Laut eigener Aussage hatte Robert Rodriguez die Idee zu „Machete" schon vor rund zwei Jahrzehnten, während er sich auf den Dreh zu „Desperado" vorbereitete. Als er den Film in einer mexikanischen Kleinstadt dann abdrehte und die örtliche Bevölkerung den Nebendarsteller Danny Trejo aufgrund seines martialischen Äußeren für die Hauptfigur hielt und tief verehrte, wusste er, dass er seinen „Machete" gefunden hatte. In den folgenden Jahren kam es aber nie zu einer Umsetzung des Projektes und Trejo lag seinem Freund und Förderer Rodriguez zwei Dekaden lang in den Ohren, doch endlich loslegen zu wollen. Halb im Spaß verriet Rodriguez später, er habe den Fake-Trailer für das mit Buddy Quentin Tarantino ersonnene „Grindhouse"-Projekt nur gedreht, um Trejo endlich ruhig zu stellen. Doch der wurde nach dem Trailer nicht leiser, sondern sogar noch lauter: Nun müsse man erst recht den ganzen Film machen.
Da auch die öffentliche Resonanz ermutigend ausfiel, ließ sich Rodriguez nicht lange bitten, schusterte mit seinem Cousin Alvaro ein Drehbuch rund um die Story aus dem Fake-Trailer zusammen und teilte sich mit seinem langjährigen Cutter Ethan Maniquis die Regie. Dabei gibt der Mann aus Texas seinem Publikum, wonach es verlangt: viel Gore, Titten und knackige Oneliner. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Allerdings weiß man nun auch, warum Rodriguez so lange gewartet hat: Er vertraut den Starqualitäten seines Hauptdarstellers Danny Trejo nicht. Darum platzierte er um seinen Nicht-Star einen möglichst namhaft-abgefahrenen Cast – ein Konzept, das leider nicht immer aufgeht.
„They just fucked with the wrong Mexican!", hieß es so schon im Fake-Trailer aus „Grindhouse". Und dass Ex-Federale Machete (Danny Trejo) ein Mexikaner ist, mit dem man sich lieber nicht anlegen sollte, macht der Film von der ersten Minute an klar. Aus Unwissenheit setzt sich der sinistere Geschäftsmann Booth (Jeff Fahey) ins falsche Boot und heuert Machete als Auftragskiller an. Er soll den ultra-rechten Senator McLaughlin (Robert De Niro), der mit Hassthesen gegen mexikanische Einwanderer auf Stimmenfang geht, ins Jenseits befördern. Eine Falle, denn in Wahrheit soll Machete geopfert und der Senator nach dem gescheiterten Attentat als Märtyrer aus dem Stimmentief geholt werden. Doch Machete überlebt schwer verletzt und sinnt auf Rache...
Ab Ende der 70er Jahre und dann vor allem in dem Jahrzehnt trat das Blaxploitation-Kino seinen Siegeszug durch die amerikanischen Lichtspielhäuser an. Die im weißen Hollywood-Kino unterrepräsentierte afroamerikanische Bevölkerung schuf sich ihre eigenen Heroen: Shaft oder Superfly hießen die Typen, die mit großen Wummen und viel Gewalt gegen meist rassistische weiße Bösewichte zu Felde zogen und dabei immer Zeit für einen Abstecher in den Schoß barbusiger Frauen hatten. Rodriguez bringt nun rund 40 Jahre später die mexikanische Version dieses Subgenres in die Kinos. „Machete" ist Mexploitation-Kino, das sich eins zu eins bei den Motiven seiner nicht zu verleugnenden Vorbilder bedient.
Wie seine Referenzen schert sich auch Rodriguez nicht um politische Korrektheit oder Grenzen der Gewaltdarstellung. Hier gilt das Motto: „Je abgefahrener desto besser!" Eine Frau versteckt ein Handy in ihrer Vagina und die Hydraulikfederung eines Lowriders wird zum Zerschmettern von Schädeln missbraucht. Da zweckentfremdet Machete die Eingeweide eines gerade getöteten Gegners als Liane und bewegt einen Widersacher wie eine Handpuppe, indem er ihm sein namensgebendes Schwert ins Rückgrat rammt. Außerdem werden – von stolzen Blutfontänen begleitet - massiv Köpfe abgeschlagen. Quasi als Lohn werfen sich Machete dann die schönsten Frauen – wenn auch teilweise unter Drogen- und Alkoholeinfluss – gleich scharenweise an den Hals. Die erzählerische Chuzpe muss man erst einmal besitzen, den Helden in Anschluss an eine Actionszene unvermittelt ein surreales Bad mit zwei nackten Frauen (Lindsay Lohan und Alicia Rachel Marek) nehmen zu lassen. Auch wenn viele dieser Ideen nicht neu sind (die Badeszene stammt zum Beispiel aus Enzo G. Castellaris „Inglorious Bastards"), handelt es sich bei ihnen nicht nur um liebevolle Hommagen, sondern man muss Rodriguez auch dafür Respekt zollen, wie kunstvoll er sie miteinander arrangiert hat.
