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    Happy Tears
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Happy Tears
    Von Björn Helbig

    Mitchell Lichtenstein? Dieser Name sagt wahrscheinlich nur wenigen Menschen etwas. Möglicherweise kennt der eine oder andere ihn als Schauspieler durch gelegentliche Auftritte im Fernsehen. Aber Lichtenstein ist auch Drehbuchautor und Regisseur. Auf der Berlinale 2008 war er im Panorama mit „Teeth“ vertreten. Der Film handelt von einer Frau mit Zähnen in der Vagina. In diesem Jahr schaffte Lichtenstein es mit seinem neuen Werk „Happy Tears“ sogar in den Berliner Wettbewerb. Wie ihm das mit diesem ärgerlichen Comedy-Drama um zwei Schwestern und deren dementen Vater gelungen ist, bleibt ein Rätsel.

    Die Geschwister Jayne (Parker Posey) und Laura (Demi Moore) kehren wegen der gesundheitlichen Probleme ihres Vater Joe (Rip Torn) in ihr Elternhaus zurück. Während Jayne, Frau eines wohlhabenden Künstlers, die Situation anfangs nicht ernst nimmt, ist Laura sofort klar, dass der Vater nicht mehr allein zu Hause leben kann. Denn Joe leidet an einer besonderen Form der Demenz, sein Zustand verschlechtert sich täglich. Die Lebenserwartung des 70-Jährigen schätzen die Ärzte auf maximal zwei Jahre. Da die Schwestern der Geliebten ihres Vaters, der angeblichen Krankenschwester Shelly (Ellen Barkin) nicht über den Weg trauen, überlegen sie, wie sie Joe helfen können. Laura ist dafür, ihm einen Platz im Pflegeheim zu organisieren, während Jayne ihn lieber zu Hause pflegen würde. Doch ihr Vater ist nicht ihre einzige Sorge – nach und nach brechen alte Konflikte zwischen den Schwestern wieder auf.

    „Happy Tears“ ist eine hochgradig peinliche Angelegenheit und dies nicht etwa deswegen, weil Mitchell Lichtenstein in der Manier der Farrelly-Brüder (Verrückt nach Mary, Nach 7 Tagen – Ausgeflittert) über die Stränge schlägt und diverse Tabus bricht. Es ist vielmehr die leichtfertige, wenig clevere und gänzlich uncharmante Art, sich mit einem ernsten Thema auseinanderzusetzen, die den Film so schwer erträglich macht. Wie Menschen, die persönliche Erfahrungen mit den behandelten Problemen haben, auf eine derart fahrlässige und unausgegorene Umsetzung reagieren, dürfte klar sein. Für sie ist „Happy Tears“ wahrscheinlich eine Zumutung. Es ist natürlich nicht verboten, sich über Krankheiten lustig zu machen, aber wer dies versucht sollte wissen, was er tut und seine Pointen ins Ziel bringen. Das gelingt Lichtenstein an keiner Stelle. Der Regisseur war sich augenscheinlich nicht einmal sicher, ob er eine Komödie oder ein Familiendrama drehen wollte, geschweige denn, um welches Thema es darin eigentlich gehen sollte.

    Wovon Mitchell Lichtenstein, Sohn des berühmten Künstlers Roy Lichtenstein, in seinem Film erzählen will, wird bis zum Schluss nicht deutlich. Dabei ist die Ausgangssituation mit der konfliktgeladenen Dreierkonstellation von zwei Schwestern und ihrem kranken Vater von großer Klarheit und Einfachheit. Aber Lichtenstein überfrachtet seinen Film darüber hinaus mit allem Möglichen von im Garten versteckten Schätzen bis zu toten Hunden. Jayne will gerne ein Kind, ihr überbeiteter Mann Jackson (Christian Camargo, Das Vermächtnis des geheimen Buches), der unter einem Vaterkomplex leidet, aber nicht. Laura ist dagegen, dass Jayne sich so teure Schuhe kauft, aber dafür, dass Papi ins Altersheim gesteckt wird. Nach einer Schatzjagd und einer Affäre mit dem Kapuzennachbarn sind zum Schluss doch alle irgendwie glücklich - sogar der Antiquitätenhändler, denn der hat ja die hölzerne Ananas. Nur Jackson muss leider in die Irrenanstalt. Ein roter Faden? Fehlanzeige. Die selbstverliebte und enervierende Inszenierung ist unpassenderweise noch mit allerlei überflüssigen Traumsequenzen angereichert. Der Schuhverkäufer erscheint Jayne als Geier, während eines LSD-Trips mit dem Nachbarn sieht sie Quallen und manchmal träumt sie von Shelly. Diese kurzen Einschübe tragen weder zur Handlung noch zur Charakterzeichnung bei. Dagegen verhindert dieses kleinteilige und willkürliche Erzählen jedes Aufkommen von Atmosphäre.

    Demi Moore (Ghost, Die Akte Jane), Parker Posey (The Eye, Adam & Steve), Rip Torn (Marie Antoinette, Deine, meine, unsere), Ellen Barkin (The Big Easy, Fear And Loathing In Las Vegas) sind keine Schauspieler der ersten Garde, trotzdem ist das Potenzial dieser Besetzung beachtlich. Doch leider versagt Lichtenstein auch in Sachen Schauspielerführung. Während Moore lustlos agiert und nur von Zeit zu Zeit ein missmutiges Gesicht zieht, schneidet Posey hemmungslos Grimassen, was in den seltensten Fällen mit der Filmhandlung in Zusammenhang gebracht werden kann. Barkin spielt wie schon in Ocean's 13 selbstironisch mit ihrem gruseligen Äußeren und gibt diesmal die abgewrackte, drogensüchtige Gelegenheitsnutte, dass es zum Fürchten ist. Die undankbarste Rolle hat aber Rip Torn abbekommen: Am Anfang muss er eine Szene spielen, in der Joe in die Hose macht, womit Lichtenstein offenbar die ernsten Seiten seines Krankheitsthemas abgehandelt zu haben glaubt. Für den Rest des Films lässt er Torn nämlich nur noch dümmlich dreinschauen. „Happy Tears“ ist eine absolute Erniedrigung für alle Beteiligten. Die ganze Verachtung für seine Figuren zeigt der Regisseur, der auch das Drehbuch zu verantworten hat, am Ende, als er die drogensüchtige Barkin als zugedröhnte Shelly wie einen Hund durch die Türluke kriechen lässt, um ihr als „Leckerli“ noch ein paar Silbermünzen zustecken zu lassen.

    Fazit: Mitchell Lichtenstein fährt seinen Film mit Vollgas gegen die Wand. „Happy Tears“ wird niemanden zum Lachen und kaum jemanden zum Weinen bringen. Und wenn doch, dann sind es mit Sicherheit keine Tränen der Rührung und schon gar keine Freudentränen über einen gelungenen Film.

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