Sicherlich ist gerade „Postal 2“ eines der härtesten Computerspiele überhaupt, die es je in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit geschafft haben. Nicht nur kann man als der „Dude“ wirklich jedem Bewohner der uramerikanischen Kleinstadt Paradise City den Schädel zertrümmern, man kann anschließend sogar noch auf die Leichname seiner Opfer pissen - auch das Zusammenschlagen von verdreckten Pennern oder Bettlern sorgt immer mal wieder für kurzweilige Zerstreuung. Dabei ist das eigentlich komplett sinnlose Spiel mit absurden Aufträgen gespickt, die vom einfachen Milchholen bis hin zum konsequenten Auslöschen einer Anti-Gewalt-in-Computerspielen-Gruppierung reichen. Was soll man nun also von einer Verfilmung dieses in Deutschland indizierten Spiels erwarten? In Anbetracht der bisherigen Werke von Regisseur Uwe Boll und der Kompromisslosigkeit der Computerspielvorlage musste man mit allen denkbaren Abgründen der menschlichen Natur rechnen. Doch diese Vorsichtsmaßnahme ist im Nachhinein überflüssig wie ein Kropf, „Postal“ ist nicht der erwartete Schlag in die Magengrube, sondern bietet lediglich Langeweile pur, und sonst gar nichts.
Er findet keinen Job, er wohnt in einem heruntergekommenen Trailerpark, sein fettes Weib lässt sich von jedem in der Nachbarschaft durchvögeln und Paradise City geht ihm einfach nur noch ganz gehörig auf die Eier – deshalb entschließt sich der Dude (Zack Ward), zusammen mit seinem Onkel Dave (Dave Foley), dem Oberguru einer stark sexorientierten religiösen Sekte, ein großes Ding zu drehen: Der den männlichen Genitalien nachempfundene Cartoon-Charakter Krutchy ist momentan der Star im amerikanischen Fernsehen. Doch der Frachter mit der ersten Merchandise-Ladung ist auf der Überfahrt von Japan versunken, nur 2000 Krutchy-Puppen, die bei eBay bis zu 4000 Dollar einbringen sollen, haben es geschafft. Sie lagern nun im Freizeitpark „Little Germany“, der sich mit seinem Kinderspielplatz „KZ“ und der Krankenabteilung „Dr. Mengele“ stark an Nazideutschland orientiert. Eigentlich ist der Plan des Dude bombensicher, mit willigen Schlampen, die sich sogar ins Maul scheißen lassen, sollen die Wachen abgelenkt werden. Doch da haben die vollgekifften Sektenmitglieder ihre Rechnung ohne den Jihad gemacht. Eine Gruppe von Al-Quaida-Kämpfern um Anführer Osama Bin Laden (Larry Thomas) hat in den Puppen einen tödlichen Vogelgrippe-Virus versteckt und ist so selbst zu allem bereit, um die Krutchy-Dolls in ihren Besitz zu bringen...
Die Eröffnungssequenz von „Postal“ erzählt folgende Szene an Bord eines der beiden Flugzeuge, die am 11. September 2001 in das World Trade Center krachten. Zwei der Al-Quaida-Terroristen haben bereits das Cockpit übernommen, sie machen sich gegenseitig Mut, indem sie sich mit der versprochenen Jungfrauen-Belohnung im Jenseits anstacheln. Dabei müssen sie feststellen, dass einem der beiden 100, dem anderen aber nur 99 unberührte Damen versprochen wurden. Aber wenn sich Osama schon an diesem Punkt unsicher ist, wie sieht es dann erst mit dem Rest seiner Versprechen aus? Ein kurzer Anruf beim Chef übertrifft die Befürchtungen noch, aufgrund des extremen Anstiegs an Selbstmordanschlägen können nur noch 20 Jungfrauen für jeden sicher garantiert werden. Die Motivation der Terroristen schwindet, statt weiterhin ihr ursprünglich angepeiltes Ziel anzufliegen, wollen sie sich lieber auf den Bahamas absetzen, wo man auf leichtere Art an seine Jungfrauen kommt. In diesem Moment stürmen die wild gewordenen amerikanischen Passagiere das Cockpit und entreißen den hilflosen Arabern das Steuer – das Flugzeug rast wie geplant in einen der Twin Tower. Bei der hier beschriebenen Szenerie kann man sich wahrlich nur schwer vorstellen, wie sie ausgerollt auf der großen Leinwand nicht zu einem Skandal führen sollte. Doch gerade hier liegt das Problem von Uwe Boll und seiner „Postal“-Verfilmung. Natürlich sind viele Dinge respektlos und politisch inkorrekt, wirken in der Schriftform gar wirklich provokativ, aber zugleich sind sie auch filmisch so schlecht, witzlos und angestrengt umgesetzt, dass man anschließend gar keine Lust mehr hat, über sie zu diskutieren. Nicht einmal wenn Boll eine ganze Horde kleiner Kinder niedermäht oder über Behinderte herzieht, kräht ein Hahn nach ihm. Dank der unterirdischen Inszenierung wird aus dem satirischen Sprengstoff ganz einfach ein langweilender, auf Dauer nervtötender Rohrkrepierer.
