„Jetzt hast du die richtige Farbe“, mit diesen Worten kommentiert der schwarze Kollege des Roboter-Polizisten Alex Murphy in José Padilhas „RoboCop“ dessen veränderte Montur. Damit spielen die Macher dieser Neuinterpretation von Paul Verhoevens Science-Fiction-Klassiker aus dem Jahr 1987 auf eine der im Vorfeld meistdiskutierten Fragen an, denn das Design und die Farbe des neuen RoboCop-Anzugs sind unter Fans hochumstritten. Dabei geht es letztlich um weit mehr als um die Alternative Grau-Silber oder Schwarz, nämlich um die Erwartungen an das Remake eines vielgeliebten Originals: Die Anhänger des ultraharten und kompromisslosen Ur-„RoboCop“, der in Deutschland jahrelang auf dem Index stand, was seinen Kultstatus nur noch beförderte, befürchteten einen weichgewaschenen und von Marketing-Strategen verwässerten Allerwelts-Aufguss. Doch der Brasilianer Padilha, der dem Original mit einigen kleinen Schlenkern (so ist etwa die kultige alte Titelmusik zu hören) Reverenz erweist, setzt bei seinem Hollywood-Debüt eigene Akzente und legt einen unterhaltsamen, anregenden und vor allem eigenständigen Science-Fiction-Film vor, bei dem auch der relativ reduzierte Härtegrad der Gewalt- und Actionszenen keineswegs ein künstlerisch kompromittierendes Zugeständnis an die Freigabeinstanzen ist.
Im Jahr 2028 ist der OmniCorp-Konzern der Weltmarktführer in der Roboter-Technologie. Seine Drohnen werden rund um den Globus zur Verbrechensbekämpfung genutzt, nur in den USA konnte OmniCorp-Chef Raymond Sellars (Michael Keaton) den politischen Widerstand gegen den Einsatz von Robotern als Polizisten trotz der tatkräftigen medialen Unterstützung durch den Fernsehkolumnisten Pat Novak (Samuel L. Jackson) noch nicht überwinden. Also wechselt Sellars seine Strategie und beauftragt Dr. Dennett Norton (Gary Oldman) eine neue Art von RoboCop zu bauen – eine Kombination aus Mensch und Maschine. Bald finden sie in Alex Murphy (Joel Kinnaman), einem vorbildlichen Cop aus Detroit, der bei einem Anschlag auf sein Leben schwer verletzt wurde, den idealen Kandidaten für den Cyborg-Prototypen. Das Experiment gelingt und Alex wird schon als die ultimative, leicht manipulierbare Waffe in Kampf gegen das Verbrechen gefeiert, aber Sellars und seine Geschäftspartner haben unterschätzt, dass immer noch ein Mensch in dem Maschinen-Anzug steckt…
Während Paul Verhoeven auf seine ganz eigene Art grimmige, gewalttätige und schwarzhumorige Gesellschaftskritik am Reagan-Amerika übte, nimmt José Padilha durchaus zeitgemäß eine globalere Perspektive ein. Dabei erreicht der neue „RoboCop“ sicher nicht die Prägnanz des Originals, gehört aber dennoch zu den intelligenteren Blockbustern im heutigen Hollywood. So ist der Brasilianer, der für seinen sozialkritischen Cop-Thriller „Tropa de Elite“ 2008 den Goldenen Bären der Berlinale gewann, nicht nur bei einem ungeschönten, mit Handkamera gefilmten Straßenkampf im Regen zu Beginn in seinem Element, sondern er zeigt auch ein Bewusstsein für die philosophischen und ethischen Dimensionen der Themen des Films. Die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Maschine, von freiem Willen und Fremdbestimmung, Gefühl und Logik steht im Zentrum vieler der stärksten Szenen. So sehen wir in Dr. Nortons Labor einen Gitarristen, der mit seinen neuen Handprothesen perfekt alle Akkorde greifen kann, solange er sie kühl kontrolliert, wenn er allerdings mit Gefühl an die Sache herangeht, dann rutschen die Finger ab. „Nicht zu emotional werden!“, sagt man ihm - und etabliert damit ein Leitmotiv des Films. Genau wie Musik ohne Ausdruck ihre Seele verliert, würde RoboCop Alex ohne Emotionen zur toten Maschine.
