Von dem Projekt in den USA, das in Sachen Faschismus eines der erschreckendsten ist, wird wohl jeder schon gehört haben. Nun lässt Regisseur Dennis Gansel die Verfilmung auf das Kinopublikum los und versetzt den Stoff in ein Gymnasium in Deutschland. Was mit scheinbar harmlosen Grundsätzen beginnt, entwickelt im Laufe der Zeit eine starke Eigendynamik. Nach dem ersten Mal sehen fand ich ''Die Welle'' ganz gut, vor allen Dingen wegen der guten Inszenierung.
Denkt man über den Film länger nach, offenbaren sich deutliche Schwächen, die zu Beginn noch von der packenden Inszenierung kaschiert wurden: Sehr interessant und bezeichend für den gesamten Film ist der Titel des Kurses: Autokratie – im Grunde nur ein Synonym und ''Deckname''für Diktatur, wie Gansel selbst feststellte, denn letzterer Begriff als Überschrift wäre zu eindeutig. Aber gerade die Notwendigkeit des eigenen Schachzuges hätte Gansel aufschrecken lassen müssen, in welch schlechter Spielsituation er sich befindet: der Film ist viel zu simpel und vorhersehbar, wobei letzteres an sich angesichts des allseits bekannten Endes nicht einmal so verheerend ist, da es sich eher um eine Frage nach der Art und Weise der Durchsetzung des Prinzipien handelt. Aber auch hier wird der Zuseher sehr enttäuscht:
Die Entwicklungen der Charaktere von scheinbar ziellosen Einzelgängern hin zu festen Mitgliedern einer Gemeinschaft geschieht unglaubwürdig deutlich und schnell, zumal es sich bei der Welle bloß um einen Zusammenschluss handelt, der sich nicht einmal politisch engagiert, sondern lediglich gegen ''soziale Ungerechtigkeit'' wettert.
Am Ende des Projekts steht im Großen und Ganzen nur das ''Prinzip Gemeinschaft'', das durch ''Macht durch Handeln'' nur auf einer persönlichen direkten Ebene ergänzt wird, sodass die Handlungen nicht durch die eigenen Einstellungen oder gesellschaftliche Prinzipien eingeschränkt und beeinflusst werden. Die daraus resultierende Darstellung der Gemeinschaft als das der heutigen Jugend fehlende ist einfach zu plakativ und faktisch kaum haltbar.
Dass man die Gemeinschaft als Teil einbinden kann in ein gesellschaftskritisches Konzept hat schon David Finchers ''Fight Club'' gezeigt, der für ein tiefgründiges Gesellschaftsporträt lediglich zwei beziehungsweise einen Charaktere brauchte. ''Die Welle'' hingegen ist viel zu oberflächlich, was im Detail auch für die Ausabeitung der Charaktere gilt. Karo z.B. ist ebenso wie ihr Freund Marko, der nach der Scheidung seiner Eltern das System Gemeinschaft auch Spitze findet, aufgrund der (oberflächlich dargestellten) antiautoritären Erziehung zu Hause, die durch einen scheinbar verzogenen Jungen peinlich plakativ verdeutlicht werden soll, zu Beginn sehr erfreut.
Sieht man den Film ein weiteres Mal mit dem Bewusstsein über die Belanglosigkeit der meisten Szenen und dem schwachen Endergebnis ''Prinzip Gemeinschaft'' erscheint ''Die Welle'' als zu selbstverliebt, naiv, oberflächlich und plakativ. Die Bemühungen um ein suksessives und damit auch authentischeres Auftreten der Vorkommnisse sind zwar lobenswert, aber nur gering erfolgreich. Oft ist der Film auch sehr seltsam, wenn beispielsweise die Ansichten der Schüler über Politik und Gesellschaft ein bisschen schräg sind.
Trotz all dieser enormen Defizite kann man dem Film zu Guten halten, dass die Athmosphäre der oberen Klassenstufen gut übertragen wird. Die klaren Bilder der, insbesondere für deutsche Filmverhältnisse, gar nicht so üblen Kamera fügen sich gut in die Inszenierung ein, die ihre Authenizität aber auch über das hervorragende Spiel Jürgen Vogels bezieht, der mit seinem Rainer Wenger die Welle als sympatischer Lehrer überhaupt erst ermöglicht. Er ist aber auch der einzige Lichtblick unter den ansonsten schwachen Erwachsenen, die teilweise nicht einmal mit den Jüngeren mithalten können: Frederick Lau leidet zwar wie die anderen sichtlich unter der mangelnden Charakterisierung, spielt aber dennoch recht gut, liefert wie Max Riemelt und Jennifer Ulrich eine solide Leistung ab und kann sich deutlich von seinen Mitschülerinnen und Mitschülern abheben, die mit ihren Fähigkeiten trotz der einafchen Charaktere früh an ihre Grenzen stoßen.
FAZIT: Die suksessive auftretenden ''Mechanismen'' der Welle und die packende Inszenierung können über die Naivität und Plakativität nicht hinwegtäuschen.