Bolls Drehtagebuch, das im Pressheft abgedruckt ist, endet mit den Worten: „Einen Film wie Postal’ hat es seit Monthy Pythons Das Leben des Brian’ nicht mehr gegeben.“ – ein weiterer Ausbruch von Bolls altbekanntem Größenwahn, der aber im Gegensatz zu seinem Film durchaus zum vorsichtigen Schmunzeln animiert. Immerhin setzt er den genialen Gags der britischen Comedy-Kulttruppe in „Postal“ lediglich ausgelutschte Sex- und Fäkaljokes entgegen, die plumpe Bebilderung des Uralt-Witzes Deine Frau ist so fett, die muss man mit Mehl einreiben, um die feuchte Stelle zu finden! muss man hier schon zu den absoluten Highlights zählen. Ansonsten versemmelt Boll eine schlecht getimte, sich meilenweit im Voraus ankündigende Pointe nach der anderen: Da explodiert an der einen Stelle in der Stadt ein Auto und fliegt davon, Umschnitt auf einen Typen, der einsam an einer anderen Stelle unter freiem Himmel steht und Mist labert – na, was passiert jetzt wohl? Und es passiert tatsächlich! Zu mehr als solchen flachen Jokes, die zudem auch immer noch so ungeheuer angestrengt daherkommen, dass man meint, man könne den Rauch riechen, der aus den Köpfen der brütenden Autoren hervorquillt, reicht Bolls Humorhorizont ganz offensichtlich nicht. Und das, obwohl er mit „Postal“ doch so gerne eine subversive, vor schwarzem Humor zerberstende Satire abgeliefert hätte. Na ja, leider wird auch diese Kritik Herrn Dr. Boll und seine Aktienleute kaum davon abhalten, es weiter zu probieren. Noch dieses Jahr werden „Seed“ und die „Dungeon Siege“-Adaption „Schwerter des Königs“ in die deutschen Kinos kommen. Aber genau wie niemand Boll davon abhalten kann, weiterhin seinen Müll in die Welt hinauszutragen, kann auch er die deutschen Zuschauer nicht davon abhalten, seinen Filmen ganz einfach fern zu bleiben. Jeder, der noch immer darauf hofft, noch einmal in seinem Leben eine anständige Computerspielverfilmung zu Gesicht zu bekommen, sollte sein Geld zumindest nicht in den Rachen der Boll KG werfen.
Einer dieser Menschen in schwarzen Anzügen, die Boll das Geld für seine Ergüsse rankarren, hielt übrigens vor der Hamburger Pressevorführung noch eine kleine Ansprache, in der er davon berichtete, wie toll „Postal“ doch bei seinen Screenings in Cannes angekommen sei. Alle Fachbesucher seien bis zum Ende sitzen geblieben, was bei solchen Veranstaltungen sicher nicht die Regel sei, und hätten auch jeweils an den richtigen Stellen gelacht und geschwiegen. In Hamburg ging die Luzi jedoch nicht ganz so überschwänglich ab, nach einem einzigen Lacher eines einzigen Journalisten in den ersten fünf Minuten herrschte bis zum Abspann Totenstille. Ob diese mangelnde Teilnahme allein am unterkühlten Charakter der Hanseaten lag, mag zu Recht bezweifelt werden. Bolls Scherze sind weder lustig, noch treffen sie einen so radikal unter der Gürtellinie, dass man sich zu irgendeiner anderen Reaktion hinreißen lassen könnte. Pures Desinteresse ist das einzige, was Boll mit seiner Möchtegern-Satire erntet. Und dieses unendliche Desinteresse mit einer dermaßen perversen, politisch inkorrekten und menschenverachtenden Vorlage wie dem Drehbuch zu „Postal“ hervorzurufen, kann einfach nur einer: Herr Dr. Uwe Boll.
Dass Boll kein Gespür für Komik hat, hat er schon mit German Fried Movie und vor allem Das erste Semester eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Daneben zeigt „Postal“ aber außerdem noch einmal, wie wunderbar Boll auch größere Budgets, in diesem Fall immerhin rund 15 Millionen Dollar, in einer bestenfalls als amateurhaft zu bezeichnenden Produktion verschwinden lassen kann. Man nehme nur den Showdown. Nicht nur kommt nicht einmal bei den mit reichlich großkalibrigen Waffen ausgestatteten Shoot-Outs keinerlei Tempo auf, abgesehen davon hätte diese jeder Hobbyfilmer, der seine Homevideos bei YouTube reinstellt, genauso hinbekommen – abgesehen von zwei Computeranimationen, aber die machen den Kohl dann wahrlich auch nicht mehr fett. Hier hätte sich Boll mal lieber eine ganz gehörige Portion vom Hot Fuzz-Finale abschauen sollen, einfallsloser als in „Postal“ kann man Ballerorgien – trotz Katzenschalldämpfer und einsetzendem Atomkrieg - zumindest kaum noch inszenieren.
Fazit: Sicherlich hatte man sich von „Postal“ nicht mehr als den allerletzten Schund erwartet. Immerhin durfte man aufgrund der Computerspiel-Vorlage und Bolls berühmt-berüchtigten Ankündigungen von einer menschenverachtenden, politisch bis zum Erbrechen inkorrekten Grütze ausgehen. Aber Fehlanzeige! Aufgrund der scheinbar unendlichen Inkompetenz des Regisseurs schafft es keine einzige der nur auf dem Papier anstößigen Szenen, auch auf der Leinwand wirklich zu schocken. Aus „Postal“ wird wohl niemand wutentbrannt herausstürmen – und gerade das ist die größte Schwäche des Films. Denn statt den aufgebrachten Buhrufen des wütenden Pöbels wird „Postal“ wohl bestenfalls nur das eine oder andere mitleidige Gähnen ernten. Diesen harschen Verriss hat sich Uwe nicht verdient, weil ich als Kritiker auf den „guten Geschmack“ achten muss, dann hätte Herr Dr. Boll das einzig sinnvolle Ziel einer „Postal“-Verfilmung nämlich erreicht, sondern weil ich mich als Kinobesucher ganz einfach zu Tode gelangweilt habe.