Österreichische Filme gelten nicht selten als pessimistisch. Die New York Times schrieb einmal, dass das deutsche Nachbarland zur Hauptstadt für „Feel bad cinema“ geworden sei. Auch das Drama „Revanche“ ist nun nicht gerade ein Feel-Good-Movie, dennoch legt Regisseur Götz Spielmann (Antares) viel Wert darauf, ein optimistischer Filmemacher zu sein. Das zeigt auch sein neues Werk, denn bei aller Tragik gesteht er seinen Charakteren doch stets einen Schimmer Hoffnung zu. Die geschickt konstruierte Geschichte um die dramatischen Folgen eines Banküberfalls bietet trotz betonter Langsamkeit fast durchweg spannende Unterhaltung und gefällt dank eines starken Drehbuchs und überzeugenden Schauspielleistungen.
Kleinganove Alex (Johannes Krisch) arbeitet in einem Wiener Bordell als Handlanger des Chefs. Seine Liebe zur Prostituierten Tamara (Irina Potapenko) hält er geheim. Um sie von ihren Schulden zu befreien und seinen eigenen lästigen Job loszuwerden, fasst er den Plan, eine Volksbank zu überfallen. Als zufällig ein Polizist (Andreas Lust) vorbeikommt, eskaliert die Situation: Der Beamte schießt auf das flüchtende Fahrzeug und verletzt Tamara tödlich. Alex zieht sich verzweifelt auf den Hof seines Großvaters zurück. Dort entdeckt er, dass der Polizist mit seiner Frau in unmittelbarer Nachbarschaft lebt…
Die Story um den folgenreichen Banküberfall riecht zunächst nach diversen Klischees. Doch „Revanche“ ist weit davon entfernt, Altbekanntes durchzukauen. Ab dem tödlichen Zwischenfall entwickelt sich die Geschichte konsequent weiter und bleibt dabei stets unvorhersehbar. Der Film schlägt mehrmals scharfe Wendungen. So sorgt das nahezu perfekt konstruierte Drehbuch stets für gelungene Überraschungen. Das einzige Manko ist die Wiederholung bestimmter Motive: So hilft Alex seinem Großvater beim Holzhacken, was die unstillbare Wut des Bankräubers darstellen soll. Dies einige Male anzudeuten, wäre verständlich gewesen. Es jedoch mit aller Macht zu einem zentralen Motiv aufzubauschen, trübt den starken Gesamteindruck allerdings ein wenig. Auf einige derartige Szenen hätte gewinnbringend verzichtet werden dürfen.
Über die gesamte Spielzeit von etwa zwei Stunden wird dem Zuschauer praktisch keine musikalische Untermalung vorgesetzt. Kameramann Martin Gschlacht hat außerdem ein Faible für ruhige Bilder und eine statische Kamera. Dabei wählt er die Bildausschnitte stets so geschickt, dass der Zuschauer voll ins Geschehen reingezogen wird. Nach einem etwas temporeicheren Einstieg im Wiener Rotlichtmilieu spielt sich die Handlung später ausschließlich auf dem Land ab. Die dort sprichwörtlich langsamer tickenden Uhren finden auch in der formalen Ausgestaltung des Films ihre Entsprechung. Spannend ist der deutliche Kontrast zwischen der in sich ruhenden Natur und den massiven menschlichen Konflikten. So wird der stille See im Wald plötzlich zu einer spannenden Kulisse, wenn sich Polizist und Bankräuber dort zum ersten Mal begegnen.
Mit dem Filmtitel „Revanche“ weckt Regisseur Götz Spielmann beim Zuschauer Erwartungen an ein Rachedrama. Vergeltung ist dann auch eines der zentralen Themen des Films, wenn es ihn auch nicht allein beherrscht. Denn im sportlichen Sinne bedeutet „Revanche“ eine zweite Chance, einen Gegner in einem erneuten Match zu schlagen. Auch hier setzt der Film ebenfalls an. Der Kleinganove Alex hat von Beginn an den Plan, sein Leben radikal umzukrempeln. Als die Veränderung dann jedoch drastischer ausfällt als gedacht, schmiedet er neue, von Rachegefühlen getriebene Pläne. Allerdings liegt er mit seiner Einschätzung des Polizisten völlig falsch, was er jedoch erst beim Aufeinandertreffen am See feststellt.
Um ihre Rollen optimal auszufüllen, haben sich die Darsteller intensiv vorbereitet. Irina Potapenko verbrachte einige Nächte im Bordell, tanzte dort an der Stange und trank mit den Kunden Sekt. Andreas Lust begleitete mehrere Tage Polizisten bei ihrer täglichen Arbeit. Hauptdarsteller Johannes Krisch fuhr ein Zeit lang mit dem Chauffeur eines Bordells durch die Stadt. Diese Vorbereitung hat sich ausgezahlt. Theaterschauspieler Krisch trägt in seiner erste Hauptrolle in einer Kinoproduktion ohne Probleme den Film. Den grimmigen Kleinganoven spielt er mit einer Ausdruckslosigkeit und Wortkargheit, die oft in glaubhaften Gefühlsausbrüchen münden. Andreas Lust als spießiger Beamter mit Gewissenskonflikten ist ein weiterer Höhepunkt des Films. Und auch Irina Potapenkos kurzer Auftritt hinterlässt einen bleibenden Eindruck.
Österreich schickt „Revanche“ ins Rennen um den Auslands-Oscar. Der durchweg überzeugende Film, der auf der Berlinale drei Preise einheimste, ist ein kleines Filmjuwel mit einem winzigen Wermutstropfen: Die Spieldauer hätte ruhig etwas kürzer ausfallen dürfen. Die Länge weckt bisweilen den Eindruck, sich damit künstlich von Fernsehfilmen absetzen zu wollen. Zwar benötigt die verstrickte Geschichte Zeit zur Entfaltung, aber gleichzeitig fallen Szenen auf, die im Nachhinein nicht unbedingt von Bedeutung sind. Dafür ist die Charakterentwicklung schlicht ausgezeichnet. So wirkt „Revanche“ lange nach und macht Lust auf die nächsten Filme des österreichischen Optimisten Spielmann.