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    To Die For
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    To Die For
    Von Ulf Lepelmeier

    Bei einem Blick auf die aktuelle TV-Landschaft kommt man nicht umhin, zahlreiche Sendeformate zu erspähen, die in erster Linie den Voyeur im Zuschauer ansprechen. Ohne Rücksicht auf Privatsphäre werden die Protagonisten hier bei Partnerfindung sowie Stil-, Familien- und Schuldnerberatung von der gnadenlosen Kamera verfolgt. Doch meist geben die Menschen für ihre 15 Minuten Ruhm im Nachmittagsprogramm erschreckend gern freizügig Einblick in intimste Wünsche, Gedanken und Empfindungen. Regisseur Gus Van Sant (Elephant, Paranoid Park, Milk) nahm bereits 1995 mit seiner bitterbösen Mediensatire „To Die For“ den Fernsehdrang des gemeinen Bürgers sowie den medialen Moralverfall aufs Korn. Mit Suzanne Stone schuf er dabei eine durchtriebene Hauptfigur, die aufgrund ihrer Verbissenheit im Gedächtnis des Zuschauers hängen bleibt.

    Schon im Kindesalter ist sich Suzanne Stone (Nicole Kidman) aus dem verschlafenen Nest Little Hope in New Hampshire sicher, dass sie Karriere beim Fernsehen machen will. Dank ihrer Hartnäckigkeit ergattert sie bei einem kleinen kommunalen Sender einen Job als Wettermoderatorin, den sie mit großer Ernsthaftigkeit und Penibilität ausfüllt. Doch dann gibt ihr treuherziger Ehemann Larry (Matt Dillon) plötzlich Widerworte und konfrontiert Suzanne mit seinem Kinderwunsch. Der durchtriebenen Karrierefrau passt das natürlich überhaupt nicht. Schließlich fühlt sie ihren Traum von der großen TV-Karriere bereits zum Greifen nahe. Suzanne fasst den Plan, ihren zur Last gewordenen Mann aus dem Weg zu schaffen. Dabei sollen ihr drei Jugendliche helfen, die sie bei der Arbeit an ihrer Dokumentation „Teens Speak Out“ kennen gelernt hat…

    „In Amerika bist du ein Niemand, wenn du nicht im Fernsehgeschäft mitmischt. Denn es macht doch keinen Sinn, wenn du etwas tust und dir keiner dabei zusieht.“ – Suzanne Stone

    Nach „Even Cowgirls Get The Blues“, der weder bei Publikum noch Kritik Begeisterungsstürme hervorrief, meldete sich Gus Van Sant 1995 mit „To Die For“ im Wettbewerb der Filmfestspiele in Cannes erfolgreich zurück. Gleich zu Beginn des Films deuten Ausschnitte aus Zeitungsartikeln und Nachrichtensendungen an, dass die TV-Wetterfee in den Mord an ihrem Mann verwickelt sein könnte. Erst danach wird die Geschichte der karriereversessenen Frau auf sehr ironische, teils sogar spöttische Weise von hinten aufgerollt. Dies geschieht in Form von Interviews und Talkshows, deren Inhalte in Spielszenen noch einmal ausgebreitet werden, wodurch der Film eine eigenwillige, dokumentarisch anmutende Struktur erhält. So spiegelt die Satire auf gewitzte Weise gerade die Medienformate wider, die sie an den moralischen Pranger stellt. Ähnlich unorthodox und sprunghaft wie die Erzählweise ist auch die musikalische Untermalung, die extreme Genrewechsel vollzieht und von Knabenchören über Orchestereinsätze und Elektronikparts bis hin zu Ethno- und Rockinstrumentierung reicht. Dabei ist bereits an den ersten Musiksequenzen zu erkennen, dass Danny Elfman, der Haus- und Hofkomponist von Tim Burton, für diese verantwortlich zeichnet.

    Nicole Kidman (The Hours, Moulin Rouge, Australia) ist die karrierefixierte Suzanne Stone, die mit ihrem antrainierten Presselächeln nicht nur sprichwörtlich über Leichen geht, wenn es ihrem Traum von Fernsehpräsenz und Berühmtheit förderlich ist. Mit großer Spielfreude verkörpert sie das in Pastelltönen umherstolzierende TV-Biest mit Barbieattitüde und legt dabei ein enormes komödiantisches Talent an den Tag. Während Matt Dillon (Verrückt nach Mary, L.A. Crash) sich mit seiner Darstellung des liebestrunkenen Ehemanns eher im Hintergrund hält, begeistern Joaquin Phoenix (Gladiator, Walk The Line) und Alison Folland (Boys Don‘t Cry) als desillusionierte White-Trash-Jugendliche, die sich von den schillernden Lügengebilden der hübschen Wetterfee blenden lassen.

    Der im amerikanischen Denken tief verankerte Glaube, die eigenen Träume verwirklichen zu können, wird von Suzanne so kompromisslos gelebt, dass aus den Träumen ein Albtraum wird. Der Film bringt das am besten in jener Szene auf den Punkt, in dem kurz vor Suzannes heuchlerischstem Auftritt im eingeschalteten Fernsehen die amerikanische Nationalhymne erklingt. Die überzeichneten Charaktere führen in Verbindung mit den vielfältigen Perspektiven, die aufgrund der unterschiedlichen Standpunkte der interviewten Personen zustande kommen, zu einer großen Distanz zu den Figuren und ihren Schicksalen. Auch wenn der Film nahezu lehrbuchhaft auf die ewigbösen Medien einschlägt, ist dank seines subversiven Humors und der omnipräsenten Ironie jede Anschuldigung wegen eines womöglich zu erhobenen Zeigefingers unangebracht.

    Fazit: „To Die For“ ist eine tiefschwarze Satire über Medienversessenheit und krankhaften Geltungsdrang, die mit einer verteufelt gut aufspielenden Nicole Kidman und einer ungewöhnlichen, selbstreferentiellen Erzählweise auftrumpft. Außerdem spielt Gus Van Sant in seinem Film genüsslich mit der Sensationsgier und dem Voyeurismus der heutigen Fernsehlandschaft.

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