Wem gehört Kunst? Dieser kontroversen Frage geht Regisseurin Jane Chablani in ihrer grandios recherchierten Dokumentation „Stealing Klimt“ nach. In dem millionenschweren Kulturgeschäft um Kunstwerke und Privatsammler stellt sich natürlich die Frage, ob Kunst überhaupt Privatbesitz sein kann, oder als staatliches Kulturerbe ausgestellt gehört. Am Beispiel der 2006 durch den österreichischen Staat zurückgegebenen Klimt-Gemälde an Maria Altmann, die Nichte der einstigen Auftraggeber, beleuchtet der Film nicht nur den martialischen Kunstraub des Nazi-Regimes, sondern auch die Schwierigkeiten der rechtmäßigen Rückgabe dieser Beutekunst. Ein Film, der wirklich unter die Haut geht und Platz für Kontroversen bietet.
„Stealing Klimt“ erzählt Maria Altmanns ganz persönliche Geschichte. Die Nichte von Adele Bloch-Bauer (1881-1925), Gattin des österreichischen Großindustriellen Ferdinand Bloch-Bauer (1864-1945), forderten in einem jahrelangen Rechtsstreit mit dem österreichischen Staat den von den Nazis erbeuteten Familienbesitz, darunter auch fünf Kunstwerke des bekannten Jugendstilmalers Gustav Klimt (1862-1918) zurück. Erst 2006 entschied ein österreichisches Schiedsgericht zu Gunsten Bloch-Bauers, die seit ihrer Flucht vor dem Naziregime in den USA lebt. Doch dieses Urteil und der jahrelange Gerichtsstreit zogen große Debatten mit sich. Maria Altmann wurde 1916 als Tochter eine wohlhabenden jüdischen Großbürgertumsfamilie in Österreich geboren. Ihre Tante, Adele Bloch-Bauer, verband als Kunstmäzen mit dem Maler Gustav Klimt eine innige Freundschaft. So malte der bekannte Jugendstilmaler nicht nur die Gemälde „Häuser in Unterach am Attersee“, „Apfelbaum I“ und „Buchenwald/ Birkenwald“ für die Familie, sondern es entstanden auch die beiden weltbekannten Porträts „Adele Bloch-Bauer I“ (auch bekannt als „Die Dame in Gold“) und „Adele Bloch-Bauer II“.
Die 1925 verstorbene Kunstliebhaberin vermachte die Gemälde in ihrem Testament ihrem Ehemann Ferdinand mit der Bitte, die Bilder nach seinem Tod der „Österreichischen Galerie“ zu hinterlassen. Mit Beginn des Naziregimes und der Annexion Österreichs 1938 musste auch Ferdinand Bloch-Bauer das Land verlassen. Die enteigneten Kunstwerke gingen in den Besitz der Nazis über. Vor seinem Tod 1945 verfügte Ferdinand Bloch-Bauer in seinem Testament, dass die Kunstschätze an seine Nichten und Neffen vermacht werden sollten. Von nun an begann der Rechtsstreit David gegen Goliath, Maria Altmann gegen den Staat Österreich. Viele Gemälde gingen schnell wieder in Altmanns Besitz über, nur die fünf wertvollen Klimts blieben als nationales Kulturerbe in Österreich. Mit Hilfe eines befreundeten Anwalts und des Journalisten Hubertus Czernin gelang es Maria Altmann nach einer Gesetzesänderung des österreichischen Rechts 1998 erneut vor Gericht zu gehen. Nach jahrelangen Prozessen in den USA und Österreich entschied 2006 ein Schiedsgericht, dass Österreich die fünf Gemälde an Altmann übergeben sollte. Mit einem Schätzwert von 300 Millionen Dollar sah sich die österreichischen Regierung nicht in der Lage, die Kunstwerke von Altmann für die Staatsgalerie zurückzukaufen und so wurden die Gemälde in die USA gebracht, wo sie Altmann höchstbietend an Privatsammler verkaufte.
Nach jahrelangen Recherchen bringt die britische Dokumentarfilmerin Jane Chablani mit „Stealing Klimt“ eine hervorragende Kunstgeschichte in die Kinos. Mit Hilfe des renommierten Produzenten und Drehbuchautoren Martin Smith, der ebenfalls für die Ausstellung des Holocaust Museums in Washington D.C. verantwortlich zeichnet, gelang dem Duo ein Film, der nicht nur historisch, sondern auch menschlich berührt. Statements von Historikern, Kunsthistorikern und Juristen liefern wissenschaftliche Hintergründe zu den Standpunkten der beteiligten Parteien.
Besonders die Frage über den eigentlichen Wert von Kunst steht hier im Mittelpunkt. Dabei ergreift der Film zu keiner Zeit Partei, lässt alle Seiten zu Wort kommen. Die Frage, ob Kunst nicht der Allgemeinheit zugänglich sein sollte, statt in den Kellern reicher Privatsammler zu hängen, ist aktueller denn je. Das Gemälde „Adele Bloch-Bauer I“ ist mit einem Kaufpreis von 135 Millionen Dollar eines der teuersten Kunstwerke aller Zeiten. Erworben von Unternehmer und Kunstmäzen Ronald S. Lauder ist das Gemälde in der Neuen Galerie in New York der Öffentlichkeit zugänglich. Die anderen vier Gemälde aus der Bloch-Bauer-Sammlung sind im November 2006 bei einer Auktion für einen Gesamtwert von fast 200 Millionen Dollar von anonymen Bietern ersteigert worden.