Der ominöse Planet Hollywood liegt offensichtlich in einem Paralleluniversum. Auf den ersten Blick sieht es dort aus wie anderswo auch. Dabei ist im Endeffekt alles, egal ob Gefühle, Dramen, Katastrophen oder auch Glück, einfach nur ein wenig larger than life. Im Idealfall bemerkt das Publikum diese Überspitzung des normalen Lebens gar nicht, wenn sich Hollywood mal wieder seiner obersten Direktive unterordnet: Leute unterhalten und dabei möglichst viel Geld verdienen. Manchmal ist die Hollywood’sche Realität aber derart weit vom Planeten Erde entfernt, dass es schon einer immensen Kraftanstrengung seitens des Zuschauers bedarf, um diese zu schlucken. Das trifft nun auch auf Robert Luketics Screwball-Komödie „Die nackte Wahrheit“ zu. Allein der hervorragend aufspielende Gerard Butler hievt die überdrehte Reißbrett-Farce zumindest ins Mittelmaß.
Die junge TV-Produzentin Abby Richter (Katherine Heigl) bestimmt in der lokalen Fernsehstation A.M. Sacramento den Takt und hat alles fest im Griff. Nur die Quoten ihrer Morningshow bereiten ihr Probleme. Ihr Boss Stuart (Nick Searcy) gerät bei den Senderchefs zunehmend unter Druck. Stuarts rettende Idee: Er verpflichtet den Supermacho Mike Chadway (Gerard Butler), der mit seiner Show „Die nackte Wahrheit“ im offenen Kanal erfolgreich chauvinistische Lebensratschläge verteilt. Mike nimmt kein Blatt vor den Mund, aber das Publikum liebt seine direkte Art – womit er nun auch A.M. Sacramento zu durchschlagendem Erfolg verhilft und die Quoten der Morgenshow wieder nach oben bringt. Abby ist zunächst nur angewidert von dem derben Kerl, aber das ändert nichts an dem Fakt, dass sie zur Zusammenarbeit mit ihm gezwungen ist. Da Abby in Liebesdingen einfach kein Glück hat und ständig an ihren unrealistischen Ansprüchen an einen Traummann scheitert, bietet ihr Mike einen Deal an: Er will ihr mit seiner kolossalen Lebenserfahrung zu ihrem Prinzen verhelfen. Scheitert er, nimmt Mike freiwillig seinen Hut bei A.M. Sacramento. Das Abby’sche Objekt der Begierde ist ihr Nachbar Colin (Eric Winter), ein gutaussehender Arzt, der zunächst jedoch keinerlei Interesse an Abby zeigt…
Jede Ära hat ihre Form der Komödie. Die Screwball-Comedy erlebte zwischen Mitte der Dreißigerjahre bis Anfang der Vierzigerjahre mit Filmen wie Leoparden küsst man nicht, Die Nacht vor der Hochzeit und Rendezvous nach Ladenschluss ihre Hochzeit. Regisseur Robert Luketic (Natürlich blond, 21, Das Schwiegermonster) will mit seiner romantischen Komödie „Die nackte Wahrheit“ diese Zeit nun wieder heraufbeschwören und schickt seine Hauptdarsteller Gerard Butler (300, P.S. Ich liebe dich, Rock N Rolla) und Katherine Heigl (Beim ersten Mal, 27 Dresses, „Grey’s Anatomy“) auf die Spuren von Cary Grant und Katherine Hepburn. Zwar hat dieser überdrehte Stil mit der heutigen Komödienrealität nichts mehr gemein… aber geschenkt, Hollywood ist nun mal eine Traumwelt. Kriegsentscheidend ist vielmehr, ob die Chemie zwischen den Darstellern stimmt. Der Rest ergibt sich dann fast von selbst. Leider geht dieses Konzept im Fall von „Die nackte Wahrheit“ nur zur Hälfte auf.
Gerard Butler brilliert in seiner Rolle des Chauvis, unter dessen knüppelharter, zynischer Schale sich natürlich ein weicher Kern verbirgt. Der Schotte versprüht Unmengen an rauem, entwaffnendem Schrotflintencharme. Butler vollbringt das kleine Kunststück, seinem Macho trotz aller Grobheit das Herz an den rechten Fleck zu setzen und ihn sympathisch rüberkommen zu lassen. Immer, wenn Butler auf der Leinwand erscheint, reißt er das Geschehen komplett an sich. Bei Katherine Heigl sieht es hingegen ganz anders aus. Obwohl sich ihre Figur nach Aussagen der Drehbuchautorinnen Nicole Eastman, Karen McCullah Lutz und Kirsten Smith (Bride Wars, House Bunny, Natürlich blond) auf ein reales Vorbild stützt, „das in ihrem Job großartig und bei Verabredungen eine totale Niete ist“, stößt die Formelhaftigkeit, mit der die Charakterversatzstücke zusammengesetzt sind, bitter auf. Da ist zum Beispiel Abbys absurde Zehn-Punkte-Checkliste, die jeder Mann erfüllen muss, damit er in die engere Auswahl fällt. Wer zum Beispiel im Restaurant stilles Wasser statt Leitungswasser bestellt, hat bei ihr gleich einen schweren Stand. Erst als Mike, der nur eines von zehn Must Haves erfüllt, eingreift, rückt Abby ein wenig von ihren übersteigerten Vorstellungen ab. Bis die beiden aber glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben können, müssen allerdings noch einige Hindernisse überwunden werden, wobei gerade Heigl dabei vom Drehbuch mit den besonders unangenehmen Aufgaben betraut wird.
Während Butler nämlich mit Spaß, Ironie und Charisma gegen sich andeutende Klischeefallen anspielt, muss Heigl einen Spießrutenlauf durch die Fettnäpfchen absolvieren, der in einer unsäglichen Harry und Sally-Gedächtnisszene gipfelt. Die kopierte Orgasmus-im-vollbesetzten-Restaurant-Sequenz wirkt einfach zu konstruiert und unnatürlich, um Originalität zu versprühen, was sinnbildlich für den ganzen Film steht. Das unterstreicht auch die offene Albernheit, die „Die nackte Wahrheit“ über weite Strecken an den Tag legt. Manchmal trägt dieser Ansatz aber auch unerwartete Früchte. Wenn etwa Abby von Raubein Mike das Fluchen lernt und dies später immer wieder beiläufig einsetzt, ist das schon witzig. Überhaupt bieten die Dialoge allen Vorhersehbarkeiten zum Trotz einige nette Spitzen im Kampf der Geschlechter.
Fazit: Für romantische Herzen ist „Die nackte Wahrheit“ zumindest dann zu empfehlen, wenn die Ansprüche vorab nicht zu hoch geschraubt werden. Rom-Com-Muffel sollten hingegen lieber die Finger von Robert Luketics überzeichneter Screwball-Farce lassen. Aber wer schon immer mal einen Film über die Magie von Leitungswasser sehen wollte, ist mit Katherine Heigl und ihrer „nackten Wahrheit“ sicherlich gut bedient.