Pixar produziert mittlerweile ja eigentlich nur noch Meisterwerke, stets mit frischen Ideen. „Oben“ reiht sich da einfach ein. Über die Optik muss man da kaum noch Worte verlieren, da Pixar in diesem Gebiet schon längst die Perfektion erreicht hat, obgleich es in diesem Fall die Animation der hunderten von Ballons ist, wo ein weiterer Durchbruch für den Realismus von so vielen Details wie möglich geschaffen wurde. Nicht zu Unrecht unterstellen Zyniker, dass Pixar-Filme bald schon „zu echt“ aussehen werden. Doch andererseits muss man sich angesichts der drollig gebauten Akteure, immer noch ein Pixar-Markenzeichen, über so etwas keine größeren Sorgen machen.
Sind die Figuren auch rein Optisch schon zum Knuddeln, lässt sich sagen, dass „Oben“ mit mehr Stil seine Liebenswürdigkeit versprüht als der Vorgänger „Wall-E“. Denn das Drehbuch zeugt von einem großartigen Talent für kluges und feinfühliges Geschichtenerzählen, was vor allem und auf wirklich beeindruckende Weise in der frühen Sequenz zum Vorschein kommt, wo in wenigen Minuten fast das ganze Leben eines Ehepaares geschildert wird, ohne dass auch nur ein einziges Wort fällt. Stattdessen werden immer wieder kleine Gesten oder Andeutungen platziert, die mindestens genauso viel sagen wie tausend Worte. So werden selbst heikle Themen in dem für jede Altersgruppe zugänglichen Film angemessen untergebracht. Stark.
Davor, dabei und danach wechseln sich viele unschuldige wie lustige Gags mit nachdenklichen Momenten ab, die nicht selten durch ihre geradezu überraschende Lebensnähe unheimlich berührend wirken. Die Mischung stimmt und damit funktioniert „Oben“ wirklich fantastisch. Die 3D-Effekte sind da nur ein Plus am Rande, ohne dass der Film zu deutlich auf diese Effekte ausgerichtet ist, doch auch ohne dass man die Effekte missen möchte und sollte.
Es könnte der vielleicht reifste Kinderfilm der Welt sein, wären da nicht einige unnötig naive und weit hergeholte Einfälle, zumal man bestimmt nicht alle von ihnen als Sinnbilder betrachten kann. Die Aufrichtigkeit, die Ehrlichkeit und die Melancholie, mit der die Hauptfigur und deren Beziehungen gezeichnet werden, verhalten sich einfach unstimmig zu diversen Hunden, die aufgrund futuristischer Halsbänder sprechen können. Vielleicht wäre ohne sie ein erheblicher Teil des Humors verloren gegangen, doch zeigt diese Überlegung wiederum nur, wie ausbaufähig selbst ein so wegweisender Film wie „Oben“ noch sein kann.
„Oben“ ist ein erstaunlich überlegter Film, der im weiteren Verlauf häufig ins bunte Kinder-Abenteuer nach Disney-Manier kippt. Die Klugheit scheint sich dabei nur in einem Punkt selbst zu schaden, nämlich indem ein Bösewicht eingesetzt wird, der ein völlig nachvollziehbares Motiv aufweist und dann damit der vom Publikum ins Herz geschlossenen Hauptfigur nach dem Leben trachtet. Doch auch allgemeint ist das Problem, dass sich die Innovation von „Oben“ nicht mit den altbewährten Entertainment-Kniffen für Jung und Alt verweben lässt. Trotzdem ist das Endergebnis berührend, lustig, rasant, kurzweilig, schön, elegant, spektakulär und klug, und alles davon nicht zu knapp. Der Oscar für „Oben“ steht wie schon bei „Wall-E“ und „Ratatouille“ wieder außer Frage, wenn sich diesmal auch „Coraline“ als Underdog an seine Fersen heften dürfte.