Es gibt Filmtitel, die fassen den Plot so exakt zusammen, dass sie eine eigenartige Faszination ausüben. Vor ein paar Jahren scharte etwa David R. Ellis‘ „Snakes on a Plane" nur aufgrund seines Auf-den-Punkt-Titels schon vor dem Kinostart eine riesige Online-Fangemeinde um sich. Der Film hingegen war eine vorsichtige Enttäuschung, denn man bekam tatsächlich nur genau das geboten, was man sich nach dem Titel ohnehin zusammenreimen konnte: Hunderte Schlangen attackieren die Passagiere eines Flugzeugs. Überraschungen? Fehlanzeige! Bei Jon Favreaus Action-Abenteuer „Cowboys & Aliens" liegt der Fall nun ähnlich. Der Film liefert das, was der Titel verspricht, nämlich gegen Aliens kämpfende Cowboys, aber eben auch nur wenig darüber hinaus. Außerdem liegt der Spektakelwert anders als etwa bei Michael Bays Action-Orgie „Transformers 3" nicht so hoch, als dass er von der kaum vorhandenen Story ablenken würde.
Ein Cowboy (Daniel Craig) erwacht in der Wüste. Sein Gedächtnis ist ausgelöscht, nicht einmal an seinen eigenen Namen kann er sich noch erinnern. An seinem Arm ist eine merkwürdige, metallene Apparatur angebracht, von der er ebenfalls nicht weiß, wie sie da hingekommen ist. In der nahegelegenen Wüstenstadt Silver City stößt der Fremde auf den ansässigen Sheriff Taggart (Keith Carradine, „Dexter"), der ihm offenbart, dass er Jake Lonergan heißt und dass wegen eines Postkutschenraubs ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt ist. Aber noch bevor der Sherriff seinen Gefangenen an die Bundesbehörden übergeben kann, wird Silver City von außerirdischen Fluggeräten überfallen, die das Städtchen mit explosiven Geschossen überziehen und seine Bewohner als Geiseln nehmen. Am nächsten Morgen reitet eine Gruppe um Sherriff Taggart, Jake Lonergan und den mächtigen Rinderbaron Woodrow Dolarhyde (Harrison Ford) den Angreifern hinterher, um die Gefangenen zu befreien und die Invasoren in die Flucht zu schlagen...
Um diesen arg dünnen Plot auf die für heutige Blockbuster üblichen zwei Stunden Spielzeit zu strecken, werden etliche Nebencharaktere eingeführt, deren Füllfunktion als Alienfutter leider allzu deutlich hervorsticht. Nehmen wir zum Beispiel Percy Dolarhyde, der den Einfluss seines Vaters ausnutzt, um Silver City mit sadistischen Spielchen in Angst und Schrecken zu versetzen. Paul Dano lehnt diese Figur nah an seine denkwürdige Figur des Religionsfanatikers Eli aus Paul Thomas Andersons „There Will Be Blood" an und dominiert so die erste Viertelstunde von „Cowboys & Aliens". Dann wird er von den Aliens entführt und kommt fortan praktisch nicht mehr vor. Ein starker Auftritt, einfach verschenkt!
Etwas anders liegt der Fall bei Sam Rockwell („Geständnisse - Confessions Of A Dangerous Mind", „Moon") als Saloon-Besitzer Doc. Ihm wird überraschend viel Leinwandzeit eingeräumt, hier fragt man sich nun, warum sich Favreau gerade dieser nicht sonderlich spannenden Figur so ausführlich widmet, die in ihrer einzigen auffälligen Szene am Ende einem Alien den Kopf wegpustet. Olivia Wilde („Tron: Legacy", „Dr. House") hat als geheimnisvolle Schönheit Ella Swenson hingegen mit einem ganz anderen Problem zu ringen. Nach etwa der Hälfte des Films gibt es eine überraschende, ihre Figur betreffende Wendung, bei der man schon beide Augen zudrücken muss, um nicht völlig aus der Story auszusteigen. Sexy? Auf jeden Fall! Glaubhaft? Nur mit sehr viel gutem Willen!
Gerade im Vergleich zu den schwächelnden Nebenfiguren erweisen sich die beiden Protagonisten zum Glück als ganz andere Kaliber. Mit dem ursprünglich für die Rolle vorgesehenen Robert Downey Jr. wäre „Cowboys & Aliens" zwar vermutlich eine ganze Ecke ironischer ausgefallen, aber uns ist Daniel Craig („Unbeugsam", „Verblendung") trotzdem lieber. Mit seiner von den Auftritten als 007-Agent James Bond („Casino Royale", „Ein Quantum Trost") bekannten unterkühlt-rauen Art bringt er eine angenehme Ernsthaftigkeit ins das ansonsten so absurd-überhöhte Genre-Crossover. Harrison Ford spielt als herrischer Woodrow Dolarhyde (was für ein Name!) zwar praktisch wieder dieselbe Figur des störrisch-grummeligen Anti-Helden wie schon zu Zeiten von „Krieg der Sterne" und „Jäger des verlorenen Schatzes", aber zumindest hat er an der altbekannten Rolle in „Cowboys & Aliens" wieder sichtlich mehr Spaß als etwa zuletzt in „Morning Glory" oder in „Ausnahmesituation".
Wie von „Iron Man"-Regisseur Jon Favreau nicht anders zu erwarten, ist „Cowboys & Aliens" von Anfang bis Ende sauber inszeniert. Gerade nach den atmosphärischen Wildwest-Panoramen in den ersten Minuten des Films wünscht man sich fast, die Aliens würden doch besser wegbleiben und Favreau würde es bei einem reinen Western belassen. Die Alien-Action ist ebenfalls gut in Szene gesetzt, haut einen in der Post-„Transformers 3"-Ära aber nicht gerade vom Hocker. Hier hätte Favreau ruhig ein paar Register mehr ziehen dürfen. Dass es den Actionszenen durchweg an Spannung mangelt, hat auch mit einer konzeptuellen Entscheidung zu tun, die bereits von Autor Scott Mitchell Rosenberg in seiner dem Film zugrundeliegenden Graphic Novel getroffen wurde: Weil Jake Lonergan schon zu Beginn des Films im Besitz einer Alienwaffe ist, gibt es den versprochenen Konflikt zwischen Cowboys und Aliens im Endeffekt viel zu selten. In den meisten Fällen kämpfen die Außerirdischen stattdessen nur gegen Jake und die von ihm stibitzte Laserkanone, während der Rest der Truppe wie unbeteiligte Statisten drumherumsteht und machtlos zuschaut.
Fazit: „Cowboys & Aliens" – das klingt nach einer Jackpot-Filmidee, aber auf der Leinwand gehen die Genres Western und Science-Fiction weniger gut zusammen als vorab zu hoffen war.