Wenn Alex als neuer RoboCop in seine Einzelteile zerlegt und offenbar wird, dass er kaum noch eine Spur des menschlichen Körpers in sich trägt oder wenn sein Dopamin-Level soweit gesenkt wird, dass er regelrecht zur programmierbaren Tötungsmaschine mutiert und ohne eine Regung an seiner Frau Clara (Abbie Cornish) und an seinem Sohn David (John Paul Ruttan) vorbeistampft, dann werden die philosophisch überhöhten Fragen real nachfühlbar und die Science-Fiction-Phantasie entpuppt sich als tragisches Drama über Entfremdung und Selbstbehauptung. Aus der Sicht von Sellars und seinen Schergen sind die menschlichen Gefühle ohnehin das Haupthindernis für ihr angestrebtes „Produkt mit Bewusstsein“, das aber kein Gewissen und nur die Illusion eines freien Willens haben soll. Dieses Porträt grenzenloser Profitgier bekommt durch Michael Keatons („Batman“) Darstellung des visionären Geschäftsmanns faszinierende Schattierungen: Sein Raymond Sellars ist davon überzeugt, dass alles was gut ist für OmniCorp auch gut ist für die Welt – beängstigend realistisch vermischt er Politik, Marketing und Moral. Weniger überzeugend gelingt Padilha die Satire auf die tendenziöse, manipulative und parteiische Berichterstattung bei bestimmten konservativen News-Kanälen, Kolumnisten und Kommentatoren. Die mutwillig überzogenen Auftritte von Samuel L. Jackson als mediales Sprachrohr im Dienste von Law & Order und Big Business sind so grob zugespitzt, dass sie nicht entlarvend wirken und schon gar nicht erhellend.
Die Aktualisierung des Stoffes mag inhaltlich und erzählerisch nicht in vollem Maße überzeugen, aber der neue Look sowie die technische Umsetzung sind tadellos. Das edle Schwarz des RoboCop-Anzugs passt sehr gut zu seinem funktionalen, fast schon eleganten Design (nur das mechanische Surren bei jeder Bewegung fällt da heraus und dient zugleich als ständige Erinnerung an das Maschinenhafte des neuen Alex) und die klinischen Dekors von Labor und Firmenzentrale stehen in wirkungsvollem Kontrast zum buchstäblich unaufgeräumten Polizeirevier. Die Effekte wiederum werden meist sehr organisch eingesetzt (etwa bei einer Traumsequenz mit einer Frank-Sinatra-Projektion) und bei den Actionszenen schreibt Padilha dem RoboCop kühle Effizienz zu, was bei einem ausgedehnten Schusswechsel durchaus sinnfällig in die Optik eines Ego-Shooters übersetzt wird (einschließlich eines Zählers für die erledigten Gegner oben in der Ecke). Joel Kinnaman („Safe House“) wiederum meistert die schwierige Rolle des Cyborgs, dessen Gesicht zu großen Teilen verdeckt ist, sehr ordentlich und zeigt seine Gefühle eben in der Unterlippe. Was rein schauspielerisch in einem solchen Genrefilm alles möglich ist, demonstriert aber einmal mehr Gary Oldman („Dame, König, As, Spion“), der als zwischen professionellem Ehrgeiz und Mitgefühl hin- und hergerissener Wissenschaftler eine weitere kleine Meisterleistung abliefert.
Fazit: Der Brasilianer José Padilha lässt sich vom langen Schatten des Original-„RoboCop“ nicht schrecken und legt eine facettenreiche und unterhaltsame Neuinterpretation des Stoffes vor.