein paar Brocken Zeitgeschichte à la Ölkatastrophen, Hippies, bemannte Raumfahrt oder Green Peace hingeworfen. Aber das Drehbuch gibt keine organischen Handlungsverläufe her, viel zu oft müssen gestellte Szenarios herhalten, um die Suche nach der Passage oder Shelly voranzutreiben. Da trifft Sammy dreimal hintereinander eben jene Meeresbewohner, die ihm den Weg zu Shelly weisen können. Ein Drehbuch kann ja manchmal Malen nach Zahlen sein, aber sollte man dies dem Zuschauer nicht derart unter die Nase reiben. Auch nicht den kleinsten.
Stassens Werk ist trotz der mahnenden Öko-Anklänge seltsam steril und irritationsfrei. Bestes Beispiel hierfür ist die Songauswahl: Die jeweils erste Zeile bringt genau jenes Gefühl auf den Punkt, das vermittelt werden soll. Tollen Ray und Sammy durchs Meer, ertönt „I'm Feeling Happy", nachdem Sammy Shelly wiedergefunden hat „Destiny Is A Funny Thing", nachdem er sie wieder verloren hat „Ain't No Sunshine When She's Gone", auf der Suche nach Shelly hört man die inhaltliche Punktlandung „I've been searching across the lonely water" oder „I know you're somewhere out there". Nichts ist gegen den Strich gebürstet und genau diese maximale Reibungsarmut macht den Film stellenweise so beliebig.
All die aufgezählten Mängel werden bei den kleineren Zuschauern weniger zu Buche schlagen: An den Animationen gibt es kaum was zu mäkeln und Sammy, der Nemos Entdeckerdrang teilt, ist niedlich und liebenswert. Dennoch: Es gibt einerseits zahlreiche besser geschriebene und erzählte Filme nur für Kinder, andererseits ebenso einige Filme für die Kleinen, die deren Begleiter nicht intellektuell verhungern lassen.