Die Bösewichte sind für das Genre typisch gnadenlos überzeichnet. Robert De Niro vertritt als konservativer Senator gemeinsam mit seiner rechten Hand, einem von „Nash Bridges"- und „Miami Vice"-Star Don Johnson gespielten Grenzpolizisten, Thesen über mexikanische Einwanderer, die auch eins zu eins aus von Bundesbank-Provokateur Thilo Sarrazin stammen könnten. Rodriguez wiederum setzt diesen Aussagen ein zwar plakatives, aber aufrichtiges Plädoyer für eine offenere Einwanderungspolitik entgegen. Gemeinsam nehmen die mexikanischen Einwanderer schließlich die Macheten in die Hand und schreiten unter Führung von „She" (Michelle Rodriguez), deren Ähnlichkeit zu Che Guevara nicht ganz zufällig ist, zur blutigen Revolution. Oneliner sind reichlich vorhanden und wenn die besten auch schon aus Trailern bekannt sind, ist dem Film der Szenenapplaus bei trocken vorgetragenen Sprüchen wie „Machete simst nicht!" oder „Machete improvisiert!" garantiert.
Obwohl Danny Trejo schon in mehr als hundert Filmen vor der Kamera stand, waren durchaus Zweifel angebracht, ob er eine Hauptrolle stemmen können würde. Doch für Rodriguez hat er schon öfter den Mann mit den Messern gespielt und in dieser Rolle ist er einfach über jeden Zweifel erhaben. Er war „Navajas" (Spanisch für „Messer") in „Desperado", „Razor Charlie" (Rasiermesser-Charlie) in „From Dusk till Dawn" und „Chuchillo" (ebenfalls ein spanisches Wort für „Messer") in „Predators". Nun ist er „Machete" und noch cooler. Es ist gar kein allzu großes schauspielerisches Können nötig, denn sein stoischer Gesichtsausdruck und die grimmige Stimmlage reichen vollkommen aus. Hin und wieder überrascht er dann sogar, wenn er etwa als Arbeitsloser mit hängenden Schultern durch texanische Straßen schlurft. Da Rodriguez seinem Hauptdarsteller aber wohl selbst nicht hundertprozentig vertraute, hat er eine der irresten Besetzungen aller Zeiten zusammengeholt. Oder wer hätte gedacht, dass Stars wie Robert De Niro, Steven Seagal, Jessica Alba, Lindsay Lohan, Michelle Rodriguez und Don Johnson jemals gemeinsam in einem Film auftreten würden?
Mitunter ist das allerdings schon etwas zu viel des Guten. Während es erfreulich ist, dass Steven Seagal endlich einmal einen Funken Selbstironie beweist und zum ersten Mal in seiner Karriere einen Bösewicht verkörpert, geht das Konzept bei Lindsay Lohan überhaupt nicht auf. Ihr Part als verzogenes, dauernd zugedröhntes und meist nacktes Gör aus reichem Hause mit anschließender Wandlung zum Racheengel im Nonnengewand ist natürlich pure Selbstparodie, die für sich betrachtet auch funktioniert, den Fluss des Films aber immer wieder stört. Auch ein paar Comic-Relief-Figuren wie zwei sich streitende Kartoffelschäler oder ein Porträt-Zeichner sind schlicht überflüssig. Dann doch lieber Cheech Marin als Priester mit einer „Rambo"-Hommage: „Gott kennt Gnade, ich nicht."
Fazit: „He's gonna kill him!" – „No he's not, it's Machete!" – „Good Point!", heißt es am Ende, als Machete im finalen Showdown mächtig in Schwierigkeiten steckt. Und kaum eine Unterhaltung fasst die Essenz von Robert Rodriguez und Ethan Maniquis Grindhouse-Gemetzel besser zusammen. Hier geht es um einen überlebensgroßen Helden, der ein Mythos ist und dem nichts und niemand etwas anhaben kann. Das ist zwar Old-School, aber es macht mächtig Laune. Straight auf den Punkt gebrachtes Exploitationkino, auch wenn „Machete" den Ideenreichtum von „Planet Terror" nicht ganz erreicht.