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    Noch tausend Worte
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Noch tausend Worte
    Von Björn Becher

    Es ist irgendwie eine geniale Idee: Der seit „Beverly Hills Cop"-Zeiten als unglaubliche Quasselstrippe legendäre Komiker Eddie Murphy darf nichts mehr sagen. Das ist die Ausgangslage von „Noch tausend Worte", der bereits 2008 gedreht wurde, aber erst vier Jahre später in den Kinos zu sehen ist. Warum er erst jetzt veröffentlicht wird? Bekamen die Leute vom Verleih Paramount vielleicht Angst vor der eigenen Courage? Schließlich stehen die Murphy-Fans, die selbst in Rohrkrepierer wie „Norbit" pilgern, hauptsächlich auf das lose Mundwerk des Dauerplapperers. Schlechter als andere in den vergangenen Jahren entstandene Murphy-Ergüsse wie „Zuhause ist der Zauber los" oder „Mensch, Dave!" ist „Noch tausend Worte" sicher nicht, aber die „neue" Komödie von Brian Robbins („Hardball") passt eben nur bedingt in das altbewährte Erfolgsschema. Dabei hat sie sogar einige richtig gute Szenen – doch für rund 90 Minuten Unterhaltung sind es viel zu wenige.

    Literaturagent Jack McCall (Eddie Murphy) ist der Beste in seinem Metier. Er kann wirklich jeden bequatschen, bei ihm zu unterschreiben. Als bekannt wird, dass der Guru Dr. Sinja (Cliff Curtis), der mit Vorträgen ganze Arenen füllen kann, ein Buch plant, wird natürlich McCall von seiner Chefin (Allison Janney) beauftragt, den spirituellen Führer unter Vertrag zu nehmen. Mit einer List gelingt es McCall tatsächlich, sich bei Dr. Sinja einzuschleichen und ihn zu verpflichten. Doch danach steht plötzlich ein riesiger Baum im Garten des Literaturagenten. Und zwischen seinen Redeschwallen muss McCall schnell erkennen, dass dieser Baum für jedes seiner Worte ein Blatt verliert. Dr. Sinja klärt ihn auf: Das ist die Rache der spirituellen Welt für seine Betrügereien - und wenn alle Blätter vom Baum gefallen sind, wird McCall sterben! Die Plaudertasche ist also zum Schweigen gezwungen, dabei wären viele Worte für sie gerade jetzt so wichtig. McCall muss Sinjas Buch, für das ein Rekordpreis erwartet wird, an einen Verlag bringen, ohne dass auch nur eine einzige Zeile des Inhalts bekannt ist. Und auch seine Frau Caroline (Kerry Washington) sowie sein Sohn Tyler (Emanuel Ragsdale) verlangen nach Zuwendung.

    Eddie Murphy wird von seinen Fans für sein lockeres Mundwerk, sein hemmungsloses Chargieren und seine wilde Grimassenschneiderei geliebt. Dabei tritt er wie in den „Der verrückte Professor"-Filmen gern auch absurd verkleidet in Mehrfachrollen auf. In „Noch tausend Worte" gibt es dagegen nur eine einzige Rolle für ihn und seine berühmten Monolog-Salven werden durch die Handlung eingeschränkt, zumal man - abgesehen von einer größeren Szene am Anfang – darauf verzichtet, McCalls Gedanken für uns hörbar zu machen und ihn auf diese Weise weitersprechen zu lassen. So bleibt aus Murphys Standardrepertoire nur die ständige Bewegung der Gesichtsmuskeln und des ganzen Körpers. Der Star zeigt wieder vollen Einsatz und sein Lieblingsregisseur Brian Robbins überstrapaziert diesen Aspekt deutlich. So beschränkt sich die Verbindung zwischen McCall und dem Baum nicht nur auf die Blätter, die bei jedem Wort fallen, sondern der Literaturagent fühlt auch, was dem Baum widerfährt. Wenn dann ein Gärtner anrückt oder ein Duo miserabel animierter Eichhörnchen den Stamm und die Äste anfällt, wird Murphy folglich von der Leine gelassen und darf ungehemmt durch die Gegend zappeln. Gesteigert werden soll die Komik dieser Momente durch den Schauplatz: Natürlich passiert das unfreiwillige Herumgehampele immer während wichtiger Business-Meetings.

    Dabei hat „Noch tausend Worte" einige Szenen, die zeigen, dass die Idee des erzwungenen Schweigens etwas taugt. Wenn sich McCall sprechender Puppen von E.T., Scarface und Austin Powers bedient, um ein Telefongespräch zu führen, ist das nicht nur eine schöne Hommage an diese Klassiker, sondern wirklich lustig. Auch ein Aufeinandertreffen mit seinem Psychiater (Lou Saliba) sorgt für humorige Abwechslung. Redete McCall bei früheren Sitzungen pausenlos und analysierte sich selbst, ohne den Profi überhaupt zu Wort kommen zu lassen, schweigt er sein völlig perplexes Gegenüber nun einfach erwartungsvoll an. Ausgerechnet das hier ausnahmsweise reduzierte Mienenspiel Murphys erweist sich als besonders wirkungsvoll. Und wenn seine eigentlich eher konservative Frau (Kerry Washington) die eingeschlafene Ehe in heißen Dessous und mit reichlich „Dirty Talk" mal wieder in Schwung bringen will, tut einem der schweigende Protagonist richtiggehend leid, verpasst er doch gerade den Sex seines Lebens.

    Die Kernaussage von „Noch tausend Worte" ist klar und wenig überraschend: Taten sind wichtiger als Worte. Diese Moral von der Geschicht‘ wird dem Zuschauer zwar recht unaufdringlich und ohne Kitsch-Overkill vermittelt, aber die Botschaft bleibt dennoch ohne rechte Überzeugungskraft. Denn während man etwa mit einem Adam Sandler in „Jack und Jill" mitfiebert, dass seine Figuren die Erleuchtung finden, weil sie trotz aller Macken und Fehler doch einen stets erkennbaren sympathischen Kern haben, geht dies Murphys McCall lange Zeit ab: Der Typ ist erst einmal ein Arschloch. Er behandelt seinen Assistenten (Clark Duke) wie das Letzte, lässt seine Frau mit der Erziehung des Sohnes komplett allein und kümmert sich nicht einmal um seine alzheimerkranke Mutter (Ruby Dee). Viel zu spät deutet sich hier ein Wandel an und es lässt sich ahnen, dass mehr hinter dieser unsympathischen Hauptfigur stecken könnte.

    Fazit: Nach vier Jahren im sogenannten Hollywood-Giftschrank kommt „Noch tausend Worte" mit reichlich Verspätung in die deutschen Kinos. Aber die Komödie ist keineswegs so schlecht wie dieser Umstand befürchten lässt. Sie ist dennoch unterdurchschnittlich, denn das durchaus vielversprechende Konzept wurde nicht konsequent genug umgesetzt und Eddie Murphy hält sich zu selten zurück.

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