Hatte man bei Park Chan-Wooks letztem Experiment "I´m A Cyborg, But That´s OK" oftmals das Gefühl, dass sich hinter der (Tragi-) Komik in Wirklichkeit viel Melancholie und Dramatik verbergen, ist der Eindruck, der nach "Durst" bleibt, eher das Gegenteil. Das ist zunächst etwas verwirrend, aber letztendlich nicht minder unterhaltsam - und zwar nicht nur in künstlerischer, sondern auch in direkter Hinsicht.
Mit "Durst" macht Park Chan-Wook wieder das, was er in seinen vorherigen Filmen gemacht hat, nämlich eine Mischung aus tragischen Charakteren, Schicksalsschlägen, Gewalt und Dramatik - nur rückt hier der Humor mehr in den Vordergrund. Dieser ist zwar meistens pechschwarz, sorgt aber dennoch öfter als gewohnt für ein Grinsen seitens des Zuschauers. Dabei leidet die Dramatik des Filmes nie darunter, sondern bekommt durch den Sarkasmus genau die Würze, die sich nicht zu einem bloßen Trauerspiel verkommen lässt - was angesichts der eher überraschungsloser Geschichte nur logisch ist. Doch wo wirklich große Wendungen, die man vom Regiesseur sonst erwartet, wie schon in seinem letzten Film ausbleiben, kann "Durst" mit zahlreichen Ideen auftrumpfen, die mal einen leicht trashigen Charme verspüren, mal durch ihre unendliche Morbidität auffallen und mal einfach nur für Stauenen sorgen. Nach ca. eineinhalb Stunden bricht der Film zudem aus seiner bis dahin zu großen Teil sehr ruhigen Erzählweise aus und präsentiert eines Szene, die dramatisch, erfüllend, verstörend, amüsant und episch ist und die ganze Stimmung einige Stufen nach oben wirft.
Es gleicht einem Sakrileg, irgendwelche Beispiele für den Einfallsreichtum des Films zu geben - es ist besser, ihn möglichst unvorbereitet zu sehen und sich an seiner Vielfalt zu erfreuen, die einen von Szene zu Szene überrascht, erschlägt, einem zuzwinkert und sich in den - wie sollten sie auch sonst sein - perfekten Bildern lustvoll windet. Auch allgemein ist "lustvoll" ein wichtiges Stichwort des Films: Abgesehen davon, dass die ganze Story stark erotisiert ist, inszeniert Park Chan-Wook auch die Gewalt nicht nur wie gewohnt schockierend, sondern manchmal mit einer fast schon zynischen Leichtigkeit - zum Selbstzweck verkommt sie dennoch nie, sondern dient wunderbar der Charakterisierung der Figuren.
Leicht enttäuschend ist der Soundtrack: Hat man sich bei "Oldboy" und "Sympathy For Lady Vengeance" an die alles durchdringende Musik gewöhnt, fällt einem auf, dass hier die musikalische Untermalung leicht, aber doch merklich zurückgeschraubt wurde, was den Fluss des Werks manchmal doch etwas stört.
Dafür stellt "Durst" tatsächlich in jeder Hinsicht den anderen - und in diesem Falle auch besseren - Vampirfilm dar. Er verzichtet tatsächlich durchgehend darauf, Vampirzähne zu zeigen, und auch seine (wenigen) Schockszenen sind wieder durchtränkt von einem schwarzen und zynischen Humor. Vielmehr ist der Film eine Psychostudie, die Menschen in einer Extremsituation zeigt - und zwar in einer der extremsten, die man sich vorstellen kann. Hier werden zwei Seiten des Vampirdaseins dargestellt: Die erste, die zunächst befreiend scheinende, lustvolle Auslebung der eigenen Macht und die zweite, die schuldbewusste Erkenntnis der damit verbundenen Triebe, die irgendwann in keinem Einklang mehr zu moralischen Richtlinien stehen können. Und die Konsequenz beider Seiten wird in "Durst" bis zum Exzess zelebriert.
"Durst" hat nicht die berauschende Poesie von "Lady Vengeance" und auch nicht die schonungslose Härte von "Oldboy", an diese beiden Meisterwerke kommt er gewiss nicht heran - aber er stellt sich hämisch grinsend knapp dahinter an. Er braucht einige Zeit, um voll in die Gänge zu kommen, aber dann wird er - zumindestens für Park Chan-Wook-Fans und andere augenzwinkernde Cineasten - zu purer Unterhaltung: Brutal, sexy, virtuos, stylisch, morbide, tiefsinnig und stets mit triefendem Sarkasmus gefüllt. "Durst" ist nicht Park Chan Wooks bester Film - aber sein blutigster und witzigster. Und damit wohl auch seine erste schwarze Komödie - sowie der Beweis dafür, dass er jedes beliebige Genre nicht nur beherrscht, sondern auch originell neuzuinterpretieren weiß.